Artikel
Halb Mensch, halb Pitch, halb Genie
Frank Thelen rahmt seinen nahenden 47. Geburtstag mit einer Medienoffensive. TITANIC durfte den New-Economy-Guru einen Tag auf der Überholspur der Datenautobahn begleiten.
06:00 Thelens smarte Bettdecke bricht unser produktives Gespräch über Flugtaxis ab und weckt den Hausherrn. Dieser schnellt nach oben, ext seine "Air up"-Flasche und schreit: "Rock 'n' Roll!" Seine Traumdeutungs-KI wird ihm später sagen, dass er seiner Mutter schnellstmöglich iOS 16 installieren soll.
06:05 Die smarte Kaffeemaschine erkennt, was er jetzt dringend braucht: Zuspruch. Während Frank Thelen schon auf dem Peloton-Bike sitzt, ruft sie ihm "Du wirst das nächste Apple, Google, Facebook bald finden!" hinterher.
07:10 Thelen erklärt seine Morning Routine: Bei einer Schüssel Overnight Oats betreibe er Streetcredibility Conserving (Onlineshopping bei "Titus"), schreibe Mails an RTL2 (fordere darin ein Reboot von "Deutschlands beste Partien" mit ihm als Kandidat) und lese hernach die digitale BILD (allerdings nur den "Tech-Freak").
08:00 Gastgeber Thelen bereitet sich mit der N26-Kreditkarte eine Line "Ankerkraut" vor. Danach müsse er immer groß. Leider lässt er dabei die Badtür auf und philosophiert lauthals über Bitcoin, disruptive Technologien und NFTs. Seinen Kot bezeichnet er als "gelungene Inhouse Production". Den Monolog beendet er nachdenklich mit "Im Metaverse wird man sich aller Voraussicht nach nicht einscheißen können." Es ist zu hören, wie seine smarte Toilette ihm eine Analspülung anbietet. Er bejaht höflich und ruft während des Vorgangs mehrmals "Web 3.0!"
09:15 Frank Thelen flüstert "Newsdesk jetzt." Sofort eilt sein Hausdiener Manfred, den er als "sympathischen Median-Verdiener" präsentiert, herbei. Der befristet Beschäftigte hält dem Entrepreneur ein iPad vors Gesicht. Thelen liest laut vor: "Taz-Journalistin Ulrike Herrmann blamiert sich bei Lanz – Frank Thelen brilliert erneut." (Anm. d. Red.: Dies entspricht nicht der tatsächlichen Headline.)
10:33 Der Starinvestor erzählt bei einem Glas Kombucha, dass er die Tastenkombination Strg-F ("String-Eff") seit einer missliebigen Doku des gleichnamigen Funk-Formats nicht mehr nutze. Gott sei Dank habe das ARD-Magazin "Monitor" noch nicht unfair über ihn berichtet, scherzt er selig.
11:00 In einem Zoomcall sinniert er mit Elon Musk darüber, ob die Übertragung der chinesischen Ein-Kind-Politik "auf das Land Afrika" genau die Extrameile sei, die die Shareholder jetzt bräuchten. Sie vereinbaren ein Kick-off-Meeting in einer Grünheider Rooftop-Bar, um Brandfit, Workaround und Cashflow der Idee zu skalieren. Dann stellt sich heraus, dass es sich um einen Deep Fake (zu tief angeklebter, falscher Schnurrbart) handelt und Carsten Maschmeyer ihm einen Streich spielt. Als der Call beendet ist, nennt er Maschmeyer einen "No-brainer", reibt an seinem Chakren-Kristall und hält sich schluchzend den Kimono vors Gesicht.
11:37 Er ruft im Büro an und meldet sich mit den Worten "Innovation is the core of my DNA" krank. Über seine Firma "Freigeist Capital GmbH" sagt er: "Meine Angestellten sind undankbar." Deshalb habe er das für seinen "Ehrentag" geplante Team Offsite im "Bonnicon Valley" abgesagt und besuche stattdessen die "Naked-Tea-Party Bonn-Venusberg".
12:30 Mittagspause. Thelen ernährt sich tagsüber ausschließlich von Fleischfondreduktionen. Das Soßenfond-Start-up "FondHero" sei "fondamentaler" Teil seines Fonds.
13:31 Frank Thelen befriedigt sich vorm Spiegel selbst, weil ihn jemand (ein Spiegel-Reporter) "deutscher Musk" genannt hat. Dann schlägt er das Magazin zu und legt die fermentierte Butter zurück in den Kühlschrank.
13:56 Thelen beruft ein All-Hands-on-Deck-Meeting mit sich selbst ein. "Das bedeutet: Alle Hände bleiben über der Decke." Er masturbiere bewusst nicht noch mal. Einziger TOP: Christian Lindner an die noch ausstehende Spendenquittung erinnern (Frank Thelen spendierte ihm den Brazilian Butt Lift, einen exklusiven Dachgeschoss-Aufzug brasilianischer Fertigung).
14:12 Der Doro-Bär-Intimus verspricht seinem Gärtner Egon, dass sich die Grünanlagen künftig mindestens verdreifachen würden. Als Egon ihn siezt, rastet Thelen aus und brüllt: "Ich kann Dir auch einen Pimmel ins Feld sprengen!"
15:23 Auf die Insolvenz des von ihm geförderten Start-ups "Meine Spielzeugkiste" angesprochen, führt Frank Thelen uns ins Schlafzimmer und zeigt seine "Spielzeugkiste". Diese sei noch liquide, "wegen der ganzen Gels und Liquids."
16:00 Auf der E-Skateboard-Fahrt zur Aufzeichnung von "Die Höhle der Löwen" übt er, reich zu gucken und sagt immer wieder "Imagine: Ein Hackathon zu Open-Source-Toolchains auf dem Mars."
16:37 Er stellt am Studioeingang fest, dass er seit 2020 kein Juror mehr ist. Thelen versucht, dennoch ins Studio zu kommen. Ein Wachmann weist ihn mit den Worten "Verpiss dich, Punk!" brüsk ab.
17:00 – 22:00 Ohne uns eines Blickes zu würdigen, schaut er eine Folge "Shark Tank" nach der anderen. Seine Hände sind dabei unter der Tagesdecke, auf die "Business Angel" gestickt ist.
22:05 Thelen möchte Meinungen zu einem selbstgestalteten Wandtattoo-Entwurf hören, welcher aus den Worten "Investition", "Feedback" und "Cappuccino" in drei verschiedenen Schriftarten besteht. Wir empfehlen eine Font-Vereinheitlichung zu Comic Sans (Kultfaktor).
23:01 Frank Thelen steht auf seiner Dachterrasse und blickt auf "den langen Anlagehorizont des Decentralized-Finance-Bereichs". Er befiehlt Alexa (so nennt er seine Frau), für morgen ein Meeting mit Fynn Kliemann anzusetzen, um diesem ein paar Fintech-Investments vorzuschlagen. Er grient: "Aber mit Y und Doppel-N, also Fynntech."
23:22 Thelen schläft ein, nachdem sich sein Müdigkeitswert verfünffacht hatte.
24:00 Gabor, der sich als "Nacht-Mundschenk" vorstellt, geleitet uns freundlich aus dem Penthouse.
Martin Weidauer