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Exklusiv: Das passiert nach dem Braunkohleabbau in Garzweiler

Kurz nach der Räumung Lützeraths erhält TITANIC eine Nachricht. Ein Whistleblower, ein hohes Tier bei RWE, hat exklusive Informationen zu den neuen Plänen des Energiekonzerns. So geht es mit Garzweiler nach 2030 weiter ...

16. Januar 2023, 23:10 Uhr, Feld nahe Lützerath

Die vollständige Räumung des Geländes ist erst ein paar Stunden her. Wir treffen auf einen mittelgroßen Mann in kohleschwarzer Kleidung. Seine cobaltblauen Augen werden mich noch durch so manch einsame Nacht begleiten. Er hat sich diesen Ort für die Übergabe ausgesucht: Der Schlamm schlucke nicht nur hervorragend Polizeistiefel, sondern auch den Schall. Geheimhaltung sei ihm wichtig. "Das wird ein riesiges Ding", sagt er, denn RWE wolle viel Geld für die Renaturierung des Braunkohleabbaugebiets ausgeben. Es ist ein Kurswechsel geplant, durch den sich das Unternehmen nach 2030 neu branden will – ein radikaler Image-Wandel. Und weil RWE keine Keks-Erbin ist, muss es dafür mit seiner Vergangenheit aufräumen. Der Whistleblower überreicht mir einen Umschlag, auf dem in großen roten Lettern "TOP SECRET" prangt. Darin stehe alles, was ich wissen muss. Ein paar Sekunden später werden wir dann alleine mit dem Frikandel-dicken Umschlag auf dem Feld zurückgelassen.  

RWE: Das Q steht für Nachhaltigkeit

Renaturierung fängt für RWE mit Recycling an. Die Vorstände des Konzerns leben zwar in Millionen-Villen am Rhein, aber nicht hinter dem Mond! Deshalb wissen sie, dass Nachhaltigkeit bei dem Konzept nach 2030 eine wichtige Rolle spielen muss. Alle "Lützi bleibt"-Banner, die sich noch auf dem Gelände befanden, wurden deshalb bereits von unbezahlten Praktikant:innen eingesammelt, sauber gekärchert und eingelagert. Zusammen mit den verunstalteten Grünen-Wahlplakaten der nächsten NRW-Landtagswahl 2027 sollen Rohstoffe gewonnen werden, mit denen eine eigene Modelinie entstehen wird: "Couture for Future" (letztes Wort auch französisch betont). Stardesigner und "Lanz & Precht"-Enthusiast Philipp Plein hat den Vertrag schon unterschrieben und bereits erste Entwürfe für das Projekt vorgelegt.

One Love

Bei der Neukonzeptionierung geht es RWE nicht nur darum, entstandene Gräben wieder zuzuschütten, sondern auch darum, diese zu überwinden. Denn das einzige, was bei dem Unternehmen ab 2030 abgetragen wird, sind Vorurteile. Gruppen, die zu Unrecht in Verruf geraten sind, sollen endlich wieder entstigmatisiert werden. So soll es in Garzweiler Deutschlands erstes Kino geben, in dem nur Filme laufen, die mit Bodycams gedreht wurden. Außerdem ist zur Eröffnung ein Benefiz-Rave mit Star-DJ David Guetta geplant. Greta Thunberg wurde dafür bereits als Shouterin angefragt, hat sich laut Aufzeichnungen allerdings bisher noch nicht zurückgemeldet. RWE beabsichtigt als Wiedergutmachung, mit dem gesammelten Geld Opfer des Klimawandels mit ausreichend Handventilatoren zu versorgen.  

Der Bob Ross der Renaturierungen

Weil sich in einem Tagebau so viel Flora und Fauna befindet wie in einem Apple Store, muss RWE nach 2030 aktiv dafür sorgen, dass sich das in Garzweiler ändert. Das Unternehmen wittert dabei die Chance, gleichzeitig einen Unique Selling Point für die Gegend zu schaffen. Deshalb soll bei der Auswahl der Flora und Fauna auf einen wichtigen Punkt besonders geachtet werden: den Coolnessfaktor! Igel, Mäuse und Eichenbäume sind out! Riesige Schlangen, Bären und Bonsais sind in! Garzweiler ist eine leere Leinwand, die inhaltlich komplett neugestaltet werden kann. Perfekt für ein Unternehmen, das wegen Einfluss und Macht in die Politik sowieso schon einen Gottkomplex hat!  

Aus Tagebau wird Tage-WOW

Was lässt bad vibes am besten verschwinden? Etwa das Verarbeiten von Emotionen? Nein! Wie bei einem emotional unerreichbaren Vater, der in der Nachkriegszeit aufgewachsen ist, geht das nur durch einen platonischen Tag voller FUN, FUN, FUN! Auch 2030 lässt es sich bestimmt noch herzhaft lachen. Gut, vielleicht mit einem Tränchen im Auge, weil der eigene Keller wegen des Klimawandels schon zum vierten Mal innerhalb eines Jahres geflutet wurde. Was die Endorphin-Ausschüttung betrifft, will RWE das Schaufelrad nicht neu erfinden und plant deshalb, auf ein bereits etabliertes Spaß-Mekka zurückzugreifen: das Phantasialand. Der Konzern plant, den Freizeitpark ab 2030 Stück für Stück abzutragen und in der Tagebaugrube neu aufzubauen. Man lässt sich eben lieber von der Black Mamba als vom Leben aus der Bahn werfen. Denn: Renaturierung hört auch beim Spaß nicht auf!  

Die fünf Phasen der Räumung von Lützerath

Loslassen fällt nicht leicht – das weiß RWE nur zu gut. Schließlich hatte sich das Unternehmen einst selbstlos von seinem eigentlich geplanten Kohleausstieg 2038 verabschiedet. Deshalb sollen auch die Menschen den Verlust von Lützerath weiter verarbeiten dürfen – durch einen eigens angelegten Pilgerweg. Die Route führt zunächst durch die fünf Dörfer und drei Feldhöfe, die dank des Deals der Grünen NICHT abgebaggert werden mussten. An den jeweiligen Stationen befinden sich Murals von Mona Neubaur und Robert Habeck, die mit Flutwein aus dem Aartal gemalt wurden. Der Pilgerweg endet an der Stelle, an der sich einst Lützerath befand. Dort plant RWE einen Schrein zu errichten, der bis auf 1,5 Grad Richtung Bundestag in Berlin ausgerichtet ist. Im Rahmen eines Rituals kann man dort seine Katharsis vollenden, indem man sich die schlechte Energie im Rahmen einer Schlammkur von einem Mönch in brauner Kutte aus den Faszien kneten lässt.

 

Yvonne Zißler

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Interessant, was Sie da sagten, Erling Haaland (Manchester City)!

»Die besten Spieler sind die besten in den einfachsten Dingen. Mit der rechten Hand berühren und mit der linken passen. Das ist das Wichtigste. Pep sagt das immer wieder zu mir.«

Mit welcher Hand man dann das Tor erzielt, ist egal, meint im Gedenken an Diego Maradona Titanic

 Gott sei dank, »Focus«!

Du schreibst: »Fleischkonsum sinkt, Mitarbeiter fehlen. Fachkräftemangel trifft die Wursttheke«. Aber sieh es doch mal positiv, lieber Focus: Es wäre doch viel schlimmer, wenn aufgrund des hohen Fleischkonsums die Mitarbeiter/innen verschwinden würden …

Grüße aus der Fleet Street schickt Titanic

 Priwjet, Roderich Kiesewetter!

Priwjet, Roderich Kiesewetter!

»Die AfD ist nicht besser oder schlechter als das BSW. Beide sind Kinder derselben russischen Mutter«, sagten Sie der FAS.

Da haben wir aber einige Nachfragen: Wer sind denn die Väter? Hitler und Stalin? Oder doch in beiden Fällen Putin? Und wenn BSW und AfD dieselbe Mutter haben: Weshalb ist der Altersunterschied zwischen den beiden so groß? War die Schwangerschaft mit dem BSW etwa eine Risikoschwangerschaft? Und warum sollte es keine Qualitätsunterschiede zwischen den Parteien geben, nur weil sie die gleiche Mutter haben? Vielleicht hat Russland ja sogar ein Lieblingskind? Können Sie da bitte noch mal recherchieren und dann auf uns zurückkommen?

Fragt die Mutter der Satire Titanic

 Huch, Wolodymyr Selenskyj!

Laut Spiegel wollen Sie »überraschend nach Deutschland reisen«. Verständlich, Flugzeug oder Zug werden auf Dauer ja auch langweilig. Interessiert, ob Sie stattdessen einen Tunnel graben, mit einem Zeppelin fliegen oder doch per Faltkanu heranschippern, wünschen Ihnen in jedem Fall eine gute Reise

Ihre Travelguides von Titanic

 Hmmm, Aurelie von Blazekovic (»SZ«)!

Am Abend der Wahlen in Thüringen und Sachsen hatte die ZDF-Chefredakteurin Schausten dem 1. September 2024 den 1. September 1939 an die Seite gestellt, und dazu fiel Ihnen dies ein: »Das Dämonisieren von Rechtspopulisten hatte bisher keinen Erfolg. Egal, wie richtig es ist, dass die AfD gefährlich, radikal, extrem ist. Politiker, Journalisten, Demokratieverteidiger können das immer noch lauter und lauter rufen – aber es bringt nichts. Die berechtigten Warnungen sind inzwischen leere Formeln. Die Wahlergebnisse der AfD sind immer besser geworden, der Trotz immer erheblicher. Die Tatsache, dass sie sich beständig als Opfer von Medien inszenieren kann, hat der Partei genutzt. Es ist nicht die Aufgabe von Bettina Schausten, die AfD kleinzukriegen, sondern die der anderen Parteien. Sie sollten mal über den Tim-Walz-Weg nachdenken. Ist Björn Höcke etwa nicht weird

Ist er. Hitler war es auch, und ihn als »Anstreicher« (Brecht) oder inexistenten Krachmacher (Tucholsky) zu entdämonisieren, hat bekanntlich so viel gebracht, dass diese Sätze nie haben fallen müssen: »Man hat mich immer als Propheten ausgelacht. Von denen, die damals lachten, lachen heute Unzählige nicht mehr, und die jetzt noch lachen, werden in einiger Zeit vielleicht auch nicht mehr lachen.«

Wegweisend winkt Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Obacht!

Die Ankündigung von Mautgebühren ist furchterregend, aber so richtig Gänsehaut bekomme ich immer erst, wenn bei Google Maps als »Warnhinweis« auftaucht: »Diese Route verläuft durch Österreich.«

Norbert Behr

 Schrödingers Ruhebereich

Wenn es im Abteil so still ist, dass ein Fahrgast einschläft und dann übertrieben laut schnarcht.

Loreen Bauer

 Zum Sterben hoffentlich zu dämlich

In der Wartezone der Arge in Fürth sitzen zwei Männer um die vierzig. Einer der beiden hält eine aufgeschlagene Tageszeitung so, dass der zweite mitlesen kann. Geduldig blättern sie gemeinsam bis zur Seite mit den Todesanzeigen. »Schau«, sagt der eine, »da ist einer zwei Mal gestorben.« – »Wie kommst du darauf?« – »Lies doch! Derselbe Name in zwei Anzeigen.« – »Tatsächlich! Zwei Mal gestorben. Wie er das wohl geschafft hat?« Eine längere Denkpause setzt ein. »Wahrscheinlich einer wie ich, der nichts auf Anhieb hinkriegt«, schlussfolgert der eine dann. »Ha, das kommt mir bekannt vor!« stimmt der zweite ein. »Meine erste Frau mit den Kindern abgehauen, Führerschein schon drei Mal gemacht. Also zwei Mal wegen Alkohol, und ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hier nach einer neuen Arbeit angestanden bin.« – Seufzend: »Hoffentlich kriegen wir wenigstens das mit dem Sterben mal besser hin als der hier …«

Theobald Fuchs

 Aus der militärgeschichtlichen Forschung

Feldjäger sind auch nur Sammler.

Daniel Sibbe

 Reality-TV

Bei der Fernsehserie »Die Nanny« gibt es diese eine Szene, in der die Mutter der Nanny, Sylvia Fine, in einem Pariser Restaurant mit dem Kellner kommunizieren will. Da sie kein Französisch spricht, nutzt sie zum Austausch ausschließlich den Text des französischen Kinderliedes »Frère Jacques«: Mit »Frère Jacques« ruft sie den Kellner, mit »Ding-ding-dong« fordert sie einen neuen Kaffee und so weiter. In der Serie klappte das sehr gut, und als Kind fand ich es auch ausgesprochen lustig, war mir allerdings sicher, dass das in der Realität nie funktionieren würde – bis es mir selbst gelang. Das kam so: Im Fitnessstudio wartete ein junger Mann am Tresen vergeblich auf einen Trainer. Vergeblich, weil er die im Tresen eingelassene Klingel nicht betätigt hatte. Nun hatte ich ihn während des Trainings Französisch sprechen hören, sprach allerdings selbst keines. Da ich aber der Einzige war, der sein vergebliches Warten bemerkte, ging ich schließlich hin, zeigte auf die Klingel und sagte »Sonnez les matines! Sonnez les matines!« Er verstand sofort und klingelte ausgiebig. Kurz darauf erschien der Trainer und ließ ihn hinaus. Da soll noch mal einer sagen, Fernsehen würde im Leben nicht helfen.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
23.10.2024 Karlsruhe, Tollhaus Max Goldt
23.10.2024 Berlin, Walthers Buchladen Katharina Greve
24.10.2024 Stuttgart, Im Wizemann Max Goldt
25.10.2024 Potsdam, Waschhaus-Arena Thomas Gsella