Artikel

"Fordern, fördern und fürdern!" - Ein Interview mit Rolf Mützenich

Die SZ nennt ihn "Durchsteher". Er selbst bezeichnet sich als "kein bißchen amtsmüde". Ein Interview mit Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion.  

TITANIC: Sehr geehrter Herr Mützenich, vielen Dank, dass Sie Zeit für ein Interview gefunden haben.  

Mützenich: Ich danke, äh, Ihnen und bin Ihnen auch dankbar für Ihr Kommen. Möchten Sie einen Lavendeltee?  

TITANIC: Hm, na gut. Herr Mützenich, wie schätzen Sie die aktuelle Lage der Bundesrepublik ein?  

Mützenich: Die Lage der Bundesrepublik ist in der Tat, und das haben wir auch in der Koalition thematisiert, für die Bürger und für die Bürgerinnen, aber auch für die Unternehmen, ebenso für die öffentliche, äh, Hand, zum jetzigen Zeitpunkt dynamisch, aber auch in Bewegung. Wir sind fest entschlossen und darüber hinaus auch gewillt, die nötigen Ziele, genau wie die anvisierten Ergebnisse, in der Koalition, aber auch im Kabinett und dann in der Folge natürlich auch im Bundes-, äh, -tag, thematisieren und besprechen wollen zu würden! Moment, ich zünde nur mal ein Räucherstäbchen an, das entspannt.  

TITANIC: Ähm, ein Projekt der Bundesregierung ist das neue Bürgergeld. Was ändert sich da, außer dem Namen?  

Mützenich: Außer dem Namen ändert sich hier auch die Bezeichnung. Es ist uns wichtig, und da sind wir uns in der Koalition ebenso einig wie mit dem Finanzminister, allerdings auch mit dem Arbeitsminister, dass jeder Bürger, aber auch jede Bürgerin, einerseits zufrieden, andererseits aber auch nicht unzufrieden sein sollte und eben auch müsste. Unter Hartz IV hieß das Motto "fordern und fördern". Mit dem Bürgergeld gehen wir darüber hinaus und sagen: fordern, fördern und fürdern!  

TITANIC: Aber "fürdern" ist doch kein Wort.  

Mützenich: Nicht? Aber "fürderhin" schon, oder?

TITANIC: Ja, das schon.  

Mützenich: Sehen Sie und das ist eben Fortschritt, Weiterentwicklung, aber auch Progress. Nehmen Sie sich ruhig so ein Kissen da, echte Daunen.  

TITANIC: Das ist wirklich weich, Danke. Wie stehen Sie zu dem Vorwurf, die SPD habe in Bezug auf Russland schwere Fehler gemacht?  

Mützenich: Die SPD hat in der Tat, und das kann ich hier in aller Deutlichkeit sagen, da sind wir uns auch in der Koalition einig, ebenso aber auch im Kabinett und in meiner Fraktion, sowohl in der Vergangenheit, aber auch in der Zukunft, eine vollständige und in diesem Sinne auch hundertprozentige Fehler-, äh, -freiheit nicht zu jedem Zeitpunkt – und da ist sie im übrigen nicht allein, es gibt auch andere Parteien, die in der Vergangenheit Fehler gemacht haben oder aber auch in der Zukunft noch machen werden, etwa die CDU, die FDP oder auch die Grünen oder auch Parteien, die es schon gar nicht mehr gibt oder bald nicht mehr gibt, wie die Linken –, äh, erreicht. Entspannen Sie sich ruhig. Hier.  

TITANIC: Lecker. Sind das Salmiakpastillen?  

Mützenich: Nein, das ist Baldrian. Gerade in Bezug auf, aber auch hinsichtlich, ebenso wie betreffend die Energiever-, äh, -sorgung haben Sie jetzt wahrscheinlich gar nicht mehr so viele Fragen, oder?  

TITANIC: Also, puh, na ja, eigentlich wollten wir noch wegen Gas …  

Mützenich: Gas als Energie-, äh, -träger, insbesondere aber auch in seiner Funktion als Energielieferant hat eine Bedeutung, die wir in der Koalition, ach, ich zeige Ihnen das am besten, das hier ist jetzt zum Beispiel gasförmig.  

TITANIC: Ist das eine Opiumpfeife? Wie wollen Sie denn die Gasversorgung …  

Mützenich: Sie sollten tief einatmen, aber auch ausatmen, beruhigen Sie sich, denken Sie an etwas Schönes. Ein warm geheiztes Zimmer. Wir sind uns in der Koalition, aber auch im Kabinett, einig, dass wir die Bundesbürger nicht  überlasten, aber auch nicht unter-, äh, IHRE ARME WERDEN SCHWER, gerade beim Gaspreis ist wichtig, dass wir, unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, ohne hier Verhandlungen vorwegnehmen zu wollen, durchaus aber in klarer Position für die Bürger, IHRE BEINE WERDEN AUCH SCHWER, und da werden wir in aller Entschiedenheit, mit dem nötigen Augenmaß, ohne jedes Zögern, da gibt es auch Einigkeit im Kabinett, in Abstimmung mit dem Kanzler IHRE AUGEN SCHLIESSEN!  

TITANIC (gähnend): Aber … wegen dem Gas … na ja, egal. Suchen Sie was?  

Mützenich (kramt): Ich finde meine Mütze nicht. (Fasst an seinen Kopf) Ach, da ist sie ja!  

TITANIC: Eine Schlafmütze? 

Mützenich: Setzen Sie die ruhig auf. Hier ist eine weiche Wolldecke. Haben Sie noch, äh, Fragen?  

TITANIC (murmelnd): Eigentlich wollte ich … aber … was soll’s … (Kopf kippt zur Seite, schnarcht)  

Mützenich: Uff. (Zieht vorsichtig die Decke zurecht, schleicht dann aus dem Zimmer und schließt leise die Tür.) Aber auch Puh!  

Robert von Cube 

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Viel Erfolg, »RBB«-Goldmamsell Patricia Schlesinger!

Viel Erfolg, »RBB«-Goldmamsell Patricia Schlesinger!

Als sympathischste Monetenschleuder seit Gloria von Thurn und Taxis klagen Sie vor dem Landgericht Berlin gegen Ihren alten Arbeitgeber auf Zahlung einer Betriebsrente in Höhe von monatlich 18 384 Euro. Moralisch wollen wir das nach Ihrem Rausschmiss nicht bewerten, aber rein betriebswirtschaftlich geben wir grünes Licht: Der RBB wird wegen des Skandals um Ihre Person ja 100 Mitarbeiter/innen entlassen, da sollte die Kohle also drin sein!

Gesendet aus dem Massagesessel von Titanic

 So geht das aber nicht, mecklenburg-vorpommerische Finanzbeamtin!

Da haben Sie doch einfach die Steuererklärung der »Stiftung Klima- und Umweltschutz MV« verbrannt! Und das geht ja dann doch einen Schritt zu weit!

Dass die Klimastiftung nicht wirklich Klimaschutzziele verfolgt, sondern vor allem dafür da ist, die Gaspipeline Nord Stream 2 an US-Sanktionen gegen Russland vorbei fertigzustellen, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Und dass die verbrannten Dokumente wahrscheinlich Hinweise auf Schenkungen der Nord-Stream-AG gegeben hätten und somit Steuern in Höhe von zehn Millionen Euro fällig geworden wären, ist auch mehr als eine Vermutung. Aber nun auch noch die Verbrennung der Papiere? Wissen Sie denn nicht, was das wieder an CO² freisetzt?

Fragen sich Ihre Ökos von Titanic

 Hi, Ijoma Mangold!

»Die orange Pille – Warum Bitcoin weit mehr als nur ein neues Geld ist« heißt Ihr neues Buch, und da fragen wir uns schon, was geschehen muss, damit einer, neben Alt-Right-Speak (»orange pill«) und der Reklame für Kryptowährung, wirre Werbeslogans wie diesen mit seinem Gesicht unter die Leute bringt: »Das größte Gerechtigkeitsversprechen seit Karl Marx«. Sicher, wer jahrelang berufsbedingt lesen muss, was die zeitgenössische Literatur so bereithält, der kann da nicht ganz unbeschadet rauskommen.

Dann aber lasen wir, was die Verlagswerbung über Sie zu berichten weiß: »Er war Literaturchef von Die Zeit, heute schreibt er für sie als kulturpolitischer Korrespondent. In der Zurückgezogenheit des Lockdowns tauchte er in das Bitcoin-Universum ein. Seither sieht er unsere Welt anders«. Keine weiteren Fragen, Mangold, der Lockdown war für uns alle hart. Trotzdem: Im Zweifel einfach mal wieder an die frische Luft gehen. Sie haben nichts zu verlieren als Ihre Blockchain.

Viel Glück! Titanic

 Nichts leichter als das, Carsten Linnemann …

Sie sind stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU und arbeiten gerade an einem neuen Grundsatzprogramm. Dafür haben Sie große Pläne: »Eine kleine Vision habe ich: Man könnte jeden Bürger wecken um drei Uhr nachts, und er wüsste sofort, wofür die CDU steht: Erstens, zweitens, drittens …« Linnemann, wenn Sie jeden Bürger um drei Uhr nachts wecken und ihn fragen, wofür die CDU steht, wird man Ihnen antworten: Das ist die Partei, die die Bürger/innen nachts um drei weckt und alberne Sachen fragt.

Verrät Ihnen visionär: Titanic

 Stillgestanden, »Radio Bielefeld«!

Was wird im Lokalradio nicht alles getestet: Vom Eierkocher bis zum Waffeleisen ist vieles dabei. Du, liebes Radio Bielefeld, hast Dich jetzt aber auf etwas größere Dimensionen verlegt und schicktest kurzerhand Deine Außenreporterin auf einen nahegelegenen Truppenübungsplatz, um mal eben den Leopard 2 zu testen. Die Reporterin wäre vor lauter Begeisterung am liebsten gleich bis zur Ostfront durchgefahren, begnügte sich bis auf Weiteres aber damit, uns sehr detailliert von dem Innenleben des Panzers (»Puh, ist das eng!«) sowie von der Wahnsinnspower (»Sage und schreibe 1000 PS!«) zu berichten.

Trotz dieser Abwechslung in Deinem sonst nur aus Werbung und Ed Sheeran bestehenden Programm müssen wir sagen, dass wir enttäuscht sind: Da testest Du schon einen Panzer und lässt einfach die wichtigsten Fragen aus: Wie viele Leute kann man gleichzeitig wegballern? Was passiert, wenn man die geilen 1000 PS mit Vollgas in ein Mehrfamilienhaus krachen lässt? Und wann dürfen deutsche Soldat/innen endlich wieder mitschießen?

Befiehlt Dir, Meldung zu machen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Eiscreme im Kopf

Als ich das Fontanella-Eiscafé betreten wollte, musste ich mit Bedauern feststellen, dass es geschlossen war. Der Eingang war bereits komplett zugewachsen. Ein kurzer Blick ins Internet bestätigte meinen Verdacht: Die Eisdiele feierte gerade erst ihren zweiten Geburtstag.

Laura Brinkmann

 Unsolved Mysteries

Und dann war da noch der seltsame Fall des eineiigen Zwillingspärchens, das am selben Tag verschieden ist.

Daniel Sibbe

 Werbung

Mezcal – da ist der Wurm drin!

Elias Hauck

 Wechselgeld mit Musik

Einen kleinen Moment halte ich erschrocken inne, als ich den Bus betrete: Auf dem Fahrersitz lümmelt eine reichlich verwahrloste Gestalt, ihr ähnlich zerrupfter Spießgeselle lehnt am Armaturenbrett. Sie haben es sich gemütlich gemacht und snacken genüsslich eine rohe, in Scheiben geschnittene Zwiebel – aus der Schale, in die der Kassenautomat üblicherweise die Wechselgeldmünzen ausgibt. Nun bin ich durchaus auf der Höhe der Zeit und könnte die Fahrt auch per App bezahlen, aber jetzt will ich es wissen und händige dem Fahrer einen 10-Euro-Schein aus (»Zweimal Kurzstrecke bitte«). Bereitwillig fischt dieser die restlichen Zwiebelringe mit einer eleganten Handbewegung aus der Vertiefung, 5 Euro und 60 Cent landen in der Zwiebelsaftpfütze. Er sieht mich so freundlich an, dass ich die Münzen tatsächlich entnehme und in meiner Geldbörse verstaue. Es bleiben zwei Fragen: Wie entfernt man Zwiebelgeruch zuverlässig aus Leder, und wäre es in Zeiten explodierender Lebensmittelpreise vielleicht schlauer gewesen, statt des Münzgeldes die Zwiebeln mit nach Hause zu nehmen?

Martina Werner

 Misslungener Gesprächseinstieg

Kenne ich Sie nicht von einer Todesanzeige?

Günter Flott

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 24.02.:

    Die Deutsche Welle über das Krieg-Spezial im aktuellen Heft und andere themenverwandte Titel (Artikel in russisch, aut. Übersetzung).

  • 10.02.:

    Spiegel berichtet: "EU-Untersuchung Russland soll Fake-'Titanic'-Titelseiten verbreitet haben"

  • 10.01.: "Der Teufel vom Dachboden" – Eine persönliche Pardon-Geschichte in der Jungen Welt von Christian Y. Schmidt.
  • 13.12.:

    Anlässlich des 85. Geburtstages Robert Gernhardts erinnert Christian Y. Schmidt in der Jungen Welt an den Satiriker und Vermieter.

  • 26.10.:

    Chefredakteurin Julia Mateus spricht über ihren neuen Posten im Deutschlandfunk, definiert für die Berliner-Zeitung ein letztes Mal den Satirebegriff und gibt Auskunft über ihre Ziele bei WDR5 (Audio). 

Sonneborn/Gsella/Schmitt:  "Titanic BoyGroup Greatest Hits"
20 Jahre Krawall für Deutschland
Sie bringen zusammen gut 150 Jahre auf die Waage und seit zwanzig Jahren die Bühnen der Republik zum Beben: Thomas Gsella, Oliver Maria Schmitt und Martin Sonneborn sind die TITANIC BoyGroup. In diesem Jubiläumswälzer können Sie die Höhepunkte aus dem Schaffen der umtriebigen Ex-Chefredakteure noch einmal nachlesen. Die schonungslosesten Aktionsberichte, die mitgeschnittensten Terrortelefonate, die nachdenklichsten Gedichte und die intimsten Einblicke in den SMS-Speicher der drei Satire-Zombies – das und mehr auf 333 Seiten (z.T. in Großschrift)!Wenzel Storch: "Die Filme" (gebundene Ausgabe)
Renommierte Filmkritiker beschreiben ihn als "Terry Gilliam auf Speed", als "Buñuel ohne Stützräder": Der Extremfilmer Wenzel Storch macht extrem irre Streifen mit extrem kleinen Budget, die er in extrem kurzer Zeit abdreht – sein letzter Film wurde in nur zwölf Jahren sendefähig. Storchs abendfüllende Blockbuster "Der Glanz dieser Tage", "Sommer der Liebe" und "Die Reise ins Glück" können beim unvorbereiteten Publikum Persönlichkeitstörungen, Kopfschmerz und spontane Erleuchtung hervorrufen. In diesem liebevoll gestalteten Prachtband wird das cineastische Gesamtwerk von "Deutschlands bestem Regisseur" (TITANIC) in unzähligen Interviews, Fotos und Textschnipseln aufbereitet.
Zweijahres-Abo: 117,80 EUR
Titanic unterwegs
01.04.2023 Kleinmachnow, Neue Kammerspiele Max Goldt
02.04.2023 Fürstenfeldbruck, Kunsthaus Greser und Lenz
06.04.2023 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Gerhard Haderer
11.04.2023 Frankfurt am Main, Club Voltaire TITANIC-Auferstehung