Artikel
Ein Klang wie blubbernde Bratensoße – Die neuen E-Autogeräusche sind da!
Knack, bumm, pfpfpfpppfpfpf! Seit diesem Monat ist es verpflichtend, dass auch E-Autos Lärm machen, um sich neben ihren Diesel- und Benzinerkollegen nicht minderwertig zu fühlen. Und wahrscheinlich auch, damit Leute nicht so einfach überfahren werden. Ja, doch, das könnte es auch sein. Doch wo kommen die Geräusche eigentlich her? Zu Besuch bei einer Sounddesignerin für E-Autos.
"Ding-Dong", macht die Klingel von Sabine Schnapp, was erstmal ziemlich enttäuschend ist. Kurz darauf macht Frau Schnapp selbst "Hallo!", auch das ist eher ein langweiliges, vorhersehbares Geräusch. Unsere Aufmerksamkeit erregt erst ihre Katze, als wir ihr "aus Versehen" auf den Schwanz treten und sie interessant aufjault. "Sie haben da ein völlig falsches Bild von Sounddesign", erklärt uns Schnapp, während sie dem verletzten Tier hinterhersprintet. "Meistens geht es nicht darum, besonders aufregende oder kreative Geräusche zu entwickeln, sondern solche, die die Hörnote vertrauenserweckend haben. Oder zupackend-pragmatisch. Oder Holunder-Bärlauch-Gentrifizierung."
Während wir uns noch vorstellen, wie Gentrifizierung klingt ("Aaargh, warum ist meine Miete plötzlich so hoch!"), ist die Synästhetikerin schon einen Schritt weiter und erklärt, wie denn nun die E-Autos klingen sollen. "Das ist von Kundin zu Kunde unterschiedlich, das hängt ganz von der Trommelfellausrichtung ab. Manche wünschen sich, dass ihr Auto klingt wie ein Motorrad. Große Lärmbelästigung für die Mitmenschen bei geringer Wahrscheinlichkeit, brutal zu Tode gequetscht zu werden. Sowas mögen die Deutschen." Andere bevorzugen eher einen vintage approach (Marketingheinis) und wollen, dass ihr E-Auto wiehert und mit den Hufen klappert. Doch wie designt Schnapp bitte Pferdegeräusche in ihrem Studio? "Kennen Sie 'Die Ritter der Kokosnuss'? Da hat mein Onkel als Statist mitgespielt und ziemlich gut verdient. Da er letztens an einem Herzfehler gestorben ist, konnte ich mit dem Erbe zwei Pferde kaufen, die Rückwand meines Studios aufbrechen und ihnen dort ein Mikrofon vor die Nüstern halten", erklärt Schnapp ihre erstaunlich umständliche Arbeitsweise.
Doch was ist, wenn Kunden ganz ausgefallene Wünsche haben und wollen, dass ihr Auto wie die Niagarafälle klingt? Oder wie blubbernde Bratensoße? Oder wie Til Schweiger? Oder wie der erste Tag der Sommerferien? Oder … "Moment, Moment!" unterbricht uns Schnapp. Die Kunden hätten dann meistens doch nicht so seltsame Ideen, erklärt sie sehr langsam und ruhig. Den meisten würde es reichen, wenn ihr Auto einfach sehr laut und schrill piept. Das sei zwar nervenzehrend, aber die E-Autofahrer trösteten sich damit, dass es für die anderen ja auch sehr nervig sei. "Die Niagarafälle sind als Autosound aber keine so gute Idee. Dafür gibt es einfach nicht genug Raststättentoiletten. Und Til Schweiger ist ziemlich einfach. Den muss man bloß anrufen und dann seinen Anrufbeantwortertext aufnehmen. Und schon hat man ein Auto, das sagt: 'Hallo, hier ist der Anrufbeantworter von Til Schweiger. Gerade bin ich nicht da, weil ich einen sehr mittelmäßigen Film drehe. Versuchen Sie es doch später nochmal oder reden Sie halt mit meinen Kindern.' Das klingt erstmal gut, ist aber auch nervig, wenn das in Ihrer Straße drei, vier Autos haben …"
Und welche Geräusche mag sie am liebsten? "Mein Favorit war lange Zeit 'Yogakurs im Schweigekloster'. Nach der Verwendung mussten wir aber reihenweise Omas von den Kotflügeln kratzen, dann haben wir das doch erstmal gelassen. Jetzt höre ich am liebsten einfach eine Aufnahme der Gebärdensprach-AG der örtlichen Volkshochschule." Wir bedanken uns herzlich für die Informationen und machen uns auf den Heimweg. An der Haustür lauert uns die Katze auf. Aus der Ferne nimmt Schnapp unsere Schreie auf.
Laura Brinkmann