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Gib mir die Hand – ein Abend mit Nena

Am Montag hatte das NDW-Urgestein seine Autokino-Premiere: Beim Konzert in Stuttgart prasselten Konfetti, Regen und Aerosole um die Wette. Wir waren dabei!

Stulpen, Zauberwürfel, Kalter Krieg und Oli Geissen: Das waren die 80er. Doch es war auch das Jahrzehnt der Neuen Deutschen Welle und ihrer schillerndsten Persönlichkeit: Frank Farian. Und auch Nena war damals supererfolgreich. Die mittlerweile 60jährige Musikerin hielt es nach einigen auftrittslosen Monaten nicht mehr aus in ihrem Hamburger Häuschen und wollte wieder raus, zu ihren Fans, trotz Corona, trotz allem. Dank Autokino wurde ihr Wunsch und der von ein paar Dutzend Menschen wahr – sofern sie Fans von Nena sind und auf das Konzert gegangen sind.

Presseakkreditierungen gab es leider nicht, zumindest nicht für uns, aber für ein Rücksitzticket von ein paar hundert Euro ist man dabei (Vordersitze etwas teurer, Kofferraum erheblich günstiger, Wegbleiben umsonst). Wir machen es uns mit einer Flasche Crémant und einer Flasche zum Urinieren im hinteren Drittel des Areals gemütlich. Über das Radio empfangen wir die Musik. Die Songs gefallen uns sehr gut, wir wippen hin und her, singen lautstark mit, sind textsicher, die Stimmung ist ausgelassen. So viel Spaß hatten wir schon lange nicht mehr. Nach einer halben Stunde entscheiden wir uns, jetzt aber mal dem Konzert zu lauschen und stellen auf die Autokino-Frequenz um. Nena hat noch gar nicht angefangen. Stattdessen spricht erstmal eine Moderatorin. Sie dankt den Menschen fürs Kommen und möchte auf die Hygieneregeln hinweisen. Als sie Nenas Namen erwähnt, kommt diese auf die Bühne gestürmt, schlägt die Moderatorin brutal zusammen und kickt sie von der Bühne. Beeindruckend, wie fit unsere Wende-Nena noch ist. Am nächsten Morgen wird der Vorfall als "Die Schande von Stuttgart" durch die sozialen Medien gehen.

Doch zurück zu dem Konzert. "Hast du etwas Zeit für mich? Dann singe ich ein Lied für dich", stimmt Nena ihren Klassiker von 1983, 1989, 1996, 2002 und 2011 an. Aber Nena wäre nicht Nena, hätte sie nicht auch im Jahre 2020 eine neue Version anzubieten. Heute gibt sie eine Cloudrap-Version zum Besten. Eine Frau, die immer am Puls der Zeit bleibt und ihre Frisur trotz biblischen Alters (60 Jahre) pflegt. Das Klingeln der Corona-Apps von allen Seiten fügt sich gut in den modernen Beat ein. Während der zwölften Strophe geht sie sogar durch die Reihen, um High Fives und Zungenküsse zu verteilen. Unser german girl! Alle kurbeln ihre Fenster herunter, die 60 Lenze auf dem Buckel Tragende macht live ein paar TikToks mit den Gästen. Sie bleibt ein Star zum Anfassen. Trotz allem. Denn: "Liebe wird aus Mut gemacht!" Und Liebe ist irgendwo auch immer eine Risikobegegnung.

Die alten Songtexte passen erschreckend gut in die heutige Zeit und bekommen hier, an diesem Montag in Stuttgart, eine ganz neue Bedeutung. Eine Corona-Bedeutung. "Wir haben uns lang nicht mehr gesehen, ich werd' mal zu dir rüber gehen". In der zweiten Stunde ihres Auftritts performt sie ein Medley ihres Songs "Nur geträumt". "Ich werd' verrückt, wenn's heut passiert", singt sie keck, während sie sich auf dem Schoß eines Mannes in der ersten Reihe räkelt, bis das Auto wackelt.

Für den letzten Teil ihrer Show hat sie sich etwas ganz Besonderes überlegt: Sie singt ihren dritten Hit "Irgendwie, irgendwo, irgendwann". Und zwar so lang und ungeniert, bis die Polizei die Veranstaltung auflöst. Leider hat der Besitzer unseres Autos sein Fahrzeug doch noch gestohlen gemeldet. "Stuttgart ist seit heute eine veränderte Stadt", sind sich viele Gäste beim Verlassen des Geländes einig. Es wird noch viel aufzuarbeiten sein. Dank 14-tägiger Quarantäne und 140 Sozialstunden haben wir jedoch genug Zeit, darüber nachzudenken – und Gelegenheit, noch mal das Beste aus 60 Jahren Nena aufzulegen: Diese eine tolle Coverversion von Blümchen.

Paula Irmschler

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg