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Gute Reise? Gute Besserung!

Personalmangel und allerlei Überlastungen an den Flughäfen hängen wie ein Damoklesschwert über dem deutschen Kulturgut Billigflug. Und das, während die Schiene durchs 9-€-Ticket gepowert wird wie nie zuvor. Ist die Politik auf dem oberen Auge blind? Ich schaue einem gebeutelten Volk, welches in den Wirren der Geschichte schon zu oft benachteiligt wurde, aufs Maul. Jetzt reden die Menschen!

Gerade rechtzeitig mailt mir das TITANIC-Travel-Office meinen Schedule für die kommenden Tage: Ich werde die Destinationen Palma de Mallorca, Antalya, Sharm El Sheikh und Eslohe (Sauerland) anfliegen. Hierbei möchte ich mit deutschen Tourist:innen ins Gespräch kommen, O-Töne ungefiltert notieren und somit für die Öffentlichkeit verfügbar machen. Vielleicht geht diese Reportage dereinst als Startpunkt für eine Verkehrspolitik, welche wieder Werte wie Mäßigung, Ausgleich und Weitblick in den Mittelpunkt stellt, in die Geschichte ein.  

Frankfurt am Main (FRA) – Palma de Mallorca (PMI)  
Condor, Flugzeit: 02:05 h, Preis: 13,70 €  

Ich treffe Eckbert Gnosen aus Cottbus, 99 Jahre, Zerspanungsmechaniker in Rente, Pescetarier. Bei einem Schnitzel in der Schinkenstraße kommt der Gentleman der alten Schule (Hitlerjugend) ins Reden: "Ich habe zwei Diktaturen auf deutschem Boden erleben müssen! Die sogenannte DDR und das Merkel-Regime, das jetzt noch dazu öko wurde. Wissen Sie, wie's damals war? Wir hatten ja nichts! Keine Reisefreiheit, Malle war nur keinmal im Jahr. Und jetzt wird man wieder so eingeschränkt. DDR 2.0! Soll ich bald mit dem Zug in den Urlaub fahren? Wozu finanziere ich mit meinem Geld unsere Luftwaffe und die vermaledeite Flugbereitschaft? Es war nicht alles schlecht!" Ich sehe es nicht als meine Aufgabe an, die Worte von Herrn Gnosen einzuordnen. Sie stehen für sich.  

Palma de Mallorca (PMI) – Antalya (AYT) via Zürich (ZRH)
Vueling Airlines/SunExpress, Flugzeit: insgesamt 12:20 h, davon 06:00 h Aufenthalt in Zürich, Preis: 17,00 €  

Auf dem Flug nach Antalya werde ich als Journalist erkannt und bekomme vom Kapitän persönlich eine Ananas überreicht. Er bittet um wohlwollende Berichterstattung, welche ich ihm transparent zusichere. Vor Ort lasse ich mir bei der Gelegenheit Haare von Rücken und Podex auf Oberkopf und Wangenbereich transplantieren. Da ich mir auch die Zähne "machen" lasse, komme ich mit niemandem außerhalb der Praxis ins Gespräch. Lediglich mein Schönheitschirurg Dr. Aldemir weiß zu berichten, dass er weder vom Flugchaos noch von der scharf kritisierten grünen Bundespolitik etwas mitbekommen habe. Er verspricht, sich einzulesen, sollte er mal wieder freie Spitzen haben. Über diesen bissigen Verweis auf den deutsch-türkischen Beauty-Tourismus musste ich noch lange nachdenken. So oder so: Mein Haar sitzt (wieder) – ohne Drei Wetter Taft!  

Antalya (AYT) – Sharm El Sheikh (SSH) via Istanbul (SAW)
Pegasus Airlines, Flugzeit: insgesamt 04:45 h, davon 02:10 h Aufenthalt in Istanbul, Preis: 13,07 €

Während einer Quad-Safari mit Kamelritt lerne ich Inge kennen: Sie ist blond behaart, hat zwei gut sichtbare Höcker und gibt sich widerborstig. Als sie mich abwirft und ich sanft im warmen Sand lande, eilt mir Traudel Hartmann zu Hilfe. Die 23jährige Wiesbadenerin ist sofort zu einem Statement bereit. Sie formuliert druckreif: "Ich beobachte die Medien. Selten haben verkehrsbezogene Themen die Schlagzeilen derart dominiert: Tempolimit, E-Mobilität, Affenpocken. Zwinkeranimoji! Natürlich kann ich mir durch meine berufliche Tätigkeit im Bereich Krypto-Trading hin und wieder einen Urlaub leisten. Ich bin mal für drei Euro nach London geflogen. Daher finde ich es übertrieben, für die Fahrt von Wiesbaden Hauptbahnhof bis Wiesbaden-Heßloch neun Euro zu zahlen!" Ein berechtigter Einwand der Otto-Normalverbraucherin, dem ich nichts hinzuzufügen habe.  

Sharm El Sheikh (SSH) – Düsseldorf (DUS) via Istanbul (SAW)
Pegasus Airlines, Flugzeit: insgesamt 09:00 h, davon 03:00 h Aufenthalt in Istanbul, Preis: 21,69 €  

Von Düsseldorf führt mich meine Reise weiter nach Eslohe (Sauerland). Da ich mich als Weltbürger mit Umweltbewusstsein (Zitat: "There is no Planet B!") begreife, nutze ich beschwingt das Angebot der Autovermietung, den Tesla zum Probierpreis zu testen. Natürlich ginge es ebenso per Zug, doch ich verweigere mich bewusst dem Mainstream. Eslohe wurde kürzlich von der renommierten New Yorker Zeitung The New York Times zur "Cool Kid Town" erklärt und somit eines der hippsten Reiseziele Deutschlands. Im Hotelrestaurant Forellenhof Poggel bestelle ich Potthucke und Grevensteiner Landbier. Die Wirtin Azalee Poggel-Müllerschmidtgen äußert sich postitiv über das 9-€-Ticket, weswegen ich hernach die Zeche prelle. Am Nachbartisch höre ich einen Mittdreißiger, der offensichtlich gerade seinen Newsfeed auf Facebook checkt, mit bairischem Zungenschlag schimpfen: "In dem Schoaßland werd ma grod no vaarscht!" Wir kommen ins Gespräch, als ich ihm von meiner Sozialisation als Katholik (und meinem Festhalten am Glaube, aller Widerstände zum Trotze) berichte. Alois Huber ist 35, glücklich verheiratet ("Mid moana Arbad ois Gtränkegroushändla, he he, vastehens?") und aus München (per Eurowings, via DUS, 14,22 €) zu Erholungszwecken ins Sauerland gekommen. Aus Facebook habe er eben vom Flugchaos erfahren: "Olle obsogn miassad ma de do om. Breißn! Vadammte Breißn!" Auch, wenn ich nur die Hälfte verstehe, spüre ich: Ich habe einen Nerv getroffen, befinde mich am Puls der Zeit. Auf den tausenden Kilometern meiner Tour habe ich keine einzige (deutsche) Person getroffen, welche gern in einer Ökodiktatur leben würde.  

Düsseldorf (DUS) – Frankfurt am Main (FRA)  
Lufthansa, Flugzeit: 00:50 h, Preis: 24,13 €, Rabatt: 15,00 € mit Gutscheincode "FUCKYOUGRETA15"

 Zurück in Frankfurt freue ich mich, ohne eine einzige Minute Verspätung durch halb Europa gejettet zu sein. Doch: Wie lange geht das noch gut? Die linksgrüne Ampelregierung spart die Airlines (englisch für "Fluggesellschaften") kaputt. Mein Resümee lautet folglich: Der Wohlfahrtsstaat macht uns alle arm – man sollte ihn durch einen Luft- und Raumfahrtsstaat ersetzen!  

Martin Weidauer 

 

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/i nnen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt