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Das hilft gegen Ghosting

Sie haben sich Hals über Kopf in jemanden verliebt, eine kurze, aber intensive Zeit mit ihm verbracht und plötzlich geht er nicht mehr ans Telefon, blockiert Sie auf WhatsApp und scheint Ihnen ums Verrecken nicht begegnen zu wollen? Dann sind Sie wahrscheinlich "geghostet" worden! TITANIC verrät Ihnen, wie Sie sich gegen den gefürchteten "Kommunikations- und Kontaktabbruch ohne Ankündigung" wappnen und mit der Mutter aller Zurückweisungen umgehen lernen.
Er/sie ist weg. Was nun?
Eine Person, die Sie innerhalb weniger Wochen oder Monate ins Herz geschlossen haben, ist ohne Vorwarnung aus Ihrem Leben verschwunden. Sie können sie weder über die üblichen Kommunikationskanäle noch persönlich erreichen, verheulte Nachrichten auf dem AB bleiben unbeantwortet, und selbst seine/ihre Bekannten haben angeblich keinen Dunst, wo Ihr Ein und Alles sich gerade aufhält. Soweit diese angespannte Situation sich nicht erfreulich zu Ihren Gunsten auflöst (z.B. durch einen Erpresserbrief mit belastbarem DNA-Inhalt oder einen amtlich beglaubigten Totenschein), müssen Sie den knallharten Fakten ins Auge sehen. Ihr "Lieblingsmensch" hat die Beziehung zu Ihnen ohne Aussicht auf Klärung einseitig beendet. Um Ihnen das offen ins Gesicht zu sagen, ist er entweder zu bequem oder Sie sind ihm die Mühe nicht wert. Viel lieber will er Sie aus seinem Umfeld so rückstandslos entfernen, als seien Sie bloß eine geisterhafte Erscheinung gewesen, die nie wirklich existiert hat. Bevor Sie jetzt verständlicherweise wehklagend mit Ketten rasseln und durch Wände gehen möchten, wollen wir kurz durchatmen, um uns dem Thema "Ghosting" sachlich und unaufgeregt zu nähern.
Mögliche Gründe
Wenn potenzielle "Ghoster" nicht von Natur aus Narzissten sind und glauben, dass selbst eine kurze Verweildauer an ihrer Seite als Dienst am gesellschaftlichen Durchschnitt zu verstehen ist, gibt es Erklärungen, die mit viel Fantasie als Alibis für beziehungstechnische Egotrips herhalten könnten. Indikationen wie mangelndes Selbstbewusstsein, Scham und ein in der Angst vor Nähe begründeter Wunsch nach Unverbindlichkeit und größtmöglicher Freiheit sind laut einer Blitzumfrage unter TITANIC-Redakteur*innen aber völliger Bullshit. Ihr Recht auf das einvernehmliche, geordnete Auflösen einer Beziehung wurde mit Füßen getreten, und darauf kann es nur eine Antwort geben: "VENDETTA!!!"
Sofort-Maßnahmen
Der Klassiker: Machen Sie nach einem plötzlichen Kontaktabbruch in unregelmäßigen Abständen auf sich aufmerksam, indem Sie nachts mit zerlaufender Schminke und in ein Leichentuch gehüllt vor dem mutmaßlichen Terrassenfenster Ihres Ex stehen und ein paar Worte durch den Stimmverzerrer krächzen. Tipp: Besorgen Sie sich vorher ein wenig Kunstblut und achten Sie bei der Terminauswahl auf eine möglichst dramatische Wettervorhersage. Falls Sie Wert auf seine tränenreiche Entschuldigung legen und über genügend finanzielle Rücklagen verfügen, können Sie Kontaktanbahnung und Gesprächsaufsicht aber auch in professionelle Hände legen. Deutsche Vertretungen von Cosa Nostra oder 'Ndrangheta finden Sie im Ruhrgebiet auf Nachfrage in jeder zweiten Pizzeria.
Prophylaxe
Wenn Sie es so weit gar nicht erst kommen lassen möchten, macht es Sinn, mögliche Lebensgefährt*innen frühzeitig auf tief im Innern schlummerndes Ghosting-Potenzial zu scannen. Lassen Sie ihn nach der ersten gemeinsamen Nacht neben einem gerahmten Foto von Ihnen beiden aufwachen, das Sie mit dem Handy aufgenommen haben, als er schlief. Oder stellen Sie sie während des ersten Dates Ihren Eltern ("Wie heißt Du noch mal, Schatz?") als Ihre Verlobte vor. Sollten sich daraus dezente Hinweise auf Bindungsstörungen und andere psychosoziale Defizite ergeben oder ein Fluchttrieb erkennbar sein, sagen wir Ihnen jetzt, wie Sie rechtzeitig gegensteuern können.
Optionen zur Intervention
Vernetzen Sie sich mit ihren engsten Freundinnen, Verwandten, Bekannten und Kolleginnen und sorgen Sie für einen steten Zufluss an geheimdienstlichen Informationen über ihre Tages- und Wochenroutine. Mit dem so erstellten Bewegungsprofil sind Sie dreißig Sekunden, nachdem per SMS mit Ihnen Schluss gemacht wurde, mit einer ferngesteuerten Kamera-Drohne am Start und können ein mehrstündiges Trennungsgespräch führen.
Holen Sie Ihren völlig abgestumpften Wunschpartner aus seiner Komfortzone und stärken Sie seine Resilienz gegenüber den unvermeidlichen und notwendigen Konflikten des Alltags mittels ausdauernden Sozialtrainings. Lassen Sie ihn auf seinem abendlichen Heimweg mehrmals in der Woche ausrauben, ihm eiskalte Hamburger bei McDonald's servieren oder sorgen Sie dafür, dass sein Auto regelmäßig grundlos abgeschleppt wird (Tipp: Schauen Sie sich als Blaupause für einen durch konstantes High-Speed-Triggering bis zum Anschlag auf Konfrontation gedrillten Soziophobiker den Film "Falling down" mit Michael Douglas an).
Ultima Ratio
Wenn obige Maßnahmen nicht sofort fruchten, gewinnen Sie etwas Zeit und verschaffen Sie Ihrer Ghosterin mit einem ebenfalls fesch klingenden "Framing" (indem Sie z.B. geschickt die vorab von ihr unterschriebene Steuererklärung manipulieren) einen Platz in einer ortsnahen Justizvollzugsanstalt. Sie können sich dann im Verlauf der Jahre in Ruhe überlegen, ob und wie Sie das Beziehungsende aufarbeiten wollen, und dürfen selbst bei unangekündigten Besuchen auf eine hundertprozentige Anwesenheitswahrscheinlichkeit zählen.
Geschafft! Und jetzt?
Bevor Sie sich möglicherweise in die nächste verhängnisvolle Affäre stürzen, nutzen Sie den kurzen Moment der Klarheit unbedingt für schonungslose Selbstkritik: Trifft Sie an der Tatsache, dass Sie geghostet wurden, eine Mitschuld? Haben Sie ihm/ihr nicht genug Freiräume gelassen, sind zu schnell mit dem L-Wort vorgeprescht oder gar übergriffig geworden? Diese Fragen sollten geklärt sein, ehe Sie mit Ihrem Verlust abschließen und die Heilung beginnen kann. Und jetzt gehen Sie bitte endlich von meinem Schoß runter.
Patric Hemgesberg