Artikel

Was macht eigentlich Uri Geller?

Der Mentalist war in Deutschland ein absoluter Weltstar. Jetzt plant er sein Comeback. Ein übersinnliches Treffen mit "einem der Phänomenalsten, die wir haben" (U. Geller) am Münchner Flughafen.

Ein paar Minuten vor dem vereinbarten Termin sitzen wir im Hofbräu Bistro und bestellen eine Brezel für 29,99 €. Unser Inlandstrip von FRA nach MUC verging wie im Flug. Uri Geller winkt freudig, läuft einen großen Bogen um eine kleine Gruppe Rentner*innen und setzt sich krumm auf den einzigen freien Stuhl. "Entschuldigen Sie die Verzögerung, anscheinend ist der Kapitän nicht geradeaus geflogen!" Er zeigt uns seinen digitalen Impfnachweis, dabei scrollt er von oben nach unten. "Sehen Sie? Telekinese!" Wir bemerken, dass er den Screen immer wieder leicht mit seinem Finger berührt, behalten es aber für uns. Wir haben keine Lust darauf, von ihm verklagt zu werden. Er sekundiert: "Vielleicht ist Corona ein Hirngespinst, so wie Materialermüdung. Wer weiß!" Als Smartphone nutzt er, na klar!, ein LG G Flex 2. Auf dem Hintergrundbild erkennen wir Vincent Raven. "Noch keine Mail aus Unterföhring, komisch!" Dabei habe er vom Flugzeug aus die Gedanken von ProSieben-Chef Daniel Rosemann beeinflusst. Wir verstehen nur Bahnhof und haken nach. "Bevor ich vor Ihnen die Hose runterlasse, könnten Sie mir wenigstens einen Drink spendieren!" Wir bestellen vier Halbe auf Verlagskosten (159,96 €). Geller hebt an: "Kennen Sie die Ehrlich Brothers? Die sind meiner Meinung nach auserzählt. Ich werde heute meine neue Showidee pitchen, 'The next Ehrlich Brothers'!" Geplant sei ein sogenannter Initiativ-Pitch, er habe weder einen Termin beim Sender noch Rücksprache mit den Ehrlich Brothers gehalten. "Also, zumindest nicht im klassischen Sinne. Alle relevanten Personen habe ich mental manipuliert. Ich rechne mit einem nachgerade magischen Triumph!" Das Konzept sei das gleiche wie von "The next Uri Geller" damals, neu seien lediglich die Hairstylist*innen, welche "den Kandidaten live auf der Bühne extravagante Frisuren zaubern."

Während des Gesprächs verbiegt er unentwegt das herumliegende Besteck und drückt es wortlos vorbeilaufenden Passant*innen in die Hände. "Es ist leider chronisch geworden!" Eine seiner beiden Reisetaschen sei ausschließlich mit alten Löffeln gefüllt, die er israelischen Großkantinen auf eBay Kleinanzeigen abkaufe. "Auch meine finanziellen Mittel sind begrenzt." Früher habe es genügt, pro Woche hundert Löffel bei Harrods zu beschaffen. Überhaupt: früher! Geller wirkt rührselig. "Ich kannte sie alle. Houdini, Copperfield, Günther Jauch! Ob nun physisch oder spirituell. Wissen Sie, im persönlichen Umgang waren sowohl Aliens als auch Promis meist ganz anders, als erwartet. John Lennon hat sich für Yoko Ono gar nicht so sehr verbogen, wie immer alle sagen!"

Um das Namedropping zu unterbinden, fragen wir, warum er von England zurück nach Israel gezogen ist. "Die Villa bei Reading tat mir einfach nicht mehr gut. Während der Einrichtung des Anwesens war Corporate Identity gerade das neue Ding unter Mentalisten. Auf dem gesamten Gelände gab es kein gerades Besteck, alle Wege waren verwinkelt und die Angestellten vertraglich verpflichtet, eine aufrechte Körperhaltung zu vermeiden. Außerdem nervten mich die Wortspiele. Ging ich in meinen Privatwald, war ich Uri Holzfäller. Am Tisch gab es ständig the next Uri-Teller. Mein Bier holte ich im UriKeller, beim Joggen war ich Uri Schneller und wenn es zu dunkel zum Lesen wurde, ging Uri Greller zum Dimmer. Wir hatten sogar eine eigene Währung, den Uri-Heller. Umgerechnet drei Pfund wert. Im Nachhinein hat diese Großmannssucht wohl dazu beigetragen, dass ich jetzt täglich um die 500 Löffel verbiege." Uri Geller vertraut uns an, nicht nur im Rahmen von TV-Events an nachfolgende Generationen zu denken. "98,7 Prozent der Ausstellungstücke in meinem neuen Museum sind verbogene Löffel. Die vorherigen Entsorgungskosten waren immens. Die Ausstellung hat uns gerettet!" Aus Umweltschutzgründen habe er nie illegale Müllkippen genutzt. "Und auch Plastikbesteck kommt mir nicht ins Haus. Es bricht viel zu schnell!"

Wir fragen Geller, wo die Gründe für die Absetzung seiner Show im Jahre 2009 lagen. Er spricht geradeheraus: "Einfach ein schlechtes Team. Ich musste die Suppe auslöffeln!" Das Aus habe ihn in ein tiefes emotionales Loch gestürzt. "Im UriKeller hatte ich hernach Voodoo-Puppen der Crew, aber auch von anderen Magiern und führenden Köpfen der Skeptikerbewegung. Wenn Sie wüssten, wie ich die Dinger krumm und schief gebogen habe, würden Sie dieses Gespräch wohl sofort beenden!" Er wirkt geerdet, erzählt klar und schonungslos, vor allem sich selbst gegenüber. "James Randi ziert noch heute meine Dartscheibe. Diese kleine Genugtuung gestehe ich mir schon zu. Aber ich bin definitiv nicht mehr der schräge Typ von anno dazumal." Mittlerweile sind unsere Füße von verbogenen Löffeln bedeckt. Wenn jemand zu der Toilette direkt neben unserem Tisch geht, hören wir es scheppern. Aber auch die Löffel machen beim Aufstehen Geräusche.

Uri Geller grinst und verbiegt mit vermeintlich angestrengtem Blick eine Brezel. Er winkt die Bedienung heran und ordert Kaffee. Der Kellner, welcher sowieso schon seltsam gebückt umherwankt, stolpert über das Altmetall und der kleine Teller rutscht ihm aus der Hand. Endlich können auch wir brillieren: "Eine fliegende Untertasse, haben Sie gesehen?" Der altersmilde Gesichtsausdruck unseres Gegenübers verschwindet. "Über so eine ernste Angelegenheit scherzt man nicht! Sie sind wohl schief gewickelt?" Seine größten Erfolge wären ohne Zutun von Außerirdischen niemals möglich gewesen. "Denken Sie ernsthaft, dass sonst jemand so viele Löffel verbiegen könnte? Oder ein Fußballspiel per Telekinese beeinflussen? Ihr Skeptiker habt es mir sehr schwer gemacht!" Als er 2002 an "I'm a Celebrity … Get Me Out of Here!" teilnahm, habe sein Ausruf ausdrücklich nicht irdischen Wesen gegolten, sondern den Bewohner*innen des Planeten Hoova. "Aber der Mossad blockierte seinerzeit die Kommunikation."

Unser Gesprächspartner wird langsam unruhig und ruft sich ein Taxi nach Unterföhring. Als Gimmicks für seine Präsentation hat er Zuckerstangen besorgt und "selbst begradigt". Er lässt uns nur zwei da, obwohl wir zu dritt sind. "Es muss insgesamt eine ungerade Anzahl bleiben!" Geller verspricht, uns den Ausgang der Verhandlungen per WhatsApp mitzuteilen. "Falls nicht Extraterrestrische die App schlechterdings deaktivieren." Er hat sich nie wieder gemeldet.

Martin Weidauer

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Augen auf, »dpa«!

»Mehrere der Hausangestellten konnten weder Lesen noch Schreiben« – jaja, mag schon sein. Aber wenn’s die Nachrichtenagenturen auch nicht können?

Kann beides: Titanic

 Hände hoch, Rheinmetall-Chef Armin Papperger!

Laut einem CNN-Bericht lagen deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten Hinweise zu russischen Plänen für einen Angriff auf Sie vor. So etwas nennt man dann wohl »jemanden mit seinen eigenen Waffen schlagen«!

Mörderpointe von Titanic

 Wurde aber auch Zeit, Niedersächsische Wach- und Schließgesellschaft!

Mit Freude haben wir die Aufschrift »Mobile Streife« auf einem Deiner Fahrzeuge gesehen und begrüßen sehr, dass endlich mal ein Sicherheitsunternehmen so was anbietet! Deine Mitarbeiter/innen sind also mobil. Sie sind unterwegs, auf Achse, auf – um es einmal ganz deutlich zu sagen – Streife, während alle anderen Streifen faul hinterm Büroschreibtisch oder gar im Homeoffice sitzen.

An wen sollten wir uns bisher wenden, wenn wir beispielsweise einen Einbruch beobachtet haben? Streifenpolizist/innen? Hocken immer nur auf der Wache rum. Streifenhörnchen? Nicht zuständig und außerdem eher in Nordamerika heimisch. Ein Glück also, dass Du jetzt endlich da bist!

Freuen sich schon auf weitere Services wie »Nähende Schneiderei«, »Reparierende Werkstatt« oder »Schleimige Werbeagentur«:

Deine besserwisserischen Streifbandzeitungscracks von Titanic

 Wenn, Sepp Müller (CDU),

Bundeskanzler Olaf Scholz, wie Sie ihm vorwerfen, in einem »Paralleluniversum« lebt – wer hat dann seinen Platz in den Bundestagsdebatten, den Haushaltsstreitgesprächen der Ampelkoalition, beim ZDF-Sommerinterview usw. eingenommen?

Fragt die Fringe-Division der Titanic

 Lieber Fritz Merz,

im Podcast »Hotel Matze« sagst Du, dass Du in Deutschland große Chancen bekommen hättest und etwas zurückgeben wolltest. Jawollo! Wir haben da direkt mal ein bisschen für Dich gebrainstormt: Wie wär’s mit Deinem Privatjet, dem ausgeliehenen vierten Star-Wars-Film oder dem Parteivorsitz? Das wäre doch ein guter Anfang!

Wartet schon ganz ungeduldig: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Beim Aufräumen in der Küche

Zu mir selbst: Nicht nur Roger Willemsen fehlt. Auch der Korkenzieher.

Uwe Becker

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster