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TITANIC-Faktenfinder – Die größten Missverständnisse in 10 Jahren AfD

Der "Fliegenschiss" Nazi-Zeit, KZ-Bildchen im Chat oder das Horst Wessel Lied beim Karaoke – wegen ein paar Fauxpas wurde die AfD immer wieder in die braune Ecke gestellt. Dabei haben die scheinbaren Nazi-Entgleisungen oft tiefere Bedeutungen. Der TITANIC-Faktenfinder präsentiert die wahren Hintergründe hinter den großen und kleinen Skandalen aus 10 Jahren Amateur-Faschismus.

2013: Gründung als Kunstprojekt

Schon die Gründung als "Partei" AfD ist ein grobes Missverständnis. In Wahrheit handelt es sich um ein posthumes Kunstprojekt nach einem Skript von Christoph Schlingensief. Mit dieser besonders radikalen Aktion soll auf die Zusammenhänge von neoliberalen und faschistischen Ideen aufmerksam gemacht werden. Das Problem: Sie funktioniert zu gut. Die Deutschen jubilieren, endlich "Ausländer raus" mit bürgerlichem Anstrich und wirtschaftlichen Argumenten rufen zu können. Der Hype lässt sich nicht mehr stoppen und Schlingensief kann den Coup nicht mehr auflösen. Einigen der Politikerdarstellern wird die Farce zu gruselig. Sie verlassen nach und nach das Projekt und kehren zurück in ihre Berufe an regionalen Kleinstbühnen. Den Darsteller von Bernd Lucke kann man beispielsweise zur Zeit als "Graf Zahl" in einem Kindermusical in Wolfsburg bewundern.

2015: Öffentliche Rapejokes 

Der stellvertretende Vorsitzende der Jungen Alternative in NRW, Maximilian Kneller, macht auf sich aufmerksam, in dem er öffentlich einer FDP-Politikerin via Facebook einen "übelsten Hatefuck" androht. Das sorgt bundesweit für Schlagzeilen. Vice widmet dem Thema "Hatefuck" eine mehrseitige Reportage samt Selbstversuch und Pro-Contra-Meinungsstück. Insgesamt überwiegt aber ein negatives Bild von Kneller. Er wird sogar angezeigt und muss kurzfristig so tun, als würde er sein Amt niederlegen. Dabei war alles doch nur ein Missverständnis: Die Ausdrucksweise ist nämlich in AfD-Kreisen (die AfD besteht zu 110% aus Männern) ein vollkommen üblicher, durchweg positiv gemeinter Annäherungsversuch. Immerhin die adressierte FDP verstand den Wink: Schon 2020 durfte man Zeuge werden, wie in Thüringen aus diesen ersten Flirtversuchen der politische Hatefuck des Jahres wurde.

2017: Alice Weidel auf dem Müllhaufen der Geschichte

Alice Weidel fordert bei einer Rede, die politische Korrektheit müsse auf dem "Müllhaufen der Geschichte" landen. Eine neue menschenverachtende Entgleisung? Rechtes Framing am Limit? Keineswegs: Es ist der nett gemeinte Versuch, woken Satirikern die Steilvorlage zu geben, endlich mal wieder eine Frau öffentlich als Schlampe bezeichnen zu können. Diese nehmen das Angebot dankend an. Das Projekt gelingt mit Bravour.

2019: Namensverwirrung um B. Höcke

Björn Höcke droht Journalist*innen zu verklagen, die nahelegen, er hätte unter dem Pseudonym "Landolf Ladig" Nazi-Propaganda verfasst. Aus diesem Verhalten schlussfolgert die Presse erst recht, dass er tatsächlich Landolf Ladig ist. Der TITANIC-Faktenfinder meint: Höchst wahrscheinlich eine Fehleinschätzung. Rassenlehre, Hetze und Holocaust-Verharmlosung – dafür wird Höcke von seinen Fans geliebt. Warum sollte er auf den Fame verzichten und unter Pseudonym veröffentlichen? 

2023: Me-Time in Minsk

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Peter Bystron gerät mit seinem etwas unorthodoxen Reisegeschmack in die Schlagzeilen. Bei einer offiziellen Baltikumsreise macht er einen nicht ganz so offiziellen Abstecher nach Belarus. Schnell wird ihm angedichtet, in pro-russische Fascho-Machenschaften verwickelt zu sein. Nachforschungen des TITANIC-Faktenfinders zeigen jedoch: Bystron hat sich ausschließlich zu Wellnesszwecken nach Minsk begeben. "Meine kleine Auszeit von der Woke- und Transdiktatur" – So wird er in einem vom Belarussischen Geheimdienst mitgeschnittenen Privatgespräch zitiert. Künftig soll es von der AfD organisierte Kaffeefahrten nicht nur nach Belarus, sondern auch in andere von Meinungsterrorismus und Gendermainstreaming noch nicht betroffene Gebiete wie Pjöngjang, dem Vatikan oder dem Münchner Oktoberfest geben. Die finanziell erfolgversprechendste Idee seit dem "AfD-Goldshop".

Conor Körber

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg