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Clever Feuern mit "Offboarding"

Um ihr "Employer-Branding" nicht zu ruinieren und auf Fachkräfte weiterhin attraktiv zu wirken, sprechen immer mehr Unternehmen ihre Kündigungen sozial verantwortungsvoll aus. Sie sind Personalchef*in der alten Schule und haben keinen Dunst, wie man der Belegschaft mithilfe des "Offboardings" so den Stiefel gibt, dass sie im Anschluss weder klagen noch schlecht über Ihren "Ex" reden? TITANIC stellt Ihnen den Arbeitgeber-Trend vor. 

Werden Sie Ihrer Fürsorgepflicht gerecht

Verpflichten Sie für Ihre gefeuerten Angestellten einen "Outplacement-Berater", der sie in allen Belangen ihres betrieblichen und gesellschaftlichen Neustarts unterstützt, indem er bei der Arbeits- oder Wohnungssuche hilft und somit die soziale Wucht einer Kündigung abfedert. Zu teuer? Praktische und supergünstige Outplacement-Kits für die schlanke Portokasse gibt es auch im Internet. Nach Postleitzahlen aufgeschlüsselt, bieten ein Stadtplan, auf dem die kürzesten Wege zu Jobcenter und Sozialamt bereits vorgezeichnet sind, sowie ein Verzeichnis von fußläufig erreichbaren Suchtkliniken und Brücken mit Hohlräumen ausgezeichnete Hilfe zu einem so kleinen Preis, dass Sie für Mitarbeiter*innen, die während des Totalabsturzes ihren Beziehungsstatus gewechselt haben, auch noch locker einen Dating-App-Gutschein obendrauf legen können!

Seien Sie großzügig

Statt ihre Betriebsangehörigen wie gewohnt kurz vor Feierabend mit einer fristlosen Kündigung zu überraschen, warum nicht schon zu Beginn der Dienstzeit mit einem fröhlichen Kollegentross und einer Konfettikanone auftauchen und Ihren Subordinaten zur Abwechslung einen frühen Feierabend ermöglichen? Sparen Sie zudem nicht an Abschieds-Geschenken. Übergeben Sie als Querschnitt des betrieblichen Schaffens zu jeder Kündigung jeweils eine Mappe im personifizierten Kunstleder-Einband (z.B. "IT-Horst 2017-2021") mit einer individuellen Best-of-Zusammenstellung aus archivierten Krankmeldungen, Abmahnungen, Papierfliegern und den schönsten überbelichteten Arsch-Bildern aus dem Kopierer. Um den Betriebsfrieden zu wahren, sollten Sie zudem unbedingt dafür sorgen, dass sich der Rest der Belegschaft während einer rauschenden Partynacht mit erstklassigem Catering von den liebgewordenen Arbeitskamerad*innen verabschieden kann. Wichtig: Achten Sie bitte peinlichst genau darauf, dass die gekündigten Mitarbeiter ihre Zoom-Codes zur Home-Teilnahme am Event vorher per E-Mail erhalten!

Führen Sie ein Abschlussgespräch

Schmeicheln Sie gekündigten Angestellten damit, dass sie zu den besten schlechten Arbeitskräften gehören, die das Unternehmen je achtkantig rauswerfen musste. Stellen Sie trotz indiskutabler Leistungen ein wohlwollend nachsichtiges Arbeitszeugnis aus, auf dem Sie zwecks korrekter Einordnung aber alle "lobenden Attribute" kursiv und in Anführungszeichen setzen sollten (alternativ tun es auch ein paar geschickt platzierte "Zwinker-Emojis" ). Selbst, wenn Sie Ihre Werktätigen bereits vor vollendete Tatsachen gestellt haben: Lassen Sie immer ein Hintertürchen offen und versichern Sie ihnen, dass Sie einer späteren Wiedereinstellung nicht abgeneigt wären, wenn sie in der Zwischenzeit hart an ihren Defiziten in den Bereichen Pünktlichkeit, Organisation, Eigeninitiative, Belastbarkeit, Motivation, Fleiß, Zuverlässigkeit, Überzeugungskraft, Kreativität und Urteilsvermögen arbeiten und sich dem Ziel verschreiben, als völlig veränderte Menschen mit einem Erscheinungsbild zurückzukehren, das dem jetzigen möglichst nicht ähnelt.

Schaffen Sie Netzwerke für den Wissenstransfer

Beugen Sie dem gefürchteten Brain-Drain vor! Schulen Sie Ihre Firmen-Abgänger unmittelbar vor dem Ende der Betriebszugehörigkeit noch in den Soft-Skills "Potentialanalyse" und "Schnelle Auffassungsgabe", damit sie bei ihren neuen Arbeitgebern als "Low Performer" fachliche Kompetenz zumindest in anderen erkennen und vielversprechende Kolleg*innen per Mundpropaganda direkt zu Ihnen lotsen können. Nachteil: Sie müssen zu den Idioten, die Sie ja aus gutem Grund loswerden wollten, Kontakt halten und sie weiterhin wie menschliche Wesen behandeln.

Kurz vor dem Abschluss

Auch wenn die Versuchung groß ist, die finale Phase, auf die Sie mithilfe des Offboardings lange hingearbeitet haben, kurz und schmerzlos hinter sich zu bringen, sollten Sie jetzt nicht nachlässig werden: Erfolgt der Rauswurf Ihrer Angestellten durch das Hauptportal (vorher öffnen!!) und im hohen Bogen, könnte es sinnvoll sein, auf der anderen Seite eine Turnmatte zu platzieren und Ihre Security vorher üben zu lassen. Lesen Sie den "dead clerks walking" auf ihrem letztem Weg aus Hesses "Stufen" vor, während diese mit ihrem Habseligkeiten-Karton traurig die Treppen zum Ausgang herunterschlurfen. Ob Sie den rührseligen Abschied-Anfang-Kram wirklich glauben, ist dabei völlig irrelevant, solange man Ihnen den Quatsch abkauft und Ihre Ex-Beschäftigten das Firmengelände verlassen, ohne dass Sie die Hunde loslassen müssen.

Einen Moment noch

Hinterfragen Sie Ihre Schritte im Hinblick auf eine Optimierung künftiger Unternehmensprozesse kritisch und kontaktieren Sie entlassene Proletarier ca. 10-14 Tage später telefonisch (oder vor Ort in der Bahnhofsmission) für ein Feedback. Wie angenehm war Ihre Entlassung auf einer Skala von 1-10? Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie unser "Exit-Management" einem Kollegen mit gültigem Dienstverhältnis weiterempfehlen? War das Sicherheitspersonal, das Sie hinausbegleitet hat, zuvorkommend? Was hat Ihnen außer Talent, Cleverness und Fleiß gefehlt, um Ihre Arbeit bei uns gut zu erledigen?

Ziel erreicht, oder?

WTF?? Von Ihnen wurden nur lächerliche 28 von 7500 betriebsbedingten Kündigungen "erfolgreich realisiert". Neben einigen hässlichen Anzeigen wegen Verleumdung haben Sie zudem dutzende Klagen vor dem Arbeitsgericht am Hals und müssen sich von früh bis spät mit Abfindungs-Geschacher herumschlagen.

Fazit: Sie sind gefeuert!

 

Patric Hemgesberg

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg