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Hollo Bollo bizarr mit Bosbach & Rach

Seit Oktober sind sie die Shootingsstars am Podcasthimmel: Wolfgang Bosbach und Christian Rach mit ihrem Kölner-Stadtanzeiger-Original "Bosbach & Rach – Die Wochentester". TITANIC hat die beiden bei der Aufnahme besucht.

Deutschlands beliebtester Klartext-Politiker, Preisträger verschiedener Karnevalspreise ("Ritter der Freunde", "Das goldene Hausverbot") und Deutschlands beliebtester Lederjackenkoch haben einen Podcast. Jeden Freitag um 7 Uhr werfen Bosbach und Rach einen kritischen Blick in die Politiktöpfe der Republik und ramschen dunkle Meinungseckkneipen aus. Unzählige Folgen gibt es bereits, und es sollen noch mehr werden. 

"Die beste Ablenkung von der Krise ist eine Krise selbst", lacht Rach, während er uns mit brennender Kochmütze Einlass in die heiligen Aufnahmehallen der Wochentester gewährt. "Wir nehmen immer in einem anderen Restaurant auf, was der Rach kaputt saniert hat", lacht Bosbach. Dabei klopft er Rach freundschaftlich auf die Schulter. Die beiden wirken wie zwei alte Freunde, die sich schon lange zu hassen gelernt haben. Das Licht ist gedimmt, es riecht nach Kerbel, Butter, Safran und nach starken Meinungen mit viel Wortwitz, wie ihn nur Männer um die 50 haben. Rach und Bosbach scheinen bereit zu sein. Gleich werden sie das Geheimrezept ihres Erfolgspodcasts offenbaren. Es geht los. Rach nimmt auf einem Thron aus Polenta und Koteletts platz: "Schön schlotzig", gibt er uns zu verstehen. Der Thron sei Teil der Vertragsverhandlungen gewesen. 

"Die Wochentester" ist kein gewöhnlicher Podcast. Wir treffen nicht etwa nur alte weiße Männer, die lapidar ihre Meinung in die Welt hinaus blasen. Wir treffen alte weiße Männer, die dies in besonderer Verbundenheit zu einer konformistischen Rebellion und galoppierendem Konservatismus tun. Vor jeder Aufnahme pflegen die beiden ein Ritual. Rach reibt bedächtig den entkleideten Körperkörper von Bosbach mit einer öligen Flüssigkeit ein. Schließlich widmet er sich sanft seinem Gesicht. "Ein gutes Stück Fleisch braucht Würze, Ruhe und eine zarte Hand", sagt uns Rach. Mit dem orangenem Sud salbt er den ältlichen Körper von Bosbach, der laut eigener Angabe so seine ewig währende Sommerbräune behält

Das von der Öffentlichkeit bisher weitgehend unbeachtete Format lebt von seinen Gästen. Mit Sympathieträgern wie Ingo Appelt und Jan Fleischhauer wird der Wochenausklang ein wahres Erlebnis für Ohren und Geist. Bosbach schalmeit uns entgegen: "Also wir wollen schon unbequem sein, richtig nervig, das Haar in der Suppe, die Made im Mehl, der abgetrennte Finger in der Wurst. In der Politik würden wir auch sagen ..." Rachs Gesichtsausdruck oszilliert zwischen Stolz und Verzweiflung, als er Bosbach unterbricht. Es wird heute nicht das letzte Mal sein. Der Aufnahmeleiter schlängelt sich durch den Türspalt: "Also das Ziel war es, einen Podcast zu machen, der sich anfühlt wie ein Restaurantbesuch. Edle Weine, gutes Essen, alles passt. Aber dann kommt der Kellner und fragt, ob am Tisch noch Platz für zwei weitere Gäste sei. Das sind dann der Christian und unser Wolli hier." Die Aufnahme beginnt. Rach holt eine kleine Vorrichtung heraus, während es am anderen Ende läutet. Schnell und heiß wird uns das Hauptmenü serviert. Rach greift zum Telefonhörer. Alsbald erklingt ein schwäbisches Stimmchen. Boris Palmer ist dran. Palmer redet und redet. Rach holt derweil einen Sack Rinderlungen hervor, zerhackt diese und formt daraus Knödel. Bedeckt mit Blut und zerhackten Eingeweiden beginnt er Palmer zu bearbeiten. Wir werden Zeuge, wie im toten Winkel der Öffentlichkeit die Geschichte der BRD geschrieben wird. Immer wieder wird Palmer in Richtung Kanzlerkandidatur gedrängt. Fast hätten wir es Rach und Bosbach zu verdanken gehabt, dass es sich Palmer mit der Kanzlerkandidatur noch einmal anders überlegt. 

Spontaneität und Scharfsinn sollen das Format prägen. "Wenn wir den Bosbach erst einmal von der Leine gelassen haben ...", lacht uns Rach entgegen. "Von der Leine, wissen Sie, wie einen Hund, der beißt und deswegen festgebunden werden muss, haha, so wild bin ich. Ich beiße mich sonst fest, deswegen die Leine", fährt Bosbach fort. Rach räuspert sich freundlich. Kaum sichtbar wirft er Bosbach einen Lungenknödel in den Mund. "Der wahre Witz und Unterhaltungswert ergibt sich daraus, dass wir unsere Fragen fast ohne Stolperer ablesen können", sagt uns Rach begeistert, den Blick starr auf einen ausgedruckten Zettel gerichtet. Bosbach reißt ihm den Zettel aus der Hand und schreit: "Hey hey hey!" Die Stimmung kocht. Bosbach ist der Alleskönner des Formats. "Ein lebendiger Thermomix", wie Rach ihn nennt. Wir verabschieden uns. Die Aufnahme hinterlässt Eindruck und das Fazit fällt positiv aus. Bei Foursquare werden wir auf Bitte von Rach hin folgende Rezension schreiben: "Sollte sich die Woche für Sie wie ein Tapir-Ritt durch einen U-Bahntunnel, bei dem Sie sich schreiend selbst auflösen, anfühlen, geben 'Die Wochentester' Halt und Orientierung. Wer 'Bosbach und Rach' googlet, findet wertvolle Tipps über Rasselgeräuschminimierung von Küchenmaschinen. Keine Ursache."

Jessica Ramczik

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Lieber Fritz Merz,

im Podcast »Hotel Matze« sagst Du, dass Du in Deutschland große Chancen bekommen hättest und etwas zurückgeben wolltest. Jawollo! Wir haben da direkt mal ein bisschen für Dich gebrainstormt: Wie wär’s mit Deinem Privatjet, dem ausgeliehenen vierten Star-Wars-Film oder dem Parteivorsitz? Das wäre doch ein guter Anfang!

Wartet schon ganz ungeduldig: Titanic

 Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Du warst der jüngste TITANIC-Chefredakteur aller Zeiten. Du warst der Einzige, der jemals eine klare Vorstellung davon hatte, wie das ideale Heft aussehen musste, und hast immer sehr darunter gelitten, dass sich Deine Utopie nur unzureichend umsetzen ließ. Aus Mangel an Zeit und an Mitarbeiter/innen, die bereit waren, sich Nächte um die Ohren zu schlagen, nur um die perfekte Titelunterzeile oder das richtige Satzzeichen am Ende des Beitrags auf Seite 34 zu finden.

Legendär der Beginn Deiner satirischen Tätigkeit, als Du Dich keineswegs über einen Abdruck Deiner Einsendung freutest, sondern Robert Gernhardt und Bernd Eilert dafür beschimpftest, dass sie minimale Änderungen an Deinem Text vorgenommen hatten. Das wurde als Bewerbungsschreiben zur Kenntnis genommen, und Du warst eingestellt. Unter Deiner Regentschaft begann die Blütezeit des Fotoromans, Manfred Deix, Walter Moers und Michael Sowa wurden ins Blatt gehievt, und manch einer erinnert sich noch mit Tränen in den Augen daran, wie er mal mit Dir eine Rudi-Carrell-Puppe vor dem iranischen Konsulat verbrannt hat.

Nach TITANIC hast Du viele, die ihr Glück weder fassen konnten noch verdient hatten, mit Spitzenwitzen versorgt und dem ersten deutschen Late-Night-Gastgeber Thomas Gottschalk humortechnisch auf die Sprünge geholfen. Und dass River Café, eine deutsche Talkshow, die live aus New York kam, nur drei Folgen erlebte, lag bestimmt nicht an Deinen Texten. Auf Spiegel online hieltest Du als ratloser Auslandskorrespondent E. Bewarzer Dein Kinn in die Kamera, und gemeinsam mit Tex Rubinowitz hast Du das Genre des Listenbuches vielleicht sogar erfunden, auf jeden Fall aber end- und mustergültig definiert, und zwar unter dem Titel: »Die sexuellen Phantasien der Kohlmeisen«. Und diese eine Geschichte, wo ein Psychiater in ein Möbelhaus geht, um eine neue Couch zu kaufen, und der Verkäufer probeliegen muss, wo stand die noch mal? Ach, in der TITANIC? Sollte eigentlich in jedem Lesebuch zu finden sein!

Uns ist natürlich bewusst, dass Du auch diesen Brief, wie so viele andere, lieber selber geschrieben und redigiert hättest – aber umständehalber mussten wir das diesmal leider selbst übernehmen.

In Liebe, Deine Titanic

 Gemischte Gefühle, Tiefkühlkosthersteller »Biopolar«,

kamen in uns auf, als wir nach dem Einkauf Deinen Firmennamen auf der Kühltüte lasen. Nun kann es ja sein, dass wir als notorisch depressive Satiriker/innen immer gleich an die kühlen Seiten des Lebens denken, aber die Marktforschungsergebnisse würden uns interessieren, die suggerieren, dass Dein Name positive und appetitanregende Assoziationen in der Kundschaft hervorruft!

Deine Flutschfinger von Titanic

 »Welt«-Feuilletonist Elmar Krekeler!

»Friede eurer gelben Asche, Minions!« überschrieben Sie Ihre Filmkritik zu »Ich – einfach unverbesserlich 4«. Vorspann: »Früher waren sie fröhliche Anarchisten, heute machen sie öde Werbung für VW: Nach beinahe 15 Jahren im Kino sind die quietschgelben Minions auf den Hund gekommen. Ihr neuestes Kino-Abenteuer kommt wie ein Nachruf daher.«

Starkes Meinungsstück, Krekeler! Genau dafür lesen wir die Welt: dass uns jemand mit klaren Worten vor Augen führt, was in unserer Gesellschaft alles schiefläuft.

Dass Macron am Erstarken der Rechten schuld ist, wussten wir dank Ihrer Zeitung ja schon, ebenso, dass eine Vermögenssteuer ein Irrweg ist, dass man Viktor Orbán eine Chance geben soll, dass die Letzte Generation nichts verstanden hat, dass Steuersenkungen für ausländische Fachkräfte Deutschlands Todesstoß sind und dass wir wegen woker Pronomenpflicht bald alle im Gefängnis landen.

Aber Sie, Elmar Krakeeler, haben endlich den letzten totgeschwiegenen Missstand deutlich angesprochen: Die Minions sind nicht mehr frech genug. O tempora. Titanic

 Grüß Gott, Markus Söder!

Weil der bayerische AfD-Chef Sie wiederholt »Södolf« genannt hat und Sie ihn daraufhin anzeigten, muss dieser Ihnen nun 12 000 Euro wegen Beleidigung zahlen. Genau genommen muss er den Betrag an den Freistaat Bayern überweisen, was aber wiederum Ihnen zugutekommt. Ebenjener zahlt Ihnen ja die Honorare für freie Fotograf/innen, von denen Sie sich bei öffentlichen Anlässen gern begleiten und ablichten lassen. Im Jahr 2022 sollen sich die Kosten auf stolze 180 000 Euro belaufen haben.

Vorschlag: Wenn es Ihnen gelingt, die Prasserei für Ihr Image komplett durch Klagen gegen AfD-Mitglieder querzufinanzieren, stoßen wir uns weniger an Ihrem lockeren Umgang mit öffentlichen Geldern.

Drückt vorauseilend schon mal beide Augen zu: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster