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Lehrmeister George W. Bush – Lernen von den Besten

Nach vier Jahren Donald Trump wirkt selbst George W. Bush irgendwie staatsmännisch. Nun bietet der Ex-US-Präsident, den viele lange bloß für eine launige Erfindung von Michael Moore hielten, auf der Lernplattform Masterclass den Kurs "Authentic Leadership" an. TITANIC präsentiert ein authentisches Protokoll der ersten Folge.  

Die lizenzfreie Gratis-Hintergrundmusik "24 Hours of Uplifting Inspiring Business Ambience" erklingt. George W. Bush betritt schnellen Schrittes die für den Dreh gemietete Präsidentensuite des Motels "Texas Roadside Cottage". Er setzt sich an einen präsidial dekorierten Schreibtisch gefertigt aus schwerem Plastik. Hinter Bush befindet sich ein von ihm geschaffenes, riesiges Ölgemälde seines Lieblings-Chihuahuas. Close-up auf den ehemaligen US-Präsidenten.

Hallo! Herzlich willkommen zu meiner Masterclass Authentic Leadership. In diesem Onlinekurs möchte ich Ihnen alles beibringen, was ich weiß – in drei Videoeinheiten á 12 Sekunden.  
Tja. Okay. Gut. Können wir hier einen Schnitt machen? Ich weiß nicht mehr, was ich sagen wollte.  

Schnitt  

George W. Bush sitzt in einem braunen Kunstledersessel vor einem Ikea-Bücherregal voller schwedischer Krimis, deren Seiten aus Sicherheitsgründen zusammengeleimt wurden und trinkt eine warme Tasse Whisky. Dabei blättert er in einem Kinderbuch, das er verkehrt herum hält. Close-up auf den ehemaligen US-Präsidenten.  

Hallo! Herzlich willkommen zu meiner Masterclass Authentic Leadership. Aber das habe ich ja vorhin schon gesagt. Sie wissen ja: Bevor dieser Schnitt kam. Hm … Irgendwie blöd, wenn ich das doppelt sage. Könnten wir da vielleicht gleich noch mal so einen ...   

Schnitt  

George W. Bush sitzt in einem braunen Kunstledersessel vor einem Ikea-Bücherregal voller schwedischer Krimis, deren Seiten aus Sicherheitsgründen zusammengetackert wurden und trinkt eine warme Tasse Whisky. Dabei blättert er in einem Kinderbuch, das er verkehrt herum hält. Close-up auf den ehemaligen US-Präsidenten.  

Ihnen ist, lieber Masterklässler, hoffentlich bewusst, dass das berühmte Foto von mir, auf dem ich vor einer Schulklasse ein Kinderbuch upside-down halte, ein Fake ist. Leider muss ich gleichzeitig gestehen, dass ich sehr ungern, ja praktisch nie lese. Dementsprechend viel musste mein Vater – selbst ein Präsident – für meinen Master of Business Administration an der Harvard Business School zahlen. Sie haben mit der Spende seinerzeit auf dem Campus das George-Bush-Astrologie-Center errichtet und einen sehr teuren Hut gekauft. Und jetzt folgt meine erste Lektion: Vergesst nie, woher Ihr kommt! Sehr wichtig, wenn Sie sich zum Beispiel mal verlaufen und jemanden darum bitten müssen, Sie nach Hause zu bringen. Das passiert öfter als man denkt! Wo war ich... ach ja!
Ich habe den "Familienbetrieb USA" einst quasi von meinem Vater übernommen. Dabei war George – der Typ hieß nämlich gleich wie ich – von mir gar nicht so überzeugt. Er hatte gedacht, mein Bruder Jeb werde in seine Fußstapfen treten. Ha! Jeb der Depp, wie ich gerne sage.  
Sie fragen sich nun womöglich, ob dieses väterliche Misstrauen einen Minderwertigkeitskomplex auslöste, der mich den Dritten Golfkrieg nur führen ließ, um den Zweiten Golfkrieg meines Vaters zu übertreffen.
Wer sich für solchen Psycho-Bullshit interessiert, soll eine Masterclass bei Freud buchen, falls es der überhaupt in ein derart gefragtes Format geschafft hat. Doch in diesem Kurs geht es um etwas anderes, nämlich um Leaderdings … Ähm … Dingsship meinte ich!  

Schnitt  

Das Maleratelier des 43. Präsident der Vereinigten Staaten. Ein Bichon Frisé steht Modell. Bush spricht, während er porträtiert. Close-up auf den Bichon Frisé, dann auf den ehemaligen US-Präsidenten.  

Was meine ich, beziehungsweise die PR-Typen von Masterclass, die mir die ganze Sache hier in den Mund legen, eigentlich mit Authentic Leadership? Man kann mir viel vorwerfen: Inkompetenz, christlichen Fundamentalismus, neoliberale Deregulierungsmaßnahmen, völkerrechtlich umstrittene Kriege, die Beschneidung von Bürgerrechten, das Ignorieren der Klimakrise, irgendwie ein bisschen zu eng zusammenliegende Augen und vieles andere mehr. Doch bei all dem war ich unaufhörlich eines: authentisch. Ich dachte einfach wenig nach – und das völlig authentisch. Wie sagte ich damals immer: Man muss das Oval Office auch mal grade sein lassen!

Doch wie wird man ein dermaßen authentischer Esel? Das werde ich Ihnen in diesem Kurs erklären. Ich – beziehungsweise eben die PR-Typen von Masterclass, die mir die ganze Sache hier in den Mund legen werden.  

Ich freue mich jedenfalls auf diese Lehrstunden mit Ihnen, denn sie wurden mir lächerlich gut bezahlt.
Gott schütze mich und wenn es unbedingt sein muss, auch Sie.  

Ihr George Y. Bush  

W. meinte ich!   

Jürgen Miedl

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mmmh, Futterparadies Frankfurt a. M.!

Du spielst in einem Feinschmecker-Ranking, das die Dichte der Michelin-Sterne-Restaurants großer Städte verglichen hat, international ganz oben mit: »Laut einer Studie des renommierten Gourmet-Magazins Chef’s Pencil teilen sich in der hessischen Metropole 77 307 Einwohner ein Sterne-Restaurant.«

Aber, mal ehrlich, Frankfurt: Sind das dann überhaupt noch echte Gourmet-Tempel für uns anspruchsvolle Genießer/innen? Wird dort wirklich noch köstlichste Haute Cuisine der allerersten Kajüte serviert?

Uns klingt das nämlich viel eher nach monströsen Werkskantinen mit übelster Massenabfertigung!

Rümpft blasiert die Nase: die Kombüsenbesatzung der Titanic

 Augen auf, »dpa«!

»Mehrere der Hausangestellten konnten weder Lesen noch Schreiben« – jaja, mag schon sein. Aber wenn’s die Nachrichtenagenturen auch nicht können?

Kann beides: Titanic

 Nachdem wir, »Spiegel«,

Deine Überschrift »Mann steckt sich bei Milchkühen mit Vogelgrippe an« gelesen hatten, müssen wir selbst kurz in ein Fieberdelirium verfallen sein. Auf einmal waberte da Schlagzeile nach Schlagzeile vor unseren Augen vorbei: »Affe steckt sich bei Vögeln mit Rinderwahnsinn an«, »Vogel steckt sich bei Mann mit Affenpocken an«, »Rind steckt sich bei Hund mit Katzenschnupfen an«, »Katze steckt sich bei Krebs mit Schweinepest an« und »Wasser steckt sich bei Feuer mit Windpocken an«.

Stecken sich auf den Schreck erst mal eine an:

Deine Tierfreund/innen von Titanic

 Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Du warst der jüngste TITANIC-Chefredakteur aller Zeiten. Du warst der Einzige, der jemals eine klare Vorstellung davon hatte, wie das ideale Heft aussehen musste, und hast immer sehr darunter gelitten, dass sich Deine Utopie nur unzureichend umsetzen ließ. Aus Mangel an Zeit und an Mitarbeiter/innen, die bereit waren, sich Nächte um die Ohren zu schlagen, nur um die perfekte Titelunterzeile oder das richtige Satzzeichen am Ende des Beitrags auf Seite 34 zu finden.

Legendär der Beginn Deiner satirischen Tätigkeit, als Du Dich keineswegs über einen Abdruck Deiner Einsendung freutest, sondern Robert Gernhardt und Bernd Eilert dafür beschimpftest, dass sie minimale Änderungen an Deinem Text vorgenommen hatten. Das wurde als Bewerbungsschreiben zur Kenntnis genommen, und Du warst eingestellt. Unter Deiner Regentschaft begann die Blütezeit des Fotoromans, Manfred Deix, Walter Moers und Michael Sowa wurden ins Blatt gehievt, und manch einer erinnert sich noch mit Tränen in den Augen daran, wie er mal mit Dir eine Rudi-Carrell-Puppe vor dem iranischen Konsulat verbrannt hat.

Nach TITANIC hast Du viele, die ihr Glück weder fassen konnten noch verdient hatten, mit Spitzenwitzen versorgt und dem ersten deutschen Late-Night-Gastgeber Thomas Gottschalk humortechnisch auf die Sprünge geholfen. Und dass River Café, eine deutsche Talkshow, die live aus New York kam, nur drei Folgen erlebte, lag bestimmt nicht an Deinen Texten. Auf Spiegel online hieltest Du als ratloser Auslandskorrespondent E. Bewarzer Dein Kinn in die Kamera, und gemeinsam mit Tex Rubinowitz hast Du das Genre des Listenbuches vielleicht sogar erfunden, auf jeden Fall aber end- und mustergültig definiert, und zwar unter dem Titel: »Die sexuellen Phantasien der Kohlmeisen«. Und diese eine Geschichte, wo ein Psychiater in ein Möbelhaus geht, um eine neue Couch zu kaufen, und der Verkäufer probeliegen muss, wo stand die noch mal? Ach, in der TITANIC? Sollte eigentlich in jedem Lesebuch zu finden sein!

Uns ist natürlich bewusst, dass Du auch diesen Brief, wie so viele andere, lieber selber geschrieben und redigiert hättest – aber umständehalber mussten wir das diesmal leider selbst übernehmen.

In Liebe, Deine Titanic

 Lieber Fritz Merz,

im Podcast »Hotel Matze« sagst Du, dass Du in Deutschland große Chancen bekommen hättest und etwas zurückgeben wolltest. Jawollo! Wir haben da direkt mal ein bisschen für Dich gebrainstormt: Wie wär’s mit Deinem Privatjet, dem ausgeliehenen vierten Star-Wars-Film oder dem Parteivorsitz? Das wäre doch ein guter Anfang!

Wartet schon ganz ungeduldig: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Krasse Segregation

Wer bestimmten Gruppen zugehört, wird auf dem Wohnungsmarkt strukturell diskriminiert. Viele Alleinstehende suchen händeringend nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, müssen aber feststellen: Für sie ist dieses Land ein gnadenloser Apartmentstaat, vor allem in den Großstädten!

Mark-Stefan Tietze

 Beim Aufräumen in der Küche

Zu mir selbst: Nicht nur Roger Willemsen fehlt. Auch der Korkenzieher.

Uwe Becker

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Claims texten, die im Kopf bleiben

Ist »Preissturz bei Treppenliften« wirklich eine gute Catchphrase?

Miriam Wurster

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster