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Wer kann Partykönig?

Rolf Eden, der vermutlich erste und vorerst letzte deutsche Playboy, ist im August gestorben. Während die Berliner Stilikone womöglich gerade im familieneigenen Paradiesgarten weiterfeiert, stellt sich ganz Deutschland die bange Frage: Wer kann in die irdischen Fußstapfen des Nachtclubbesitzers, Discokönigs, Lebemanns und Gelegenheitsschauspielers treten? TITANIC hat potenzielle Nachfolger gecastet und stellt Ihnen die Kandidaten vor.

Friedrich Merz

Seine erst kürzlich beim unsachgemäßen Tanzen erlittene Schulterverletzung zeugt von maximaler Einsatzbereitschaft trotz teils erheblich eingeschränkter Motorik – und das ist genau der Spirit, den ein zukünftiger Partykönig braucht. Tatsächlich bietet sein ruckeliger Bewegungsstil sogar ausreichend Potenzial für einen neuen, roboterhaften Kulttanz, der sich, ausgehend von Clubs, in denen z.B. gerne "Kraftwerk" gespielt wird, in Windeseile über ganz Berlin ausbreiten könnte. Merz gehört dem oberen Party-Mittelstand an, besitzt selbst etliche hippe Event-Locations in ganz Deutschland (darunter ein "Liebesnest" am Tegernsee) und ist als CDU-Chef befugt, mit seiner Rotte im Konrad-Adenauer-Haus jederzeit die Hütte zum Glühen zu bringen. Wenn es darum geht, Samstagnacht im Berliner Berghain eine One-Man-Show abzuziehen, lässt der Schlacks aus Brilon sich ebenfalls nicht zweimal bitten. Die spontanen "Alle-mal-hergucken-ich-bin-Pilot"-Darbietungen mit Ledermütze und Bomberjacke zu "Flieger, grüß mir die Sonne" sind mittlerweile legendär und werden immer dann angefragt, wenn Türsteher Sven Marquardt und das Barpersonal endlich Feierabend machen wollen. Merz hat wenige Schwächen, die dafür aber umso heftiger ausfallen: Davon abgesehen, dass der Sauerländer dazu neigt, in der Interaktion mit Kellnerinnen häufiger mal ein "Schätzchen" ans Satzende zu hängen, birgt die Angewohnheit, tätowierte Trunkenbolde mit geringschätzendem Gesichtsausdruck minutenlang anzustarren, für ihn ein hohes Risiko, regelmäßig ernsthaft vermöbelt zu werden.

Kardinal Woelki

Als ehemaliger Erzbischof von Berlin dürfte Woelki in der dortigen Fetisch-Szene noch bestens vernetzt sein. Während seine Karriere in der katholischen Kirche nach dem Missbrauchsskandal von Köln in eine Sackgasse geraten zu sein scheint, hat der 67jährige in der ruchlosen Hauptstadt noch alle Chancen, zum unfehlbaren Partypapst aufzusteigen. Die Vorzüge, mit einem "Mann Gottes" auf einschlägigen Amüsiermeilen unterwegs zu sein, liegen bei näherer Betrachtung auf der Hand: Nach Drogenexzessen, Orgien, Fressgelagen und ähnlich sündhaften Betriebsunfällen während eines Vollrauschs kann Woelki am Morgen danach sowohl die Beichte abnehmen als auch Absolution erteilen. Zudem rockt der Rheinländer in seiner scharlachroten Soutane mit Brustkreuz und kultigem Birett jedes Mal den Laden, wenn auf Ü40-Parties Madonnas "Like a prayer" oder "Sinner" von Judas Priest gespielt werden. Weil er Gerüchten zufolge in der Lage ist, Wasser in Wein zu verwandeln, Alkoholvergiftungen durch Handauflegen zu heilen und 24/7 Zugriff auf prallgefüllte Klingelbeutel im Berliner Erzbistum hat, könnte er in relativ kurzer Zeit eine zwölfköpfige Schar plus X an feierwütigen Party-Jüngern um sich scharen. Dass für ihn als himmlischer Playboy wegen zölibatärer Beschränkungen offiziell schon nach der "ersten Base" Schluss ist, werden ihm seine "Wingmen" so lange verzeihen, wie sie selbst auf ihre Kosten kommen. Weiteres Pro: In Darkrooms findet sich Woelki aufgrund der vielen dunklen Flecken in seiner Bio mittlerweile spielend zurecht!

Philipp Amthor

Um den konservativen Hoffnungsträger scheint es in letzter Zeit still geworden zu sein. Liegt es daran, dass er in diesem Herbst in Anbetracht seines bubihaften Aussehens unfassbare 30 Jahre alt wird? Oder hat er mittlerweile ein solches Vermögen mit Nebentätigkeiten (Werbegesicht für Kinderschokolade) und Aktiengeschäften (Lego, Hasbro, Mattel) gescheffelt, dass er sein schickes Bundestags-Direktmandat lieber von einem nerdigen Double absitzen lässt? Geschenkt. Würde Amthor zum Partykönig aufsteigen, hätte er, gemessen an Rolf Eden, eine sagenhaft lange Regentschaft von 62 Jahren vor sich. Die, im Gegensatz zu seinen Konkurrenten, verhältnismäßig üppige Restlebenszeit ist aber leider auch schon das einzige Plus, das "Amthi Dumpty" bei seiner Bewerbung in die Waagschale werfen kann, denn die Liste der Defizite ist lang: Zunächst einmal kommen sein verstörendes Dauergrinsen und die ständige Besserwisserei bei Frauen nicht gut an. Außerdem läuft Amthor Gefahr, auf dem Weg zu einer schillernden Tanz- und Partynacht bereits an der Einlass-Hürde zu scheitern: Laut Umfragen unter Berliner Top-Clubs hat der CDU-Jungspund ein Gesicht, das Türsteher schon nach einer tausendstel Sekunde zur Weißglut bringt. Und das, wohlgemerkt, lange bevor Amthor den ersten Ton in seiner nervigen Quak-Stimme von sich gegeben hat. Sollte "Flip" an einen stark kurzsichtigen (und am besten auch schwerhörigen) Sicherheitsmann geraten und es überraschend nach drinnen schaffen, führt ihn sein erster Weg häufig nicht auf die Tanzfläche, sondern zur Geschäftsführung, von der er aufgrund seiner "umsatzfördernden Prominenz" an den Erlösen des Abends beteiligt werden möchte. Fazit: In der Summe sind eine Reise in einem vakuumverschraubten Fass Richtung Elbe oder ein morgendliches Aufwachen im Müllcontainer wesentlich wahrscheinlicher als eine Wahl Amthors zum Techno-Monarchen. Kleiner Trost: Um eine Krone tragen zu dürfen, reicht in der Regel auch schon ein Kindergeburtstag bei MC Donald's.

Boris Johnson

Nachdem der zurückgetretene Premier im Vereinigten Königreich jüngst alle Brücken zu den spießbürgerlichen Normalos unter seinen Landsleuten abgefackelt hat, munkelt die britische Klatschpresse, dass er sich als King Boris I selbst an die Spitze einer Party-Monarchie setzen und in der deutschen Hauptstadt einen Neuanfang wagen will. Der exzentrische Brite kann sowohl ausdauernde Kritik als auch Unmengen von Bier vertragen und ist geradezu versessen darauf, seine kümmerlichen Reste von Anstand und Selbstbeherrschung in hochprozentigem "german schnaps" zu ersäufen. Gut möglich, dass dabei Persönlichkeitsanteile zum Vorschein kommen, die er als Regierungschef bis vor einigen Wochen mühsam unterdrücken musste. Ob er den "KitKatClub" betritt, indem er, wie "Eddie" aus der Rocky-Horror-Picture-Show einfach mit dem Motorrad durch die Wand fährt oder als "Frank N. Furter" der Neuzeit gleich ganz Berlin eine crazy Sex-Diktatur aufdrückt: Man darf gespannt sein, wozu der von der Kette gelassene Zausel in der Lage ist, sollte er seine Party-Zelte demnächst in Deutschland aufschlagen. Was auch immer passieren wird: Mit seinem Feiermotto "It´s better to burn out than to fade away" bietet er schon jetzt einen klasse Gegenentwurf zum Lebensmodell der Queen!

Patric Hemgesberg

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick