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AfD-Leaks 2.0: Jetzt wird's schlüpfrig!

Die "AfD-Leaks" erschütterten das politische Berlin. Seitdem sind Zweifel angebracht: Ist die Fassade der vornehm-konservativen Partei etwa nur Fassade? TITANIC schreibt die einmalige Geschichte fort, welche es so nur wenige Male in Deutschland gab.

Anmerkung des Autors: Seit 2017 halte ich engen Kontakt zu meinem Informanten im Bundestag. Er arbeitet für eine AfD-Hinterbänklerin und schickte mir über die Jahre viele Unterlagen. So sitze ich, gottlob, meist bequem. Wir waren beide verärgert über die oben genannte Dokumentation in der ARD. Eine kurze Information vor der Veröffentlichung wäre angebracht gewesen, um journalistische und ethische Mindeststandards zu erfüllen. Die folgenden Enthüllungen sind nämlich noch brisanter als alles, was bisher offenbart wurde. Ich überlasse der Leser*innenschaft die Entscheidung, welche Reportage sie als Prequel und welche sie als Sequel betrachten möchte.

Heilfried Deutschmann (Name nicht geändert) ist Referent in der Machtzentrale der Republik. Warum er zum Whistleblower wurde, möchte er nicht preisgeben. In monatelanger Sisyphusarbeit habe ich das Datenpaket ausgewertet, welches er mir zugänglich gemacht hat: Insgesamt 80 000 Screenshots der Chatgruppe "AktivesFraktionsDirect-Messaging (AFD-M)" bei iMessage – laut internen Dokumenten des BND ein gern genutzter Nachrichtendienst. Informant Deutschmann riskierte für diesen Artikel seine Gesundheit: Mehrmals musste er seine rechte Hand eingipsen lassen, da er die Bildschirmfotos händisch angelegt hat. Ironie der Geschichte – war er doch die rechte Hand seiner stramm rechten Chefin. Ich zeige die Ergebnisse der Recherche der Fraktionsvorsitzenden Alice Elisabeth Weidel, welche sich zu einer Kommentierung bereiterklärt – an dieser Stelle besten Dank dafür!

So also schreibt sich die AfD-Fraktion, wenn sie denkt, dass niemand mitliest: "AgD-Fanktion" – Doch Fehler können passieren. Ich lege Weidel eine erste Kostprobe aus dem Datensatz vor:

Meine Gesprächspartnerin ist schockiert: "Ich bin schockiert. Letztendlich ist das eine Rhetorik, von der man Abstand nehmen sollte. Weiter möchte ich das gar nicht kommentieren." Das tut sie dann auch nicht. Unbeirrt bohre ich weiter und haue einen Knaller raus:

Alice Weidel verzieht keine Miene. Lakonisch konstatiert sie: "Solche Sachen gehen natürlich überhaupt nicht und hätte ich davon Kenntnis gehabt, wäre dagegen vorgegangen worden." Pflichtschuldig distanziert sie sich vom Ableismus im Kalauergewand. In der Fraktion brodelte es derweil vor sich hin. Pfiffige One-Pot Rezepte wurden ausgetauscht. Der Richtungsstreit drohte seinerzeit zu eskalieren, während der sogenannte "Flügel" immer extremere Positionen einnahm:

Der Fraktionschefin fällt hierzu nur folgender Satz ein: "Ich möchte bei anderen Parteien und Fraktionen auch nicht in die Chats gucken." Da sie vorgibt, das Wort Whataboutism nicht zu kennen, fehlt mir der Angriffspunkt für kritische Fragen. Wir gehen einen Latte Macchiato trinken und lassen Politik mal Politik sein. Tut uns beiden gut! Hernach heißt es: Nächster Chatbeitrag, bitte!

Frau Weidel kann mittlerweile gar nichts mehr mit den Leaks anfangen, sie fühle sich "fremd in der eigenen Partei", bemerkt sie bräsig. Es muss persönlich aufreibend sein, wenn man als Führungsperson so hinters Licht geführt wird. "Ich war nicht in diesem Chat. Ich muss bei dem Wort Hammel immer zuerst an ein Pferd denken, weiß der Kuckuck, warum!" Die Dokumente geben des Weiteren Aufschluss darüber, wie der prominente Wahlslogan zur Bundestagswahl 2021 zustande kam: 

Alice Weidel ist eingeschlafen. Morbus Gauland? Ein bissiger Kommentar zu US-Präsident Bidens Russlandpolitik? Zufall oder Chiffre? Vielleicht war die gewählte Konfrontationsmethode zu hart. Zu den letzten drei Ausdrucken äußert sie sich nicht:

Bis heute habe ich keine Information über den Verbleib von Dietmars Buch. Im Gegensatz dazu wird in den Chats immer wieder klar, wo die AfD politisch zu verorten ist (z. B. in Hessen):

 

Spannend wird das Material, wenn sich daraus hinkünftige Allianzen deuten lassen:

Als ich mich an einer Zeit-für-Brot-Zimtschnecke verschlucke und laut huste, wird Weidel wach. Sie wirkt hungrig. Ich "füttere" sie weiter:

Sie schlägt vor, das Interview im Restaurant Borchardt fortzusetzen, sie lade mich herzlich gern ein, Stichwort Spesenkonto. Ich stimme unter der Bedingung zu, ihr vorher noch einen Schnipsel zeigen zu dürfen:

"Knut ist ein Guter. Aber ich selbst rauche gar nicht!" Ich erlebe eine Spitzenpolitikerin von ihrer menschlichen Seite. Beim Essen (Vierfach reduzierter Lammkeule-Kalbsragout-Dialog an Bio-Trüffelschinkennudeln, vegan) erzählt sie, dass die Chatgruppe mittlerweile geschlossen sei. Offen habe hingegen noch die ein oder andere Cocktailbar, verrät sie grienend. So können wir den langen Tag bei einem Berlin Berry in Paule's Metal Eck ausklingen lassen.

 

Martin Weidauer

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.04.2024 Berlin, Heimathafen Neukölln Max Goldt
18.04.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt