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"Ich bin jetzt zu alt für die Politik!" – Sebastian Kurz im Interview

Im Dezember hat sich Sebastian Kurz aus der Politik verabschiedet. Und erst im Februar – nach einer langen Übergangszeit von einigen Wochen – wechselt er in die Wirtschaft. Im Interview blickt er auf seine Ära als Kanzler zurück, erklärt, warum das Ausland neidisch auf Österreich ist, und prognostiziert, dass 2022 alle in seinem Land Kanzler werden dürfen.

TITANIC: Sie arbeiten bald als Global Strategist für den deutsch-amerikanischen Technologie-Investor Peter Thiel, der den Online-Bezahldienst PayPal mitgegründet hat. Wollten Sie nicht eigentlich mehr Zeit mit Ihrer Familie und Ihrem frischgeborenen Baby verbringen?

Kurz: Das habe ich, das habe ich. Es waren ein paar sehr intensive Mona ... ich meine: Minuten, die ich mit meinem Kind verbringen durfte. Ich denke, ich konnte dem Baby auch ein bisschen was beibringen. Es wird wahrscheinlich nicht mehr lange dauern und dann kann das Kind selbstständig WhatsApp-Nachrichten schreiben.

TITANIC: Ihre Amtszeiten als Bundeskanzler haben nicht allzu lange gedauert – einmal waren es 17 Monate, einmal 21 Monate. Wie lange wollen Sie nun als Global Strategist arbeiten?

Kurz: Lassen Sie es mich so sagen: Ich will eine Ära prägen. Deshalb wird das sicherlich ein langfristiges Engagement. Ich denke ungefähr an sechs bis acht Wochen.

TITANIC: Peter Thiel, Ihr neuer Chef, gilt laut Medienberichten als nachtragend, rachsüchtig und deutsch. Das schreckt Sie nicht ab?

Kurz: Nein, im Gegenteil, ich finde, das sind sehr gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Die Umstellung von der österreichischen Politik wird mir sicher nicht schwerfallen.

TITANIC: Was genau werden Sie eigentlich als Global Strategist machen? Was bedeutet überhaupt Global Strategist?

Kurz: Hm, das klingt auf jeden Fall mal sehr global, sehr strategisch und sehr englisch. Aber ich lasse mich überraschen.

TITANIC: Die vergangenen Jahre waren für Sie nicht immer angenehm.

Kurz: Sie meinen die Treffen mit Horst Seehofer, Jens Spahn und Markus Söder? Darüber spreche ich in der Tat nicht gerne ...

TITANIC: Verständlich. Aber wir meinen eher etwas anderes: Korruptionsvorwürfe, Ibiza-Affäre, Ermittlungen ...

Kurz: Ach, ich weiß gar nicht, was Sie haben. Das sind ganz normale Vorgänge in Österreich. Eine liberale Demokratie muss so etwas aushalten.

TITANIC: Es wird nicht nur gegen Sie ermittelt, sondern auch gegen mehrere Ihrer einst engsten Mitarbeiter und Weggefährten. Stört Sie das nicht?

Kurz: In Österreich gibt es ein altes Sprichwort: Gegen wen nicht ermittelt wird, der werfe den ersten Geldkoffer.

TITANIC: Sie sollen Umfragen manipuliert haben. Was ist da dran?

Kurz: Da kann ich alle meine Kritiker beruhigen: Laut den neuesten Umfragen, die ich in Auftrag gegeben habe, ist an den Vorwürfen überhaupt nichts dran. Und weitere Umfragen werden das bestätigen, das garantiere ich Ihnen.

TITANIC: Was war für Sie persönlich das Schlimmste in den vergangenen Jahren?

Kurz: Wenn ich so zurückblicke, dann definitiv dieser grässliche Song von den Vengaboys.

TITANIC: "We are going to Ibiza"?

Kurz: Genau. Ich werde dem HC Strache nie verzeihen, dass er dafür verantwortlich war, dass dieser Song wieder populär wurde. Dabei gibt es doch viele schönere Lieder aus den 1990er Jahren. Songs mit mehr Tiefgang. Stücke, die es um einiges mehr verdient gehabt hätten, wieder in die Charts zu kommen. Ich denke da zum Beispiel an "Macarena" von Lou Bega, an "Coco Jamboo" von Michael Jackson oder an "I Believe I Can Fly" von DJ Bobo. Da hätte ich sogar mitgetanzt.

TITANIC: Das politische System in Österreich war in den vergangenen Jahren nicht sehr stabil. Allein 2021 waren drei Kanzler im Amt. Bereiten Ihnen die Entwicklungen Sorgen?

Kurz: Ich habe volles Vertrauen in das politische System in Österreich, genauso wie in die aktuelle Regierung. Und ich sage Ihnen: Wir werden noch lange eine stabile Regierung haben. Im März kommt dann die nächste stabile Regierung, und im Mai die übernächste. So viele stabile Regierungen innerhalb so kurzer Zeit findet man nicht in jedem Land. Das Ausland blickt mit Neid auf uns.

TITANIC: Wie viele Kanzler wird es dieses Jahr in Österreich geben?

Kurz: Wenn alles gut läuft, darf jeder Österreicher und jede Österreicherin einmal ran. Ich finde: Demokratischer geht es nicht! Was will man mehr?

TITANIC: Streben Sie selbst noch einmal ein politisches Amt an?

Kurz: Ich darf auf insgesamt zehn Jahre politische Tätigkeit in der österreichischen Bundesregierung zurückblicken. Das war eine ausgezeichnete Zeit für unser wunderschönes Land und für mich. Aber ich denke, mit 35 bin ich jetzt zu alt für die Politik.

TITANIC: Herr Kurz, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Kurz: Ich danke mir ebenfalls.

Dimitri Taube

 

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
08.05.2024 Wiesbaden, Schlachthof Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella
09.05.2024 München, Volkstheater Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
10.05.2024 Weil am Rhein, Kulturzentrum Kesselhaus Thomas Gsella