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Frauenquote, Kanzler-Geste, Kriegsziele: Die größten Knackpunkte der Ampel-Verhandlungen im Überblick

SPD, Grüne und FDP wollen bis Ende November einen Koalitionsvertrag vorlegen. In der Woche vom 6. bis 10. Dezember soll dann Olaf Scholz zum Bundeskanzler gewählt werden. Doch die möglichen Bündnispartner sind sich noch nicht bei allen Themen einig. Das sind die größten Knackpunkte:
Frauenquote im Kabinett
Die FDP lehnt eine strikte Frauenquote in der nächsten Bundesregierung ab, und zwar allein schon aus praktischen Gründen: In der Partei gibt es insgesamt nur eine Frau. Wolfgang Kubicki weist zudem darauf hin, dass es der FDP bei der Besetzung der Ministerien auf die fachliche Qualifikation ankommt. Grüne und Sozialdemokraten können die Bedenken der Liberalen jedoch nicht nachvollziehen. Sie finden: Wenn die FDP tatsächlich möchte, dass fachliche Qualifikation das wichtigste Kriterium sein muss, dann darf am Ende gar kein FDPler am Kabinettstisch sitzen. Und auch für andere würde es dann nicht reichen, unter anderem für Grünen-Co-Chef Robert Habeck.
Kanzler-Geste
Angela Merkels Raute kommt nach ihrer Kanzlerschaft ins Bonner Haus der Geschichte, direkt zwischen Gerhard Schröders "Basta!" und Helmut Kohls anonyme Spender. Eine zweite Raute soll es nicht geben, auch keine einhändige. Damit ist klar: Sollte Olaf Scholz die Ampel-Koalition tatsächlich als Kanzler anführen, braucht er eine neue Geste. Die Mehrheit der SPD favorisiert im Moment wackelnde Ohren, die Grünen die herausgestreckte Zunge und die FDP den Mittelfinger. Eine Kombination der drei Gesten hat Olaf Scholz schon abgelehnt ("Zu anstrengend!"). Noch sind auch ganz andere Varianten denkbar. So brachte SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken den Ententanz ins Spiel, "weil er ganz gut abbilden würde, wie diese Koalition tickt". Christian Lindner plädiert dagegen für "etwas Frisches" und will Scholz vom Chopping Dance überzeugen.
Squid Game
Welche Position eine mögliche Ampel-Regierung zur Netflix-Serie "Squid Game" einnehmen würde, ist noch unklar. Gegenwärtig gibt es mehrere, ganz unterschiedliche Meinungen ("Toll!", "Hm ...", "Diese Chinesen wieder!", "Square Dance - find ich gut", "Ich schau lieber weiter Tatort"). Nach Einschätzung vieler Experten könnte sich die Uneinigkeit als großer Fehler erweisen. Vor allem im Ausland könnte der Eindruck entstehen: Auf diese Regierung ist kein Verlass!
Finanzierung
Die drei Parteien wollen kräftig investieren, unter anderem in Klimaschutz, Digitalisierung und eine Agentur, die einen schöneren Namen für Hartz IV findet. Steuern sollen allerdings nicht erhöht werden. Zugleich soll die Schuldenbremse eingehalten werden. Doch: Woher kommt das Geld dann? Derzeit gibt es mehrere Modelle. "Christian Lindner soll seinen Porsche verkaufen, dann fließt schon genug Geld in die Kasse" – diesen Plan der SPD lehnen bislang die Grünen ab mit dem Hinweis, dass man der FDP "nicht alles wegnehmen darf". Die Grünen schlagen deshalb einen anderen Finanzierungsweg vor: "Andreas Scheuer fragen, woher er immer die ganzen Milliarden genommen hat." Die FDP hingegen möchte "Subventionen auf den Prüfstand stellen, etwa für Arbeitslose, Kinder und andere, die der Gesellschaft seit Jahren auf der Tasche liegen".
Kriegsziele
Krieg ist neben Klima das Herzensthema der Grünen – deshalb haben sie schon eine lange Liste mit ihren Lieblingskriegszielen gemacht. Ob Kosovo oder Albanien, Mailand oder Madrid, Legoland oder Kaufland – die Partei will für alles offen sein, denn ein "Weiter so" darf es aus ihrer Sicht bei diesem Thema nicht geben. Die SPD hat jedoch ganz andere Vorstellungen. "Warum nicht mal Nordrhein-Westfalen angreifen? Da hätten wir leichtes Spiel und sofort ein Erfolgserlebnis", heißt es aus dem Willy-Brandt-Haus. Die FDP konzentriert sich unterdessen auf den Cyberspace. Als Digitalisierungspartei will sie zunächst bei Facebook, xHamster und Parship jeden blockieren, der sich nicht täglich zur NATO bekennt.
Verbote
Im Bundestagswahlkampf wurde noch ganz viel über Verbote gesprochen, doch bisher haben sich die drei Ampel-Parteien nicht darauf verständigen können, was sie denn tatsächlich verbieten wollen. Die SPD plädiert für die Junge Union, linke Spinnereien (wie die Abschaffung von Hartz IV) und Selfies, auf denen nur Grüne und FDPler zu sehen sind, aber niemand von der SPD. Die FDP will gute Ideen verbieten. Und die Grünen möchten jedem verbieten, daran zu erinnern, was die Partei im Wahlkampf versprochen hat.
Dimitri Taube