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Du siehst nur einmal – Der neue James Bond!
Nachdem der Starttermin 007-mal verschoben wurde, ist es diesen Monat endlich so weit: Der neue James-Bond-Film "Keine Zeit zu sterben" feiert nach zwei Jahren, in denen sehr viele Menschen genügend Zeit und Gelegenheit hatten, zu sterben, seine Premiere. Wie ist Bond nach der Pandemie so drauf? Finden aktuelle Diskurse Eingang in den Film? Und dauert das Ganze wirklich 2 Stunden und 45 Minuten, ich müsste so langsam mal aufs Klo? TITANIC liegen die wichtigsten Auszüge aus dem Drehbuch vor.
Szene 1
Beim MI6. Bond bekommt seine neusten Gadgets von Q präsentiert.
Q: Und in diesem Kugelschreiber befindet sich ein hochwirksames Nervengift. Das müssen Sie Ihren Gegnern bei Ihrer Gefangennahme nur irgendwie verabreichen. Vielleicht können Sie es denen in den Tee mischen, ins Gesicht spucken oder direkt in den Arm injizieren.
Bond (hat bis jetzt nicht zugehört, weil er damit beschäftigt war, drei Autos vor die Laborwand zu fahren, aus Versehen einen Praktikanten mit dem Laser zu treffen und sich durch den Schleudersitz eine Hirnerschütterung zuzuziehen): Was? Arm? Injizieren? Das kann ich nicht machen, ich stehe der Impfung kritisch gegenüber. (Pause) Huch, was sage ich denn da? Ich bin doch selbst bereits vierfach geimpft.
Q (schaltet Gedankenkontrollstrahler ab): So, hören Sie mir jetzt endlich zu? Dann muss ich so was auch nicht mehr einsetzen.
Bond (murmelt): Ja, tut mir leid. (direkt in die Kamera) Heutzutage muss man als Mann nicht nur gut Leute erschießen können, sondern auch zuhören und so. (wieder zu Q) Moment, was ist eigentlich meine Mission?
Q: Das ist doch geheim, Mister Bond. Haben Sie wieder nicht aufgepasst?
Bond: Ach, stimmt ja, sorry.
Szene 2
Außenansicht einer schönen Südseelandschaft. Palmen. Kokosnüsse. Frauen in Kokosnussbikinis auf Palmen. Bond läuft ermittelnd und pokernd herum.
Bond (spricht herumstehenden Touristen an): Entschuldigung, wissen Sie vielleicht, was meine Mission ist?
Tourist: Aber Herr Bond, das ist doch geheim.
Bond: Stimmt natürlich wieder. Na, dann vergnüge ich mich mal. (spricht sich sonnende Frau an) Na, Zuckermaus. Darf ich mich dazulegen? Oder sogar da drauf? Hahahahahaha (zwinkert)
Frau (ist sehr genervt und postet Bonds Aussagen auf Twitter)
Bonds Smartphone (erhält einige erboste Nachrichten von Feministinnen): Ding-ding!
Bond: Mensch, die Zeiten haben sich ja schon geändert. (direkt in die Kamera) Kulturkampf!
Szene 3
Bond steht in der Schlange vor dem Testzentrum, damit er wieder nach Großbritannien einreisen darf. Plötzlich fällt ein Schuss, die achtzigjährige Frau vor dem Agenten sinkt zu Boden.
Bond: Puh, dann galt das wohl nicht mir.
Scharfschütze von Gebäude aus dem Off: Nee, ich wollte schon Sie treffen! Mir tut mein Arm aber noch so weh von der Impfung vorgestern.
Bond: Bloody Hell! (verschanzt sich hinter einer Gruppe Schulkinder, die sich testen lassen will, um am Präsenzunterricht teilzunehmen, schlägt sie dann nacheinander alle zu Boden und rennt geduckt in die Richtung des Scharfschützens)
Gewehr des Scharfschützens: Peng!
Bonds Waffe: Peng!
Scharfschütze fällt vom Gebäude Bond vor die Füße.
Scharfschütze: Sie haben mich erschossen, röchel.
Bond (beschwichtigend): Nicht schlimm, ich habe dafür die Lizenz von der Queen.
Scharfschütze stirbt beruhigt.
Bond (sinnierend): Das habe ich aber gut und zugänglich erklärt. So toxisch männlich wie die Twittertanten meinen, kann ich also nicht sein.
Geht pfeifend ab.
Szene 4
Schlussszene, James Bond kommt angeschlagen und dezent blutend im Twitterhauptsitz an, sein Oberkörper eingeölt in Schweiß.
Dr. Cancelculture: Ah, Mister Bond, meine Algorithmen haben mir Ihr Kommen schon vorhergesagt. Allerdings hatten sie nicht einberechnet, wie oft Sie mit Ihrem Bondmobil stehen bleiben, um junge Frauen zu catcallen. Das erklärt Ihre Verspätung.
Bond: Aber jetzt bin ich ja da, Cancelculture! Gerade noch rechtzeitig, um Ihren teuflischen Plan zu verhindern. Moment, was ist eigentlich Ihr Plan, das haben Sie noch gar nicht erklärt?
Dr. Cancelculture: Doch, Sie haben nur nicht zugehört. Mein Plan ist, Sie und alle anderen weißen Männer zum Schweigen zu bringen. Für immer! Oder wenigstens mal für fünf Minuten, das wäre ja auch schon mal was.
Bond: Und dafür haben Sie ein globales Virus entwickelt? Was für ein krankes Spiel!
Dr. Cancelculture: Wie, Virus? Ich krieg hier wieder nichts mit, ey. Nein, ich habe alle jungen Menschen durch Hypnose mit der Foto-App ihrer Smartphones so programmiert, dass sie Ihnen bei jedem noch so kleinen Fehltritt gemeine Worte sagen oder Begriffe verwenden, die Sie nicht verstehen. Bis Sie mürbe werden und immer müder … Und dann wird es bald einen schwarzen James Bond geben! Oder eine Frau, das wäre doch auch mal was …
Bond (ganz ruhig und cool): Das werde ich niemals zulassen, Herr …
Dr. Cancelculture (unterbricht ihn): Ha! Nur, weil ich einen Doktortitel habe und mich mit Technik auskenne, denken Sie, ich sei ein Mann? Das ist Alltagssexismus. (fängt an zu zetern, steigert sich immer weiter rein) Macker, Sexisten, hegemonial …
Bond (entschuldigend): To be fair, ich habe aber auch nur Ihren Namen gelesen, ich sehe Sie ja gar nicht.
Dr. Cancelculture (ist von dieser Aussage so verwirrt, dass sie an einem Herzinfarkt stirbt)
Bond: Dabei ist das doch eigentlich ein klassischer Männertod. Sogar den nehmen sie uns …
Bond verlässt das Twitterhauptquartier, erschießt nebenbei 350 Handlanger, verschont jedoch drei Assistentinnen, die aus Dankbarkeit mit ihm schlafen.
Bond: Oh yeah!
Ende.
Laura Brinkmann