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Das Ende des Grauens

Eine Zäsur zeichnet sich bei der farblichen Gestaltung des Wohnraums ab. Die bisherige Trend-"Farbe" Grau, hierzulande seit jeher vorherrschend im Außenbereich, am Himmelsrund und am Stadtrand mit seinen trostlosen Trabantenstädten, verschwindet langsam, aber sicher aus Durchschnittsdeutschlands Homeoffice-Höllen, auch "Wohnungen" genannt. 

Im alles mitreißenden Fluss des Mainstream durchseuchte die graue Pest nach und nach die Stallungen der germanischen Herde, von den Computern über die Möbel bis zu den alpinagrauenvollen Tapeten. Doch das ist lange her, stammt aus grauer Vorzeit, vor Corona. Und so hat das Gute noch einmal eine Chance in dieser pandemie- wie unwettergeplagten staubgrauen Dreckswelt bekommen! Dereinst von einem farbenblinden Innenarchitekten aus dem Breisgrau zu enormer Popularität gepusht, empfindet eine zunehmende Anzahl Menschen das leicht zu kombinierende Grau mehr und mehr als abtörnend. Viele Insassen des Landes saßen coronabedingt schließlich länger in ihren ergrauten Butzen, als ihnen lieb war. Ab der Abenddämmerung, wenn Vati von seinem öden Nine-to-five-Bürojob, ausgeführt in einer grauen Bürowabe samt farblich dazu abgestimmtem Rollcontainer, Schreibtisch und Rechner darauf, endlich nach Hause kam, um auf der graumelierten Couch stante pede einzuratzen, war ihm das naturgemäß (Dunkelheit) bisher nicht aufgefallen, wie trostlos doch die Sofamondlandschaft um ihn herum aussah. 

Ein Bild aus bald schon grauer Vorzeit: typischer deutscher Esszimmer-Fußbodenbelag

"Nachts sind schließlich alle Katzen grau, sorry, schwarz, wie es so schön heißt", erklärt Florence Gray, Farbkuratorin aus London. Doch der Krise könne auch etwas Positives abgewonnen werden: Die während der Pandemie verhängten Kontaktbeschränkungen hätten dazu geführt, dass die Leute wenigstens nicht im Übermaß mit der traurigen Tatsache konfrontiert wurden, dass der allgegenwärtige Ikea-Wohnschrott mittlerweile fast jegliche Autonomie bei der Gestaltung des eigenen Zuhauses abgetötet habe, seufzt sie. Doch ergeben sich auch ganz praktische Problem aus der Sache. Ergraute ältere Semester, die zu allem Überfluss auch noch graue Klamotten (neben dem unvermeidlichem, weil offensichtlich für diese Altersgruppe gesetzlich vorgeschriebenem Beige) bevorzugen, werden so von ihrer Partnerin, ihrem Partner, Kindern, Enkeln oder Graupapageien oft erst nach stundenlangem Suchen – wenn überhaupt – in der eigenen Behausung aufgespürt, etwa auf einer Sitzgelegenheit aus Stuhlbeton oder auch am Fenster, z.B. beim Betrachten der grauen Vorstadtstraße im Morgengrauen. Dass die Pandemie den schon fest zementiert geglaubten Trend zum Grau umzukehren vermochte , dürfte demnach mehr als nur graue Theorie sein. So mancher Hobbykoch achtet seuchenbedingt nun verstärkt auf gesunde Ernährung. Da brutzele nun ein Kessel Buntes auf dem Herd, gerne gewürzt mit grünem statt schwarzem Pfeffer, wo man sich früher nur eine fett mit Butter bestrichene Graubrotstulle reingehauen hat, meint ein Fernsehkoch mit grauem Zwirbelbart.

Dem Sog des Grau konnte sich kaum einer entziehen, es sei denn, er oder sie arbeitete im Bällebad des eingangs erwähnten Einrichtungshauses, im Gartenparadies, im Rotlichtviertel, oder war einfach nur ein farbloser Betonkopf, so Farbkuratorin Gray. Grau ist zwar zeitlos und irgendwie schick, aber nach den endlosen Lockdowns wünschen sich offensichtlich immer mehr Menschen ein kuscheligeres, plüschigeres, einfach gemütlicheres, gerne auch erdig bis schlammiges Interieur. Bei letzterer Variante hat sicherlich auch die Flutkatastrophe für Inspiration gesorgt. Da spielt ein gewisser Gruselfaktor mit hinein, vermuten Psychologen. "Seht her, wir sind zurückgekehrt in den Schoß von Mutter Boden Erde, aber es stinkt nicht und ist trocken!" Urlaubsrückkehrer aus dem Mittelmeerraum holen sich die Außenwelt der Urlaubsregionen jetzt mit in Glutrot oder Feuerorange gestrichenen Tapeten in die eigenen vier Wände zurück. "Na ja, an die graue Asche will ja auch keiner erinnert werden", erzählt ein Vertreter aus der Reisebranche voll schwarzem Humor. Doch die Geschmäcker sind verschieden. So bevorzugen Alkoholiker oftmals Farben wie Weinrot oder Eierlikör, haben den Grauburgunder schnell aufgesüffelt.

Erst verschwanden die Grauen Panther, als nächstes verschwindet der graue Star und zuletzt das gute alte Oma-Haar

Während Familien mit Kindern jetzt meist zu allen Farben des Regenbogens griffen, erklärt Gray. Übrigens, macht sie am Ende Mut, brauche man gar nicht einen Haufen Geld zu investieren, um das triste Grau um einen herum ein wenig erträglicher zu machen. "Hängen Sie doch einfach mal die von Ihnen als misslungen abqualifizierten 'Machwerke' Ihrer Brut auf. Hässlicher als ein Millionen Arztpraxen und Großraumbüros verschandelnder Kunstdruck von Miró aus dem Baumarkt ist das auch nicht", lacht sie. Aber eigentlich sei es auch beinahe egal. Die meisten hätten ohnehin keinen Geschmack, wären also mit grau ganz gut bedient gewesen. Ein geklautes rotoranges Kissen aus der Außengastronomie könne da schon einen herrlichen Akzent setzen. Dasselbe bewirke eine Lampe in Knallgelb, dann müsse man aber aufpassen, z.B. bei lärmempfindlichen Nachbarn, warnt sie. Wer vorsichtig ist, der richtet sich nach der Maxime: "My home ist my Pastel!" Und für die ganz faulen Einrichtungsmuffel reichen vielleicht schon grün gefärbte Haare, ein hellblauer Bademantel und ein paar Spiegel, um sich nicht mehr so elend zu fühlen. Also, kein Grund, Schwarz zu sehen!

Burkhard Niehues

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg