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Make Fastelovend, Not Russo-Ukrainian War!
Ungeachtet der beklemmenden Bilder zum Karnevalsauftakt wird auch am heutigen Rosenmontag in Kölle am Rhing (dt.: Kölner Ring) gefeiert. Um eine erneute Invasion der Zülpicher Straße und des Alter Markts wie am 11.11. zu verhindern, hatte die Domstadt Anfang Februar das gesamte Stadtgebiet über die fünfte Jahreszeit kurzerhand zur „Brauchtumszone“ erklärt – mit verschärften Corona-Regeln zur Abschreckung. Doch selbst das hielt viele Narren nicht davon ab, an Weiberfastnacht abermals völlig enthemmt in die Krisen- und Infektionsherde einzufallen. Wie ist vier Tage später die derzeitige Situation in den von Piraten, Einhörnern und Horrorclowns (Kuckelkorn) besetzten Gebieten? Eine kurze Stippvisite von TITANIC-Kriegsberichterstatter Daniel Sibbe an der jecken Partyfront.
Schon frühmorgens sind Tausende auf der Flucht vor neuen Greuelnachrichten aus der Ukraine. An den innenstadtnahen Schnelltestzentren haben sich lange Schlangenlinien gebildet. Die Stimmung wirkt gelöst, die Zungen ebenso („Höhö, ich han letzte Naach dat Marieche jebützt un jeboostert!“). Bei den Testungen gibt es nur wenige unangenehme Überraschungen. Wenn ein Ergebnis dennoch mal kurz für Aufregung und Unsicherheit sorgt, wird von den Betroffenen am nächstbesten Büdchen so lange nachgebessert, bis der Wert wieder stimmt (≥ 0,5 ‰). Danach macht sich in Vorgärten und Hauseingängen allgemeine Erleichterung breit.
Auf dem Neumarkt versuchen sich einige völlig unangebracht in Kriegsmontur verkleideten Tünnese (rot-weiße Uniform, Holzgewehr) an Geschmacklosigkeiten nur so zu überbieten. Unzählige gekillte Küppers-Kölsch-, Dom-Kölsch- und Früh-Kölsch-Büchsen zeugen von einem erbarmungslosen Saufbattle im Dosenschießen – Kapitualtion verboten!
An den Händen des „Gemeinschaftsprojekt Wagenbauer“ klebt noch Blut. Nach der Absage des Rosenmontagszugs im RheinEnergie-Stadion hat sich die Wut der Persiflagewagengestalter über ihre wochenlange Schleiferei, die nun umsonst gewesen sein soll, an den ihnen schutzlos ausgelieferten Schöpfungen aus Draht und Pappmaché entladen. Die versehrten Kriegsopfer werden heute im Rahmen einer Friedensdemonstration auf verschiedenen Plätzen in der Kölner Innenstadt als Mahnmale des Schreckens zur Schau gestellt.
Der „Express“ meldet erste Plünderungen. Kriminelle, die arglose Jecken um ihr Portemonnaie bringen wollen oder noch Schlimmeres im Sinn haben (Raub des Impfzertifikats), fokussieren sich insbesondere auf Karnevalisten mit Genesenen-Status. Statt in den überlaufenen Kneipen umständlich ihre potentiellen Opfer anzutanzen und ihnen ein Stößchen K.O.-Tropfen in die Hand zu drücken („Drink doch ene met!“), warten sie geduldig vor den 2G-plus-Zugangsbereichen. Irgendwann im Laufe des Tages haut es selbst den stärksten Immunisierten dank Long Covid aus dem Superhelden-Kostüm.
Am Nachmittag wird die Lage zunehmend unübersichtlicher. Im Bereich Deutzer Brücke treffen einzelne Fußgruppen auf starke Kräfte von unmaskierten, sich von der Politik verschunkelt fühlenden Spaziergängern, die in Richtung Rudolfplatz vorstoßen. Nach dem Narrhallamarschbefehl kommt es zu kleineren Scharmützeln mit Konfettikanonen und gezielten Kamellewürfen. Später werden sich beide Konfliktparteien gegenseitig vorwerfen, von Links- bzw. Rechtsrheinischextremen unterwandert zu sein.
Schreck lass nach, auf dem Chlodwigplatz in der Südstadt brennt bereits der Nubbel! Vom wie aus dem Nichts herangerückten Aschermittwoch überrollt, taumeln die Menschen orientierungslos und traumatisiert über das Kopfsteinpflaster. Erst als durchsickert, dass es sich lediglich um eine Strohpuppe mit den Gesichtszügen von Karl Lauterbach handelt, die mit einem Schild um den Hals („Volksverräter!“) an einem Galgen aufgeknüpft und angezündet wurde, macht sich allmählich wieder die unbeschwerte Fröhlichkeit der vergangenen tollen Tage breit.
Daniel Sibbe