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Please crap where you eat! Das neue Sanifair 2.0

Der Toilettenbetreiber Sanifair erhöht ab Mitte November die Nutzungsgebühr für seine 400 Sanitäranlagen an deutschen Autobahnen. Die erwirtschafteten Gewinne will der Marktführer in hochwertige Ausstattung investieren und Reisenden schon bald ein modernes und ästhetisch ansprechendes Toilettenerlebnis bieten. TITANIC hat nachgehört und weiß, worauf genau Sie sich beim Rechtsranfahren freuen können.  

Innen- und Außenwirkung
Der erste Eindruck ist bekanntlich immer der wichtigste. Die Zeiten, in denen Besucher beim Betreten des Herrenbereichs von unansehnlich überklebten Pissoirs begrüßt wurden, gehören der Vergangenheit an. Statt hässliche blaue Müllbeutel zu benutzen, setzt man bei Sanifair nun auf trendige Goldfolie oder saisonal variierendes Geschenkpapier, um den Anblick von dauerhaft versifften Latrinen zu einem echten Eyecatcher zu machen. Wem die bislang recht eintönige 24/7-Toilettenmusik (deutschlandweit "Push it" von Salt-N-Pepa) wenig zusagte, wird gefallen, dass sich Sanifair nach einer mehrstündigen Verwaltungsratssitzung vor Ort die Gema-Gebühren für zwei weitere Klo-Hymnen gegönnt hat: Künftig werden auch die stimulierenden Vibrationen von U2 ("Stuck in a moment you can´t get out of") und Queen ("I want to break wind") alternierend für hohe Erfolgsquoten auf dem Donnerbalken sorgen.  

Gastronomie 
Auch beim bewährten "Heißgetränk-gegen-Bon"-Prinzip steht laut Sanifair-Firmenzentrale in Bonn Bahnbrechendes bevor. Das gustatorisch fragwürdige, kaffeeähnliche Tankstellengebräu soll mit einem Drittel lauwarmen Bohnenkaffee aufgewertet und unmittelbar vor der Ausgabe an den Kunden mittels eingetauchten Zeigefinger zuverlässig auf Salmonellenbefall geprüft werden. Wer zu später Stunde nicht mehr weiterfahren möchte, kann die ausziehbare Wickelkommode im Familienwaschraum übrigens als praktische und günstige Übernachtungsmöglichkeit (Michelin-Raststättenführer €€€) nutzen. Geheimtipp: Das morgendliche Frühstück mit Käsescheiben vom Laib, vorgeschälten Eiern und handgeformten Mohnsemmeln bereitet der Toilettenwart auf Nachfrage gerne knackfrisch vor den Augen seiner Kundschaft zu.    

Sauberkeit
Damit der Branchenriese in pandemischen Zeiten höchsten hygienischen Ansprüchen genügt, wurde die Frequenz der Alibi-Rundgänge von streng schauendem, aber meist untätig bleibendem Reinigungspersonal durch die Einstellung von Hilfskräften mit extragroßer Schrittlänge nahezu verdreifacht. Für Mysophobiker, die sich nach einem Blick auf die Putzliste an der Türinnenseite (letzter Eintrag vor 26 Tagen? WTF??) plötzlich nicht mehr so wohl fühlen, bietet Sanifair in seinen Dekontaminations-Duschkammern neben dem Who´s who der deutschen Haushaltsreiniger ebenfalls eine Vielzahl an Bürsten und Schwämmen in unterschiedlichen Härtegraden an.  

Verschwiegenheitsgrundsatz
Einsame Fahrzeughalter dürfte freuen, dass beim Pinkel-Primus Sanifair ab sofort auch das Thema Diskretion groß geschrieben wird. Die legendären "Erotik Gadgets" aus dem Automaten neben dem Herren-Waschbecken kann man sich nach dem Anstehen an der Tankstellenkasse neuerdings kostenlos in einen neutralen Karton verpacken lassen. Auf die bisher beim Kauf einer "Travel-Pussy" aufjaulende Sirene mit integrierter Konfettidusche, die Alleinreisende beim Ziehen der Schublade häufig zum Gespött der anderen WC-Gäste machte, wurde nach einer Verleumdungs-Sammelklage von LKW-Fahrern bewusst verzichtet.  

Kostenpflichtige Zusatzleistungen
Nachdem der umhängbare Fast-Track-Ausweis (200€/Monat) für schnellen Einlass ohne lästiges Anstehen unter Menschen mit Blasenschwäche schon reißenden Absatz gefunden hat, wird es in Kürze auch eine Sanifair-Goldcard (200€/Woche) geben, die Premium-Kunden zur Nutzung des luxuriösen Fünf-Sterne-Kabuffs in Fensternähe berechtigt. Vierlagiges, vorgefaltetes Toilettenpapier mit Sanifair-Wasserzeichen, ein drehbarer Zeitschriftenständer, beheizbare Massage-Sitzbrille und eine Freisprecheinrichtung für Live-Telefonate garantieren tiefe Entspannung und maximalen Komfort. Einziger Nachteil: Man hat nur exakt 90 Sekunden, um die vielen Annehmlichkeiten zu genießen, bevor ein Minisprengsatz die Klotür in den Innenraum schleudert und den Gast vor anderen Toilettennutzern in hilfloser Lage exponiert.  

Neue Technik  
Alle Kabinen werden zeitnah mit White-Noise-Maschinen nachgerüstet, die in der Lage sind, unangenehme Schnauf- und Plumpsgeräusche aus den Nachbarhäuschen in frei wählbarer Lautstärke zu neutralisieren. Falls Weißes Rauschen im Einzelfall nicht ausreicht, sind alternativ auch dominantere Klangvariationen (z.B. Kreissäge, Jumbojet-Landung, Giorgia-Meloni-Rede oder Gebäudesprengung) verfügbar. Für Menschen, die kein Fahrzeug besitzen oder nicht mal einen Führerschein haben, hat sich Sanifair ein besonders attraktives Teilhabe-Angebot einfallen lassen. Im DIY-Home-Tarif können Kunden per Bluetooth-Verbindung mit dem Betätigen der heimischen Klospülung automatisch die Toiletten-Nutzungsgebühr von einem Euro überweisen. Die Verzehrbons und einen kultigen Sanifair-Pappbecher zum Selbstkostenpreis (25€+Versandgebühr) gibt es immer pünktlich zum Quartalsende per Post. Für je drei Coupons (bitte nach dem Einlösen zerreißen) darf man sich dann eine herrliche Tasse schwarzen Golds aus der eigenen Filterkaffeemaschine genehmigen.    

Der Fanshop
Souvenir gefällig? Für die vom runderneuerten Angebot elektrisierten Kunden liegen im Sanifair-Shop nicht ganz günstige, aber dafür minderwertig verarbeitete Fanartikel mit großer Gewinnmarge für den Abtritt-Anbieter bereit. T-Shirts mit frechen Mottosprüchen (z.B. "Tanken, Rasten, Kacken – auf zu Sanifair!"), das nach dem Zitrusreiniger frisch geputzter Flure duftende Eau de Toilette (!) "Sanifair No.5", Hustenbonbons im Klosteindesign sowie der "3-in-1" Universal-Testkasten, mit dem man nur wenige Tage später überprüfen kann, ob man sich auf dem verdreckten Lokus den Norovirus, eine Infektion mit Hepatitis C oder Chlamydien eingefangen hat, haben riesiges Potential, zu den Rennern der kommenden Saison zu werden.                  

Patric Hemgesberg  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt