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Weil ARTE einen, wegen seiner gewaltverherrlichenden Darstellungen indizierten und bundesweit beschlagnahmten, Zombieschocker ausgestrahlt hat, ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft Baden-Baden gegen den deutsch-französischen Fernsehsender. Aber damit nicht genug. Nach einer TITANIC-Recherche ist die Mediathek des Kulturkanals regelrecht verseucht mit Titeln, hinter deren anspruchsvoller Fassade sich womöglich barbarische Gemetzel von verbotswürdigen Auswüchsen verbergen. Als Service haben vom alltäglichen Horror abgestumpfte TITANIC-Redakteure den kompletten ARTE-Inhalt auf unverhältnismäßige Brutalität geprüft und die schönsten Produktionen für Sie zusammengefasst. Suchen Sie sich was aus!  

 

Die Paten von St. Pauli - eine Welle der Gewalt  
Doku-Klassiker aus Hamburgs Unterwelt    

FOLGE 1
Hamburg in den 80er Jahren. Die Ludenkartelle "GMBH" und "Nutella-Bande" herrschen zu gleichen Teilen über die Stadt, da erscheint plötzlich eine neue Gang auf der Bildfläche. Im gnadenlosen Kampf um die Macht in der Hansestadt erschüttern fortan Drogengeschäfte und kaltblütige Morde das Viertel und lassen den Kiez in einer nie dagewesenen Orgie aus Tod und Gewalt versumpfen. Begleitet von einem Kamerateam brechen der langhaarige Auftragsmörder Werner "Mucki" Pinzner und sein Minipli tragender Kumpel Fiete (beide in kultigen schwarzen Anzügen mit Hemd und Krawatte), zu einem Vergeltungsfeldzug ins Rotlichtmilieu auf, um sich an ehemaligen Geschäftspartnern ihres Bosses "Gräten-Ole" zu rächen, einen geheimnisvollen Seesack in ihren Besitz zu bringen und Oles Frau Heidi (in die Mucki sich Hals über Kopf verliebt) vor dem Zugriff der Luden zu schützen.  

FOLGE 2 
Bereits nach einem halben Tag haben Mucki und Fiete in Hotelzimmern mit frisch gestrichenen Wänden und saugstarken Langhaarteppichen so viele Gangster mit geschützartigen Monsterwummen abserviert, dass der Zuschauer sich fragt, ob Bjarne Mädel als Tatortreiniger nicht 40 Jahre früher ins Rampenlicht hätte treten müssen (dass er damals erst zwölf war und zur Tatzeit eine Mathe-Doppelstunde hatte, könnte man als Entschuldigung gelten lassen, Anm. der Red.).  

FOLGE 3 
In der letzten Episode der Trilogie wachen, die von den Luden im Cliffhanger der zweiten Folge mit einem Hafenpoller narkotisierten Profikiller, gefesselt und geknebelt als potenzielle Lustsklaven im Folterkeller eines psychopatischen Fischbrötchenbuden-Moguls in Finkenwerder auf, können sich aber unter Zuhilfenahme eines Hammers, einer Motorsäge und einer Walfänger-Harpune nach einem zünftigen Blutbad aus der Knute des Irren befreien und die Kiezstraßen endlich wieder selbst mit den Leichen schwerer Jungs pflastern.  

Fazit: Auch, wenn der Plot einem irgendwie bekannt vorkommt und die angeblich aus Zeiten des Kalten Krieges stammende Reality-Doku über weite Strecken unglaubwürdig wirkt (in Fietes Hose klingelt ein Handy, von Muckis Handgelenk baumelt eine Smartwatch und an einer Kreuzung huscht zwischen schrottreifen Opel Mantas kurz ein Tesla durchs Bild), lohnt sich die Produktion, gerade wegen Muckis und Heidis ikonisch performtem Twist im legendären Hans-Albers-Eck, am Ende aber doch noch.      

 

Die großen Sportduelle der Menschheit  

Wer hier heroische und ehrenvolle Begegnungen großer Sportler*innen auf Augenhöhe und im Zenit ihres Könnens erhofft, wird bitter enttäuscht sein, denn zum Glück setzt das effekthascherische Programm für den elitären Bildungsbürger in seiner Gier nach Rekordquoten lieber auf blutrünstige Schockbilder. Wer es z.B. wagt, aus den vier Sekunden, in denen Mike Tyson im legendären Boxkampf gegen Evander Holyfield letzteren um einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Ohrs brachte, eine sechsteilige Dokumentation mit 45 Sendeminuten pro Folge zu machen, von dem ist auch in Bezug auf zukünftige Projekte Großartiges zu erwarten. Aus mehreren Kamerawinkeln belegen bisher unveröffentlichte Aufnahmen in "ultra-slowmo" nicht nur das genussvolle Zuschnappen Tysons sowie das krokodilartige Hin- und Herreißen mit manisch entgleisten Gesichtszügen und blutverschmierten Zähnen – im Zuge einer Weltpremiere wird der begeisterte Zuschauer sogar zum ersten Mal Zeuge, wie "Iron-Mike" unmittelbar nach dem Abbeißen des Lappens auch noch lustvoll darauf herumkaut. Wem das noch nicht gereicht hat, dem sei die zweite Staffel der Doku-Reihe empfohlen, in der Bielefelds Linksaußen Ewald Lienen nach dem mutmaßlich "schlimmsten Foul der Bundesligageschichte" mit einer klaffenden, 20cm langen und handtiefen Oberschenkel-Fleischwunde wie ein wütender Derwisch gefühlte acht Episoden lang vor der Trainerbank der Bremer herumspringt.

Fazit: Wenn ordentlich zugelangt werden soll, führt am Sport kein Weg vorbei.    

 

Das Haus am Hang
Unheimliches Serien-Event aus Japan  

Ein hübsches Häuschen liegt auf einer Anhöhe inmitten einer von Mandelbäumen eingerahmten Landschaft. Sonnenstrahlen flirren fächerartig durch das zitternde Laub, ein plötzlicher Windstoß lässt rosa Blüten ins Bild rieseln und über der malerischen Szenerie wölbt sich fast schon naiv der azurblaue Frühlingshimmel. Harmonie und Geborgenheit? Am Arsch! Denn da ist ja noch das "Haus am Hang", der aber auch sowas von verflixt steil ist, dass jeder Versuch, das Kleinod auf konventionelle Weise zu erreichen, zwangsläufig zur Todesfalle werden muss. Fahrzeuge, die auf der Einfahrt parken wollen, stürzen, sobald sie anhalten - Handbremse hin oder her- sich rückwärts überschlagend in den Abgrund. Dem bewundernswert beharrlichen Postboten, der es nach zehnmaligem Abrutschen, mit gebrochenem Knöchel, von Schürfwunden übersäht und bis zur Austrocknung dehydriert endlich bis ans Haus geschafft hat, haut es beim qualvollen Sichaufrichten gen Briefschlitz die unvermittelt aufschwingende Stahltür (Hallo?? Hang!) erst an den Kopf und dann in die Tiefe, wo er nach einer halben Ewigkeit im freien Fall auf dem Waldboden aufschlägt und von einem hungrigen Wolfsrudel unter schrillen Schreien verköstelt wird. Wer es, entgegen aller Widrigkeiten, unversehrt ins "Haus am Hang" schafft (z.B. mittels "Jet-Pack", vertikalem Tunnel oder Sekundenkleber auf den Schuhsohlen), muss wegen umherrutschender Massivholzmöbel mit scharfen Kanten und geschossartig herauskatapultierter Besteckschubladen fest damit rechnen, nach einer Vielzahl an Quetschungen, Blutergüssen und ausgeschlagenen Zähnen durch das offene Fenster nach draußen befördert zu werden.

Fazit: Insgesamt ein schräges, aber durchaus unterhaltsames Serien-Erlebnis. Allerdings nicht uneingeschränkt. Dass man bis zum Schluss nicht erfährt, was zur Hölle mit dem beknackten Haus (muss man da hoch, um BAFÖG zu beantragen oder sowas??) eigentlich los ist, kann wohl Regisseur Yukihiro Morigakis Vorliebe für das Ungefähre geschuldet werden. Zuschauer, die beim deutschen Titelsong des Mystery-Knüllers auf Peter Fox tippen ("Das Haus am Hang"), dürften hierbei hingegen goldrichtig liegen.                          

Patric Hemgesberg    

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg