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Das Spitze muss ins Runde, Baby!

Randvolle Hallen, Groupies und Preisgelder in sechsstelliger Höhe: Pfeilwerfende Hobby-Griller mit Bäuchlein sind als vollwertige Athleten längst anerkannt und werden im Vereinigten Königreich von Millionen Fans wie Popstars gefeiert. Doch wie sieht der harte Alltag eines zweifachen PDC-Weltmeisters mit Kneipencharme aus?  TITANIC durfte den britischen Darts-Paradiesvogel Peter Wright einen Tag lang durch London begleiten.  

 

10 Uhr, Flight-Club-Sportsbar, Soho
Wir treffen den schrillen Exzentriker beim Frühschoppen in seiner Darts-Lieblingskneipe. Während der Irokesen- und Glatzengemäldeträger beim Aufstehen den Barhocker umwirft und sich mit tanzartigen Sidemoves dynamisch auf uns zu bewegt, wummert "on cue" und in ohrenbetäubender Lautstärke sein Einlaufsong "Don´t stop the party" des US-Rappers Pitbull aus den Lautsprechern. Anstatt uns die zur Begrüßung ausgestreckten Hände zu schütteln, schlägt uns der Brite reflexartig nieder. Wie wir wissen, unter testosterongeladenen Dart-Stars, die zudem häufig an "Yips", also unkontrollierten Bewegungen der Wurfhand, leiden, ganz sicher nichts Persönliches. Kaum gedacht, hilft uns der sympathische Insulaner auch schon auf, indem er uns an den Haaren nach oben zieht. Wir sind gespannt. Für einen vierstelligen Betrag dürfen wir den Tag mit dem schottischen Überflieger verbringen und wollen dabei versuchen, dem Geheimnis seines unfassbaren Erfolgs ein wenig näher zu kommen. Derweil hat Wright uns jeweils zwei, bis zum Rand mit Dartpfeilen gefüllte Plastikeimer vor die Füße gestellt, die es für ihn durch die Stadt zu schleppen gilt. Nachdem er seinen (erschreckend echt aussehenden) Schlangenledermantel übergeworfen und die Pubtür mit seinem Cowboystiefel aus den Angeln gewuchtet hat, treten wir ans Licht.  

11 Uhr, Piccadilly Circus, London Innenstadt
Zur Stärkung seiner Hand-Auge-Koordination hat sich Wright auf der Spitze des Eros-Brunnens direkt neben dem kindlichen Bogenschützen einquartiert und wirft von oben mit Pfeilen in die Menge. Der World Cup of Darts-Sieger von 2019 hat es auf barttragende Männer um die 50 mit Schildkappen und azurblauen Übergangsjacken abgesehen. Wenn die Pfeilspitzen an neuralgischen Punkten der Nackenmuskulatur steckenbleiben (Bull's Eye!), sacken die Zielsubjekte in der Regel ohnmächtig in sich zusammen. Unsere Aufgabe: Die Darts wieder rausziehen und Wright laufend mit frischer Munition versorgen. Da wir barttragenden Männern um die 50 in gewisser Weise ähneln und heute zufällig Schildkappen sowie blaue Übergangsjacken anhaben, bewegen wir uns auf dünnem Eis und müssen zu jeder Sekunde hellwach sein.  

12:30 Uhr, McKanna Meats ltd, Holborn
Um nach der kräftezehrenden Trainingseinheit nicht an Kampfgewicht einzubüßen, kehrt der Scharfschütze mit uns bei seinem Lieblingsmetzger in der Theobalds Road ein. Er bestellt an der Theke fünf Scheiben Bauchlappenfleisch sowie drei Stielkoteletts und verzehrt das Ganze roh an Ort und Stelle. Als Zeichen seiner Gastfreundschaft lässt Wright uns zwei in Zeitungspapier eingewickelte Kalbszungen reichen, die wir unter seinen argwöhnischen Blicken ebenfalls ungekocht herunterwürgen müssen.  

13:30 Uhr, National Gallery, Trafalgar Square
Zeit für ein medienwirksames Trainingsspektakel in einer der renommiertesten Gemäldegalerien der Welt. Im Beisein der Fachpresse und live übertragen von Sky Sports, nimmt Wright heute "Die Gesandten" von Hans Hohlbein, "Venus und Adonis" von Tizian, sowie "Die Grablegung" von Michelangelo ins Visier. Im Sekundentakt muss der Dart-Champion auf dem entsprechenden Meisterwerk vom Publikum zugeraunte Details treffen und gleichzeitig mit Tomatensuppe heranschleichende Klimaaktivisten in seinem Rücken neutralisieren. Nach einem aufgeregten Anruf des Museumsdirektors stürmt wenig später das Spezialkommando der Metropolitan Police den Innenraum, um sich Plätze in der ersten Reihe zu sichern.  

16:30 Uhr, Pineapple Dance Studios, Covent Garden
Showtime! Wright ist in Londons Tanztempel Nr.1 mit seiner Choreographin verabredet, um an den "Walk-ins" für die nächste Turnierserie zu feilen. Zu Adeles "Easy on me" bewegt er sich so arrhythmisch wie hölzern und erweckt den Eindruck, als würde er sich nicht wirklich zwischen schamanischer Trance und einem handfestem Anfallsleiden entscheiden können. Seiner Tanzlehrerin ist's egal. Sie brüllt "Woohoo!" und klatscht begeistert ob der gelungenen Generalprobe. Das ist der Darts-Spirit! 

18:00 Uhr, Waterstones-Buchhandlung, Piccadilly  
Im Rahmen einer Signierstunde gibt sich der Plauzen-Braveheart volksnah. Da er selbst noch nichts Literarisches zu Papier gebracht hat, schreibt er seine Widmungen mit einem Edding ausladend über die Buchcover anderer Autor*innen oder ritzt hartgesottenen Fans Autogramme mit der Dartspitze in die dargebotenen Körperteile. Der Andrang vor dem schmucken Laden ist riesig. Während sich Schlangen zu beiden Seiten um etliche Häuserblocks ziehen, sieht man im Innern auch vereinzelt irritierte Gesichter. Viele Londoner hatten sich wohl in der Annahme eingereiht, hier sei der Sarg eines über Nacht verstorbenen Royals aufgebahrt.  

20:00 Uhr, Emirates Stadium, Holloway
Im Anschluss an einen Boxenstopp im Frisörsalon von Wrights Frau, wo man uns gegen unseren Willen ebenfalls neongrüne Kopfbürsten verpasst hat, finden wir uns nach kurzer Fahrt mit der Stretchlimo in der restlos ausverkauften Spielstätte der "Gunners" wieder. 60.000 Menschen sind gekommen, um zu sehen, wie die Pub-Legende bis tief in die Nacht Dartpfeile auf eine an die Torlatte genagelte, Holzscheibe wirft und zwischendurch an seinem "Snakebite" nippt. In der 90minütigen Pause spielt als unwillkommener Lückenfüller, begleitet von Buhrufen und einem gellenden Pfeifkonzert, der FC Arsenal gegen Liverpool.  Dass wir, als Wright nach dem Schlusspfiff endlich wieder den Rasen betritt, im Oberrang zufällig den begeistert klatschenden Sascha Lobo erspähen, überrascht uns übrigens nicht im Geringsten.                                

Patric Hemgesberg  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
10.12.2023 Kassel, Bali-Kino/Kulturbahnhof Gerhard Henschel
10.12.2023 Frankfurt, Elfer Ella Carina Werner
11.12.2023 Frankfurt, Stalburg-Theater Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
12.12.2023 Frankfurt, Stalburg-Theater Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige