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Conor Körber: "Revolution im ÖRR"

Zeitenwende im Rundfunk! Die FDP will die öffentlich-rechtlichen Sender radikal gesundschrumpfen! TITANIC leakt jetzt die bizarren Details des liberalen Umbauplans.

Revolution! Das forderte jüngst der Privatmann Tom Buhrow, der zufällig auch WDR-Intendant ist. Da er von seiner überraschend einsetzenden Rente daran gehindert wird, die groß angelegten Einsparungen und Fusionierungen durchzuführen, springt die Politik ein. Schon im Dezember legte die FDP ein kurzes Positionspapier mit Forderungen zur „starken Verschlankung“ des ÖRR vor. TITANIC präsentiert nun den kompletten liberalen Umbauplan für Funk und Fernsehen.  

 

Demokratie - Das Moderator:innen-Casting als öffentliche "Hot or Not"-Show
Vorbei sind die Zeiten, in denen prestigeträchtige Moderationsjobs durch zwielichtige Hinterzimmerdeals, Intrigen oder sexuelle Gefälligkeiten vergeben wurden. Die FDP steht für maximale Demokratie, also im Sinne der demokratischen Kräfte des Marktes. Entsprechend soll es künftig nur noch von der Mehrheit gevotete Moderator:innen zu sehen geben. In einer Auswahlshow müssen die Kandidat:innen ihre "Instagramability" in einem "Hot or Not"-Zuschauervoting beweisen, außerdem ihren besten Witz aufsagen und eine möglichst rührende persönliche Geschichte erzählen. Wer damit die Mehrheit überzeugen kann, darf künftig im Wechsel die Tagesthemen, Volle Kanne und den Fernsehgarten moderieren. Wer zu intellektuell, unattraktiv oder wenig biodeutsch für die Mehrheit rüberkommt, muss leider zurück ins Archiv oder einen Job beim Penny-Radio annehmen.  

 

Transparenz – Live-Quote in JEDER Sendung
Randgruppenbespaßung auf Staatskosten? Nicht mit der FDP! Künftig soll eine live eingeblendete Quote anzeigen, wie beliebt ein Format ist. So bekommen die Menschen ausschließlich das zu sehen, was sie auch wirklich wollen. Die Qualität wird nämlich noch innerhalb einer Live-Sendung gesichert. Stellt sich beispielsweise ein Tagesschau-Beitrag über die Lage in Afghanistan als Quoten killender Downer heraus, kann er direkt abgebrochen und gegen einen emotionalen Bericht über Böllergewalt gegen Polizisten ausgetauscht werden. (Alternativ skateboardfahrende Polizeihunde) Power to the People!      

 

Meinungsfreiheit – Nuhr im Ersten Royale
Als ausgewiesene Freiheitspartei ist für die FDP nichts so wichtig wie die Meinungsvielfalt. Die muss unbedingt im ÖRR widergespiegelt werden. Gleichzeitig soll es keine Dopplung der Angebote mehr geben, was zu spannenden neuen Formaten führt. So werden zum Beispiel die beiden großen Satireformate von ARD und ZDF, Nuhr im Ersten und das ZDF Magazin Royale, zusammengelegt. Dieter Nuhr und Jan Böhmermann werden gezwungen, zusammen zu moderieren. Im Sinne der Meinungsfreiheit darf der eine die Show beispielsweise mit einem Vortrag über die Rechte von trans Menschen eröffnen und der andere mit ein paar sexistischen Witzen über Greta und Wutreden über "Woko Haram" die Quote wieder in die Höhe schnellen lassen.    

 

Digitales -  first, Inhalte second
Welcher junge Mensch, der noch ganz bei Trost ist, informiert sich über das Weltgeschehen im Radio? Eben! Darum werden kurzerhand alle Jugendwellen eingeschmolzen und in ein multimediales "Digital Office" umgewandelt. Dort wird die aufmerksamkeitsgestörte Zielgruppe mit 5-Sekunden-Tik-Tok-Tanzchallenges und freaky BeReals über das Wichtigste in den Themenbereichen "Start-Up-Gründung", "Marketing" und "irgendwas mit Untenrum" informiert. So geht politische Bildung anno 2023!  

 

Wirtschaft – Kiwi for President
Der Rundfunkbeitrag wird nach dem Willen der FDP so drastisch gesenkt, dass die Sender bald auf Knien um Fördergelder betteln müssen. Das könnte ähnlich wie beim Drittmittelsystem an Universitäten funktionieren. Wer unbedingt ein unrentables Format oberhalb des Bare Minimum machen will, lässt es einfach von einem Player aus der Wirtschaft sponsern. Aspekte – powered by Klosterfrau Melissengeist, Frontal 21 – in Kooperation mit Sparda Bank, Arte Naturdoku – mit freundlicher Unterstützung von BP … Die Möglichkeiten sind schier unendlich. Um die neue wirtschaftliche Ausrichtung der Sender voranzubringen, wird die Mitarbeiterin, mit den besten Kontakten in die Wirtschaft zur neuen ARD-Vorsitzenden: Andrea Kiewel!  

Conor Körber

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Oha, »Siegessäule«!

Als queeres und »Berlins meistgelesenes Stadtmagazin« interviewtest Du anlässlich der Ausstellung »Sex. Jüdische Positionen« im Jüdischen Museum Berlin die Museumsleiterin und die Kuratorin und behelligtest die beiden unter anderem mit dieser Frage: »Linke, queere Aktivist*innen werfen dem Staat Israel vor, eine liberale Haltung gegenüber Homosexualität zu benutzen, um arabische und muslimische Menschen zu dämonisieren. Diese Aktivist*innen würden Ihnen wahrscheinlich Pinkwashing mit der Ausstellung unterstellen.«

Nun ist das Jüdische Museum Berlin weder eine Außenstelle des Staates Israel, noch muss man als Journalist/in irgendwelchen »Aktivist*innen« ihre antisemitischen Klischees, dass letztlich doch alle Jüdinnen und Juden dieser Welt unter einer Decke stecken, im Interview nachbeten. So können wir uns aber schon mal Deine nächsten Interviewfragen ausmalen: »Frau Pastorin Müller, Sie bieten einen Gottesdienst zum Christopher Street Day an. Betreiben Sie damit Pinkwashing für den Vatikanstaat?« oder »Hallo Jungs, ihr engagiert euch in einem schwulen Verein für American Football. Betreibt ihr damit nicht Pinkwashing für Donald Trump?«

Wird diese Artikel allerdings nicht mehr lesen: Titanic

 Du wiederum, »Spiegel«,

bleibst in der NBA, der Basketball-Profiliga der Männer in den USA, am Ball und berichtest über die Vertragsverlängerung des Superstars LeBron James. »Neuer Lakers-Vertrag – LeBron James verzichtet offenbar auf Spitzengehalt«, vermeldest Du aufgeregt.

Entsetzt, Spiegel, müssen wir feststellen, dass unsere Vorstellung von einem guten Einkommen offenbar um einiges weiter von der Deiner Redakteur/innen entfernt ist als bislang gedacht. Andere Angebote hin oder her: 93 Millionen Euro für zwei Jahre Bällewerfen hätten wir jetzt schon unter »Spitzengehalt« eingeordnet. Reichtum ist wohl tatsächlich eine Frage der Perspektive.

Arm, aber sexy: Titanic

 Diese Steilvorlage, Kristina Dunz (»Redaktionsnetzwerk Deutschland«),

wollten Sie nicht liegenlassen. Die Fußballnation hatte sich gerade mit der EM-Viertelfinalniederlage gegen Spanien angefreundet, der verlorene Titel schien durch kollektive Berauschtheit an der eigenen vermeintlich weltoffenen Gastgeberleistung sowie durch die Aussicht auf vier Jahre passiv-aggressives Gemecker über die selbstverständlich indiskutable Schiedsrichterleistung (»Klarer Handelfmeter!«) mehr als wiedergutgemacht, da wussten Sie einen draufzusetzen. Denn wie es Trainer Julian Nagelsmann verstanden habe, »eine sowohl fußballerisch als auch mental starke National-Elf zu bilden«, die »zupackt und verbindet«, hinter der sich »Menschen versammeln« können und der auch »ausländische Fans Respekt zollen«, und zwar »auf Deutsch« – das traf genau die richtige Mischung aus von sich selbst berauschter Pseudobescheidenheit und nationaler Erlösungsfantasie, die eigentlich bei bundespräsidialen Gratulationsreden fällig wird, auf die wir dank des Ausscheidens der Mannschaft aber sonst hätten verzichten müssen.

Versammelt sich lieber vorm Tresen als hinter elf Deppen: Titanic

 Gemischte Gefühle, Tiefkühlkosthersteller »Biopolar«,

kamen in uns auf, als wir nach dem Einkauf Deinen Firmennamen auf der Kühltüte lasen. Nun kann es ja sein, dass wir als notorisch depressive Satiriker/innen immer gleich an die kühlen Seiten des Lebens denken, aber die Marktforschungsergebnisse würden uns interessieren, die suggerieren, dass Dein Name positive und appetitanregende Assoziationen in der Kundschaft hervorruft!

Deine Flutschfinger von Titanic

 Augen auf, »dpa«!

»Mehrere der Hausangestellten konnten weder Lesen noch Schreiben« – jaja, mag schon sein. Aber wenn’s die Nachrichtenagenturen auch nicht können?

Kann beides: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Ein Lächeln

Angesichts der freundlichen Begrüßung meinerseits und des sich daraus ergebenden netten Plausches mit der Nachbarin stellte diese mir die Frage, welches der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen sei. Sie beantwortete glücklicherweise ihre Frage gleich darauf selbst, denn meine gottlob nicht geäußerte vage Vermutung (Geschlechtsverkehr?) erwies sich als ebenso falsch wie vulgär.

Tom Breitenfeldt

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster