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Bezos in Rente: "Endlich Steuern sparen nur für mich!"

Monopolbildung, Steuervermeidung, Ausbeutung: All das hatte er stets sofort lieferbar auf Lager. Nun tritt Jeff Bezos als Vorstandschef von Amazon ab. Im TITANIC-Interview berichtet er von seinen Plänen als Prime-Rentner und erstellt für sein bisheriges Leben eine Kundenrezension.

TITANIC: Vielen Dank, Herr Bezos, dass Sie uns dieses Interview ermöglichen! 

Bezos: Ich bin mittlerweile so reich, dass ich es mir sogar leisten kann, mit Leuten wie Ihnen Zeit zu verplempern.

TITANIC: Ihre Offenheit bewerten wir schon mal mit fünf Sternen. Blicken wir kurz zurück: Es geschah 1994 in einer Garage in Seattle … 

Bezos (unterbricht): Ich erinnere mich gut: der Selbstmord von Kurt Cobain.

TITANIC: Wir meinten Ihre Gründung von Amazon. 

Bezos: Ach so! (lacht) Ja, das war auch schlimm.

TITANIC: Nun geben Sie heute, am 5. Juli, genau 27 Jahre später, den Vorstandsvorsitz ab. Bereits Pläne für die Zeit danach? 

Bezos: Was man halt so macht in der Rente mit 57 – gärtnern, spazieren gehen, mit der eignen Rakete zum Mond fliegen. Auf was ich mich jedoch am meisten freue: Endlich nur noch ganz privat und ausschließlich für mich Steuern sparen! 

TITANIC: Gutes Stichwort! Ist es nicht ein Skandal, dass Amazon trotz riesiger Gewinne in der EU wieder keinen Cent Steuern zahlt? Nach Ihrem Rückzug können Sie es ja frank und steuerfrei zugeben.

Bezos: OMG! Jedes Jahr der gleiche Schmarren, wie wir in Seattle sagen. Es stimmt, wir haben in Europa 44 Milliarden Euro Umsatz gemacht. Eine Rekordsumme, die so nicht mal auf meinem Amazon-Wunschzettel stand … Doch zieht man die Kosten ab, bleibt ein Verlust von 1,2 Milliarden Euro.

TITANIC: Wegen eines Tricks: Sie berechnen den europäischen Amazon-Zentralen überhöhte Kosten für die Nutzung von Lizenzen oder Software.

Bezos: Überhöhte Kosten? Sie haben den freien Markt nicht verstanden: Angebot und Nachfrage. Wir bieten das zu dem Preis an und es wird gekauft.

TITANIC: Ja, nur halt von Ihnen selbst.

Bezos: Wenn ich da ein Sonnen-Kunde-ist-König-Zitat vom Warenstapel lassen darf: Der Markt bin ich! Und außerdem macht den Finanzfirlefanz sowieso mein persönlicher Assistent: Alexa.

TITANIC: Alexa macht Ihre Steuererklärung?

Bezos: Natürlich! Ihre nicht? Sagen Sie einfach: "Alexa, wie spare ich sämtliche Steuern in der EU?" Und zack: Es erklärt, wie. Oder macht das Licht aus, wenn die Order wieder falsch verstanden wurde. Jedenfalls ist alles ganz legal.

TITANIC: Legal schon, aber ist es – grade in Zeiten einer Pandemie – moralisch vertretbar? 

Bezos: Mein innerer Algorithmus sagt mir: Kunden, die solche Fragen stellen, kaufen auch "Das Kommunistische Manifest". Das es bei uns übrigens sehr billig und sofort lieferbar gibt.

TITANIC: Sie wurden nicht bloß für Ihre Steuerpraktiken kritisiert, sondern auch für den schlechten Umgang mit Ihren Mitarbeiter:innen. Der Internationale Gewerkschaftsbund wählte Sie sogar zum "Schlimmsten Chef des Planeten".

Bezos: Eine sehr schöne Auszeichnung! Die hängt heute auf einem Ehrenplatz in meiner kürzlich gekauften, 127 Meter langen Super-Yacht. Ich hab mir den Titel nämlich auf eine Plakette, die Amazon-Lagerarbeiter mit bloßen Händen aus alten Regalteilen schmieden mussten, mit dem Angstschweiß meiner Angestellten einätzen lassen. Aber was meinten Sie genau mit "schlechtem Umgang mit Mitarbeiter:innen"?

TITANIC: Vergessen Sie’s.

Bezos: Schon passiert!

TITANIC: Wie wird es ohne Sie mit Amazon weitergehen?

Bezos: Alles wird noch smarter werden. Unser erster, komplett bargeldloser Supermarkt ist das perfekte Beispiel. Da geht man einfach ins Geschäft, nimmt, was man braucht, und huscht wieder raus. Draußen wird man von einer Security gefilzt und alle gefundenen Produkte werden in Rechnung gestellt. Samt einer Anzeige wegen Ladendiebstahls natürlich. Dieses Modell des bargeldlosen Supermarktes ist allerdings erst ein Prototyp. 

TITANIC: Da dürfen wir uns also auf ganz tolle Sachen freuen. Herr Bezos, alles Gute für Ihren Ruhestand und vielen Dank für das Gespräch!

Bezos: Bitte. Und vergessen Sie die am Anfang versprochene Fünf-Sterne-Bewertung nicht!

 

Jürgen Miedl

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Briefe an die Leser

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg