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Adel verzichtet (auf so Vieles)

Ein offener Brief von Gloria Prinzessin von Thurn und Taxis (88)  

TITANIC soll neben Achtung, Reichelt! das zweite Standbein meiner publizistischen Tätigkeit werden. Dass Adligen im letzten Heft "Stelzbockigkeit und Geilhuberei" vorgeworfen wurde zeigt die völlige Entartungen des Diskurses. Ich frage als katholische Mutter: Wo ist der Vorwurf? Es gibt nichts Schöneres, als mit einem stelzbockigen Geilhuber zu schnackseln. Ich habe einen Cousin, auf den die Beschreibung zutrifft und wir bumsen regelmäßig. Das war natürlich nur ein Scherz! Ich habe mehrere Cousins, auf die die Beschreibung zutrifft. Sie sehen, dass ich meine fürstliche Rolle durchaus modern interpretiere. Sprich: Sex mit Geschwistern nur in Ausnahmefällen (z. B. akute Geilhuberei).  

(M)ein Leben auf der Überholspur
Mir bricht kein Zacken aus der (mir widerrechtlich geraubten) Krone, wenn ich den (!) Leser (!) auf den aktuellen Stand bringe: Ich kam 1960 in Stuttgart (Herzogtum Württemberg) per Kaiserschnitt (!) zur Welt. Ich galt einst als "Punk-Prinzessin", mein Einfluss auf die Popkultur ist noch heute spürbar: Comedian Claas Meyer-Heuer hat seine Band ("Gloria") nach mir benannt. Ich kenne sie alle: Nena, Naidoo (netter Ausländer) oder Stéphanie von Monaco. "Irresistible" war ihr einziger Hit. Ich fand ihn unwiderstehlich, das ist Deutsch für irresistible – in diesem Text wird noch Deutsch gesprochen! Ich bestelle hiermit ja keinen Kaffee in Berlin. Was soll ich sagen? Die Zeit verflog, wir nutzten die sehr guten deutschen Autobahnen (danke) und doch bogen wir ins Land Afrika (Ortsteile Togo und Somalia) ab. Seitdem bin ich Afrodeutsche und immun gegen Rassismus (und Malaria). Dass ich die Abtreibung von Weißen für Mord und offen Homosexuelle für mindestens unhöflich halte, sage ich nur noch vor hintergehaltener Hand. Ich möchte nicht in die Umerziehungs-Gulags der Grünen. Apropos Funktionsbauten: Schlösser und Burgen waren die ersten von Menschenhand geschaffenen Wunder. Pyramiden etc. sind fremdländische Konstruktionen von Aliens, vergleiche Erich von Däniken (brillant). Ich selbst habe einige Prä-Astronauten auf der Ahnentafel. Ihnen haben wir die Vertreibung der Außerirdischen zu verdanken. Namen darf ich nicht nennen. Na okay, ich sage einen Namen: Knuthilf der Gerechte. Klingelt da was bei Ihnen? Ach nein, es ist meine Eieruhr.

Die Mutter aller Probleme: Diskriminierende Adelsgesetzgebung  
Mein Stammbaum reicht bis zu den Dinosauriern zurück. Die Familie Thurn und Taxis entstand, als sich ein Brontosaurus mit seiner Halbschwester, einer Stegosaurus-Dame, paarte. Damals war noch alles cool. Es ging den Bach runter, als ein Meteorit auf der Erde einschlug: Die Weimarer Verfassung und mit ihr der Wegfall der rechtlichen Privilegien des Adels. Es folgte, was folgen musste: Krieg (gegen uns), Vertreibung (von unseren Landgütern im Osten), Besatzung durch fremde Mächte (Stiftungen, Museen, Transvestiten) und die deutsche Teilung in hohe Häuser und niederes Gesindel – immerhin etwas Gutes blieb also.  

Eine orientierungslose Gegenwart
Der deutsche Michel verschlingt die Netflix-Dokus über Harry und Meghan, liest jedes Buch zu Elisabeth II. und bewundert King Charles für seine Homöopathie-Kenntnisse. Sobald sich aber im eigenen Land königlicher Glanz entfaltet, ruft er die GSG9. So einfach ist das? Bei Weitem nicht. Mein entfernter Verwandter und ehemaliger Fickfreund Heinrich XIII. Prinz Reuß wurde nicht festgenommen, weil er an die Macht wollte. Nein! Er hat etwas herausgefunden: Unter einem Dönerladen im Frankfurter Bahnhofsviertel wurden die Corgis der Queen von grünen Stadtverordneten mit veganer Ernährung gequält, obwohl das für Hunde (also für die Stadtverordneten) nicht gesund sein soll. Heinrich wollte es publik machen, der Rest ist Geschichte. Zurück zu Harry und Meghan: Der Windsor stilisiert sich mithilfe seiner woken Gattin zum vermeintlichen Diskriminierungsopfer (rote Haare). Dass seine Verwandten in Deutschland seit Jahrzehnten leiden, ist ihm egal, solange nur die Buchauflage stimmt. Typisch Rothaariger!  

"Wieder" Krieg in Europa?
Ohne Friedensvertrag gibt es keinen Frieden. Abgesehen davon wütet der Krieg gegen den Adel immer fort. Gegen denjenigen Stand, dem die Menschheit viele tolle Sehenswürdigkeiten (Schlösser, Burgen, Palais, Parkanlagen) verdankt. Die Spannungen mit Russland begannen, als die Bolschewisten einen in der Bevölkerung beliebten und gütigen Zaren wegputschten. Putin ist nur deshalb an der Macht. Ich mag ihn sehr. Mit Selenskyj werde ich hingegen nicht warm. Ich traf einmal Michel Friedmann auf einem Inlandsflug, er hat mich nicht erkannt. "Unser Land, unsere Höflichkeitsregeln!" rief ich ihm nach. Die Aristokratie als größte Opfergruppe des Nationalsozialismus darf wohl keinen Anstand erwarten. Dass der einzig nennenswerte Widerständler Stauffenberg einer der unseren war? Friedmann schien es egal zu sein.  

"Den eigentlichen Adel kann kein Gesetz abschaffen!" – G. C. Lichtenberg
Kennen Sie "Der Herr der Ringe – Die Rückkehr des Königs"? Ich liebe den Film, habe ihn aber nie gesehen. Grünland (das grüne Deutschland) plant, den Afrikaner für einen Völkermord zu entschädigen. Seit wann bekommt man für solche Taten Entschädigung? Außerdem: Die Regierung sollte sich zunächst um die Abfindung der germanischen Rassen kümmern, Stichwort Hohenzollern. Mit dem Deutschen kann man es ja machen. Uns fehlt ein arischer Trump.  

Ein Klima der Angst
Stichwort Klimaterror: Die orchestrierten Proteste sind eine Schande. Gustav von und zu Lützerath dreht sich vermutlich im Grabe um. Er war ein gütiger Lehnsherr und schaffte dutzende Arbeitsplätze (wie Diener, zweiter Diener oder Henker). Jetzt hausen linke Chaoten in den Tunneln unterm ehemaligen Stammsitz, in denen sich früher Geschwister zum Fummeln trafen. Begriffe wie "Klimawandel" fallen und sie leugnen Gottes großen Plan. Prinz Ernst August von Hannover muss sein kerniges Glied (die Kernigkeit kann ich bezeugen) auspacken und die Tunnel mit seiner Spargelpisse fluten. Sollen sie doch alle ersaufen!  

Herzlichst, Ihre Fürstin "TNT"  

Niederschrift:  Martin Weidauer

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg