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Bye-bye, NeFli und AmPri!

Wie der Streamingdienst Quibi die Häppchenkultur weiterdenkt und befördert

Fast unbemerkt hat ein neuer Player auf dem scheinbar völlig überlaufenen Streaming-Markt seine Zelte aufgeschlagen. Quibi – das steht für quick bites, "schnelle Happen" – zeigt Serienepisoden mit maximal zehn Minuten Länge, zerhackstückte Filme, Kurzdokus und Entertainmentbröckchen für Eilige. Damit möchte es vorrangig junge Menschen ansprechen. Was das Ganze mit TikTok zu tun hat, warum ADHS-Anspielungen ein Minenfeld sind und ob serielles Miniatur-Erzählen auch im Journalismus funktioniert, erfahrt ihr im nächsten Absatz!

Bisher in diesem Artikel: neuer Player --- Streaming --- Quibi --- maximal zehn Minuten --- junge Menschen. Nun geht es weiter, mit einer Rückblende (Flashback), denn damit gewinnen Charaktere an Tiefe! Quibi wurde bereits 2018 von Jeffrey Katzenberg gegründet. Als Investoren für sein Start-up konnte der Dreamworks-Pionier Studios wie Disney, 21st Century Fox und MGM gewinnen, aber auch die chinesische Alibaba-Gruppe und Goldman Sachs. Auch CNN, die Pharmafirma Moderna, Rothschild & Co. sowie die Bill und Melinda Gates Stiftung sollen ihre Finger im Spiel haben, behaupten zumindest einige deutsche Videokünstler, die aus diesem Grund weiter auf ihre eigenen Kanäle setzen. Insgesamt 1 Milliarde US-$ steuerten die Unterstützer bei – in tausend mal hunderttausend einfachen, handlichen Zahlungen zu je zehn Dollar. Derzeitige CEO ist Ex-Ebay-Chefin Meg Whitman, die sich den Posten ergattert hat, indem sie die Verhandlungen erst mal still beobachtet und erst im allerletzten Moment ihre Bewerbung abgegeben hat. 

In Sachen kreativer Man- und Womanpower kann sich Quibi (in Bruchteilen) sehen lassen. Unter anderen Reese Witherspoon, Christoph Waltz, Jennifer Lopez und Steven Spielberg haben ihr Talent zur Verfügung gestellt – auf dem kurzen Dienstweg. Gespräche mit weiteren TV-"Größen" wie Alan Kurtzman und Martin Short stehen noch aus. Die bisher angelaufenen Serien klingen durchaus vielversprechend; jedoch hat es keinen Sinn, sie hier detailliert vorzustellen, denn ihren Inhalt zu lesen dauert länger als sie einfach zu schauen … Wem die fiktionalen Stoffe zu komplex sind – Stichwort: Generation minimale Aufmerksamkeitsspanne –, der kann ohnehin … halloo-ho, aufpassen, bitte! Also: Weniger ausgeklügelten Content gibt es in den zahlreichen Reality-Shows, etwa im Food-Format "Dishmantled", in welchem sich Kandidaten Essen ins Gesicht werfen lassen (kein Witz), oder in dem kommenden Reboot der Versteckte-Kamera-Show "Punk'd", deren erster Streich darin besteht, den Opfern 7,99 $ pro Monat abzuluchsen (gelungener Witz).

Als ungeeignet für die "quick bite"-Form haben sich News aller Art erwiesen: Nachrichten finden Millennials und Zoomer einfach zu krass, zu überzogen. Wird man in Zukunft auch konventionelle Sparten bedienen und gegebenenfalls anpassen? Thriller, die aus nichts als einer Verfolgungsjagd (in einer Spielstraße) bestehen? Ein Echtzeit-Melodram über den 38-minütigen Britisch-Sansibarischen Krieg? Whodunit-Krimis mit lediglich zwei Verdächtigen? "Frost/Nixon" als abgespecktes Blitzinterview ("Mr. President, wie war das mit Watergate?" – "Kein Kommentar!" – "Ich danke Ihnen für das Gespräch.")? Denkbar wäre auch ein Remake des preisgekrönten Dramas "3 Tage in Quiberon" in der Schnittfassung "4320 Minuten in Quibiron".

Was die Genrevielfalt angeht, hat Quibi jedenfalls alles zu bieten, was auf circa 6 Zoll passt. Quibi gibt es nur als App, die Inhalte können ausschließlich auf mobilen Geräten abgerufen werden. Revolutionär ist dabei die sog. "Turnstyle"-Technologie: Die Filmchen können, je nachdem wie das Smartphone gehalten wird, im Quer- wie im Hochformat angesehen werden. Genial: Dreht man das Gerät mit dem Bildschirm nach unten, wird ein Effekt erzeugt, als würde im Kino die Leinwand zugezogen. Die Zielgruppe ist klar definiert: junge Konsumenten, denen selbst ein Mainzelmännchen-Clip zu viele Ebenen hat und für die eine Steuererklärung auf einen Bierdeckel passen muss. Geglotzt werden soll mal eben flugs auf dem Weg zum unbezahlten Agenturjob, beim Überqueren einer Straße oder auf dem Flur der Notaufnahme.

Hollywoodstars, Snackability und kostenlose Werbung, die es in der günstigeren Version des Dienstes mit dazu gibt: Wieso konnten Katzenberg und Whitman trotz diesen schlagkräftigen Argumenten nicht den Erfolg verbuchen, den sie antizipiert hatten? Dass mit 1,3 Millionen Usern in den Vereinigten Staaten die Erwartungen weit unterlaufen wurden, liegt dem Gründer zufolge vor allem an Corona. Logisch: Wer in Quarantäne sitzt und auf den Tod wartet, vergeudet seine restlichen Stunden lieber mit breitgewalzten Biographien durchgeknallter Hobby-Tigerzüchter. Und mit Pornos natürlich. Epischen, vielschichtigen, hochwertig produzierten 180-Minuten-Pornos. Dennoch ist man sich in L.A. (kurz [!] für Los Angeles), wo Quibi seinen Sitz hat, sicher: Über kurz oder lang wird man die Konkurrenz wegbeißen – mit zwei bis drei präzise und rasch ausgeführten Schnappern.

Torsten Gaitzsch

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg