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"Bei den Incels würde ich nicht Nein sagen" – Horst Mahler im Exklusivinterview

Vor 14 Tagen wurde der einstige RAF-Mitbegründer und bekennende Neonazi Horst Mahler aus der Haft entlassen. Zeit für ein Interview über rosige Zukunftsträume, Fidget Spinner und Peinlichkeiten in der eigenen Bio.

TITANIC: Herr Mahler, seit zwei Wochen sind Sie wieder auf freiem Fuß, nach zehn Jahren Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg. Wie fühlt sich das an?

Mahler: Nun ja, die ersten Tage irrte ich kopflos umher wie der Ex-Häftling Franz Biberkopf in Döblins „Berlin Alexanderplatz“. Inzwischen fühle ich mich aber eher wie sein Widerpart Reinhold: aufgeweckt und diabolisch, zu allen Schandtaten bereit, falls Sie mir überhaupt literarisch folgen können und so belesen sind wie ich. 

TITANIC: Und wie geht es jetzt weiter? Wo sehen Sie sich im Jahr 2020, 2021?

Mahler: Das frage ich mich gerade auch. Die Gegenwart ist ja auch nicht mehr das, was sie 2010 oder 1936 war. Ich habe in der vergangenen Dekade so einiges verpasst: den beängstigenden Aufstieg von Robert Habeck, die G20-Krawalle und den endgültigen Niedergang der FDP. Ich bin neugierig auf die neue Welt, vor allem dieses lustige Social Media. Ich brauche einen Telegram-Account, drei knallfarbene Fidget Spinner und eine URL ins Darknet, um an die Jetztzeit anzudocken. 

TITANIC: Apropos andocken, Sie waren ja bereits in verschiedensten radikalen Gruppierungen aktiv, darunter so unterschiedliche wie die RAF und die NPD. Wo mischen Sie als nächstes mit?

Mahler: Gute Frage, nächste Frage! An Angeboten ist kein Mangel. Die Corona-Leugner täten mir gefallen, da tummeln sich auch viele Ex-Kumpanen aus der NPD. 

TITANIC: Sie leugnen ja überhaupt sehr gern, zum Beispiel den Holocaust.

Mahler: Welchen Holocaust?

TITANIC: Herr Mahler ...

Mahler: Oder ich werde Islamist. Das wäre noch mal ein Presse-Coup. Salem aleikum! Inschallah! Und dann pilgere ich in den Islamischen Staat. Gibt’s den eigentlich noch? In Osnabrück sollen jetzt deutschsprachige Mullahs ausgebildet werden, hörte ich (lacht). Gibt es eigentlich noch Osnabrück? Ich könnte mich auch den Feminazis anschließen, den Porridge-Freaks oder dem Katholizismus. Aber auch die putzigen Irren von „Extinction Rebellion“ haben ordentlich Wumms. 

TITANIC: Gemach, gemach. Sie sind jetzt 84 Jahre alt und könnten auch einfach mal den Fuß hoch ...

Mahler: … oder die frechen Incels! Obwohl ich bei der Damenwelt noch immer gut ankomme (rollt sein Hemd hoch, zeigt Bisswunden weiblicher Mitinhaftierter). Nur die Grünen wären mir zu krass. Bei den Tierrechtlern hingegen könnte ich mal vorbeischauen. Als Anwalt nehmen die mich mit Kusshand. Das wäre ein letztes hübsches Highlight in meiner Bio.

TITANIC: Sie meinen, in Ihrem wirren „Zickzack-Lebenslauf“, wie Personaler gerne sagen. Der strotzt ja nur so vor Kehrtwenden und Willkürentscheidungen.

Mahler (beleidigt): Willkür? Das weise ich entschieden zurück. Es gibt seit Jahrzehnten den einen roten Faden in meinem Wirken, das alles einende Band. Ich sage nur, Antisemitismus! 

TITANIC: Wenn man fragen darf, warum muss bei Ihnen eigentlich immer alles so radikal sein?

Mahler: Ich liebe nun mal alles, was extrem ist, von Extremitäten bis Extremsport: Base Jumping, Downhill-Biking, Tischtennis. Ganz oder gar nicht, schwarz oder weiß, böse oder sehr böse. Wer nicht aneckt, spürt seine Fesseln nicht! Und sehen Sie meinen Ex-Tremor? (zeigt seine zitternde linke Hand) Ein Relikt aus dem Knast.

TITANIC: Sie könnten sich doch jetzt auch ins Privatleben zurückziehen, einen dezenteren Lebensstil pflegen.

Mahler: Stimmt. Vielleicht gründe ich eine Palmölplantage in Vorpommern. Oder ich verdinge mich als Leihopa, bei einer netten Reichsbürgerfamilie. Ich könnte auch als Manfred-Krug-Double über Hochzeiten und Firmenfeiern tingeln, wenn diese lästige Pandemie endlich vorüber ist. Ach, ich kann mich nicht entscheiden! Ich habe eben nicht nur eine „multimorbide Krankheit“, wie die Ärzte sagen, sondern auch eine multimorbide Gesinnung. Der immense Markt der Möglichkeiten bringt mich noch ins Grab. „Decision fatigue“ nennen das die Franzosen, wussten Sie das? Deshalb will Netzflix dort jetzt ein festes, analoges Programm einführen. Moment, was ist überhaupt Netflix?

TITANIC: Jetzt mal Hand aufs Herz. Gibt es denn gar nichts in Ihrem Leben, was Sie im Nachhinein bereuen?

Mahler: Oh doch. Es ist mir ein wenig peinlich … Wussten Sie, dass ich mal in der SPD war? In den Fünfzigerjahren. Asche auf mein kahles Haupt, jeder kann sich mal irren. Jetzt muss ich übrigens rasch weiter, ich habe noch ein Presse-Brunch mit FAZ, „Bild“ und „Walden“. By the way (zupft versonnen an seinem Vollbart), hätte ich auf meine alten Tage noch das Zeug zum Hipster?

TITANIC: Na, dann gehen Sie mal. Eilende soll man nicht aufhalten. Tschüs dann. 

Mahler (sauertöpfisch): Sonst sagen Sie aber immer: Wir danken Ihnen für das Gespräch!

TITANIC: Na gut. Danke. 

Mahler: Haha, war nur ein Witz. Lassen Sie sich von einem alten, weißen Antisemiten doch nicht alles vorschreiben. Tschü-hüs!

 

Ella Carina Werner

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Briefe an die Leser

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt