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Schröders neue Knechte

Nachdem die Mitarbeiter seines Berliner Büros aus Protest gegen die Nähe ihres Vorgesetzten zu Putin und dessen Regime fristlos gekündigt hatten, wollte lange niemand mehr für Gerhard Schröder arbeiten. Nun ist seine Personalchefin So-yeon Schröder-Kim, die das Politik-Urgestein eigentlich als Ehefrau eingestellt hatte, auf der Suche nach anspruchslosem und bezahlbarem Personal fündig geworden. Diese Promis werden in Zukunft wohl für den Altkanzler arbeiten:

Oliver Pocher – Personenschutz

Schröders einseitig gekündigte Mitgliedschaft bei Borussia Dortmund, der Verlust der Ehrenbürgerwürde von Hannover, das Ende seines Podcasts, ein nach wie vor drohender Parteiausschluss aus der SPD sowie ein möglicher Entzug seines Doktortitels an der Uni Göttingen: Der SPD-Veteran kann sich vor schallenden Ohrfeigen aus allen Richtungen kaum noch retten und braucht dringend einen Fachmann, der mit seiner Visage artistisch in heransausende Vor- und Rückhandschellen hechtet und sich auch nach dem Abräumen mehrerer Stuhlreihen noch so gekonnt abrollen kann, dass er am nächsten Tag problemlos wieder zur Arbeit erscheint. Oliver Pocher zeigt starkes Interesse und lässt sich im heimischen Keller derzeit von eigens angeheuerten Straßenbauern mit Händen in Übergröße unter schrillen Schmerzschreien eine Gesichtshornhaut anklatschen. Ob das für ein Langzeitengagement als Schröders Prügelknabe ausreicht, kann man aber noch nicht mit abschließender Sicherheit sagen. Laut TITANIC-Informationen hat der, als völlig unsensitiv geltende, Mario Barth ebenfalls seinen Hut in den Ring geworfen und auch Karl Lauterbach macht sich im Falle eines plötzlichen Rauswurfs als Bundesgesundheitsminister aufgrund seiner teflonartigen Nehmerqualitäten berechtigte Hoffnungen, zu Schröders Watschen-August aufzusteigen. In einem persönlichen Bewerbungsgespräch dürfte allerdings der, immer noch rot pulsierende und höchst eindrucksvolle, Handabdruck auf der linken Gesichtshälfte Pochers das Pendel eindeutig zu dessen Gunsten ausschlagen lassen.

Martin Rütter – Personal Trainer

Für seine sich ständig erweiternde Sammlung an Vorstandsposten fossiler Energieriesen muss Schröder zukünftig klar sein, was sich gehört und was nicht. Schuhe zerbeißen, im Willy-Brandt-Haus Häufchen machen, Oligarchen am Hinterteil riechen und sich freudig an Putins Bein reiben, sind allesamt Dinge, die dem Polit-Dino mit viel Tadel und wenig Lob ausgetrieben gehören, wenn er nicht auf Dauer zum Problemrüden werden soll. Dazu soll Verhaltenscoach Rütter für mehrere Wochen bei Schröder-Kims einziehen und Ehefrau So-yeon im artgerechten Umgang mit dem unerzogenen Tunichtgut unterweisen: Ein strafender Klaps mit der Zeitung oder dem Parteibuch, gefolgt von klaren und unmissverständlichen Befehlen ("NEIN!"; "AUS!"), Grillwurstentzug und in höchster Not auch mal ein Maulkorb, können vielleicht noch verhindern, dass Schröders Leibarzt in Ermangelung anderer Möglichkeiten sein Skalpell ansetzten muss, damit der Zausel auf seine alten Tage endlich ruhiger wird. Aber ob mit einem Exkanzler, der den ganzen Tag nur noch träge dösend, aber glücklich vor dem Kamin liegt, wirklich jemandem geholfen ist? Aber sicher doch!

Boris Becker – Finanzberatung

Die üppigen Einkünfte aus Schröders Tätigkeit für russische Energiekonzerne plus Ruhegehalt als Ex-Regierungschef möglichst smart anzulegen, ist die einzige Aufgabe des neuen Ressortleiters für Investment und Gewinnmaximierung. Becker hat in zahllosen Tennismatches gezeigt, dass er widrigen Bedingungen und zähen Gegnern zum Trotz, Satzbälle jederzeit punktgenau in den Sand (genauer gesagt: ins Aus) setzen kann. Gerade, wenn es um Kohle geht, hat sich der Wahl-Brite schon oft genug als Hexer unter den Spekulanten erwiesen und seine 25 Millionen US-Dollar an Preisgeldern sowie die saftigen Erlöse aus zahllosen lukrativen Werbedeals an den Augen von Fiskus und Öffentlichkeit vorbei verschwinden lassen. Und das keineswegs nur im sprichwörtlichen Sinne. Dass sich der "Leimener Luftikus" darüber hinaus mühsam ein Image als hoffnungsloser Fall in Geldfragen erarbeitet hat, setzt seinen Fähigkeiten als "Evil Mastermind" die Krone auf. Wundern Sie sich daher nicht, wenn es auf dem unbeirrbaren Weg des Alt-Bundeskanzlers zum ersten deutschen Oligarchen mit Beckers Support demnächst Game, Set & Match heißen wird. Für die Insolvenzbehörde.

Xavier Naidoo – Öffentlichkeitsarbeit

Wenn es darum geht, nach Jahrzehnten, in denen man 52 Wochen per Anno hanebüchenen Quatsch verzapft, verbrochen oder gar gesungen hat, plötzlich mit verheulten Augen und Dackelblick reuig in die Kamera zu jaulen, dass man sich geirrt hat und auf eine zweite Chance bei seinen Fans hofft, ist er zweifelsohne der richtige Mann. Zwar tut Schröder derzeit (noch) nichts leid, und er hat eigentlich auch keine Fans - aber wer weiß schon, was in fünfzehn Jahren ist? Vielleicht ist Alexej Nawalny dann russischer Präsident und Wladimir Putin klopft gemeinsam mit seinem Büttel Lawrow Erzadern aus sibirischen Permafrostböden. Sollte diese sehr schöne Utopie für Schröder irgendwann zur bitteren Realität werden, kann er beim Mannheimer Stehaufmännchen schon jetzt Schauspielunterricht nehmen, um die Deutschen am Tag X auf den Knien um Verzeihung für seine unzähligen Verfehlungen zu bitten. Sollten die Tränen nicht auf Kommando fließen wollen, helfen vielleicht ein paar Backpfeifen vom langzeitarbeitslosen Will Smith, denen Pocher sich ausnahmsweise mal nicht in den Weg stellen sollte.

Joseph Ratzinger – Emeritierungsbeauftragter

Völlig überraschend von der Bildfläche verschwinden und von einem Tag auf den anderen aufhören, die Menschen mit der Dauerpräsenz seines Quadratschädels in den Medien zu reizen: Der ehemalige Papst Benedikt hat vorgemacht, wie's geht und sich schon Jahre bevor seine unrühmliche Beteiligung an den Missbrauchsfällen im Erzbistum München bekannt wurde, auf sein Altenteil in eine vatikanische Abtei zurückgezogen. Unter dem genialen Vorwand, er würde sich dort bloß dahinsiechend auf den Tod vorbereiten, ist er durch seine Einstufung als "temporäres Übel" sogar noch ein Stückchen weiter aus dem Focus der Weltöffentlichkeit gerückt. Bevor Ratzinger wirklich abtritt, will er seine "Special Skills" in den Bereichen "Täuschen, Tarnen & Verpissen" aber noch an Schröder weitergeben und den Altkanzler als Karate-Kids weiser Sensei lehren, wie man Angriffen ausweicht, wann man besser die Klappe hält und in welche entlegenen Winkel der Erde man sich verkrümeln muss, damit die Leute einen möglichst schnell vergessen. Auf Vermittlung des Ex-Popen haben bereits mehrere, von Rosneft gesponserte russisch-orthodoxe Fünfsterne-Klöster angeboten, Schröder als "Bruder Gerd" aufzunehmen und ihn mit Hilfe des entbehrungsreichen Spa-Bereichs und eines geradezu asketischen Sieben-Gänge-Menüs auf den Pfad der Tugend (nach Moskau) zurückzuführen. Apropos Tugend: Hat die Russisch-Orthodoxe Kirche eigentlich einen Aufsichtsrat?

 

Patric Hemgesberg

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg