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Masturbation: Solo-Sex extrem geil und jetzt

Behörden, New York, Angela Merkel, Christian Drosten und das „Zeit-Magazin“ raten aus aktuellem Anlass dazu, Sex mit sich selbst zu haben. Warum manche noch immer nicht an sich rumknödeln wollen. Eine Spurensuche von und bei Paula Irmschler

Solo-Sex ist in aller Munde (oral). Obwohl niemand Normales es so nennt: „Solo-Sex“. Dem Chefredakteur dieses Blattes hatte ich gesagt, ich würde gern mit mir starten. Also, persönlicher Einstieg, wie halte ich es mit dem Ficken, Tinder, Geschlechtsteilen und Co. Ich dachte an so was: „Letztens hatte ich ein Tinder-Date. Ich musste einfach mal wieder was losficken. Ficken ... Da komme ich ins Schwärmen. Wie sich die Körper aneinanderreiben und die Zungen so miteinander ... Und dann leckt man sich am Ohr und das macht dann Gänsehaut. Wir trafen uns mit zwei Meter Abstand, das ist doch klar, doch schon bald glitt der Penis in meine Scheide, wir wollten es beide, es war einfach Supersex angesagt. Er war Social-Media-Manager, ich wollte ...“ Aber der Chef sagte: "Boah, komm, nee. Mach‘ was Gesellschaftliches draus!“ Gut, Knut. Aus diesem Grunde werde ich hier und da ins „man“ wechseln, auch wenn es offenkundig um mich geht.

Das Ding mit der Einsamkeit

Es ist eine Geschichte so alt wie die Menschheit. Schon immer hatten Leute Lust auf sich selbst und Freude an ihren Körpern. Nehme ich jetzt mal an, weil wo soll es sonst herkommen. Es ist vollkommen natürlich. Man muss sich dafür nicht schämen, denn Gott existiert nicht. Aber ich will auch Sie ernst nehmen, gläubige Menschen dieser Welt, einige von Ihnen zahlen schließlich für ein Abo.

Corona, Pandemie, Sie wissen Bescheid, treibt uns zum Alleinsein, weil wir nicht raus dürfen. Auch wenn sich viele komischerweise trotzdem sehen und megaviele Ausnahmen gemacht werden, na ja. Erst letztens hörte ich es hier in der Nachbar-WG superlaut stöhnen und klatschen, es hatte wohl jemand Besuch. Aber theoretisch geht das alles gerade nicht. Aus diesem Grunde kann man sich gern mal eine halbe Stunde Zeit „für sich“ nehmen. Viele glauben, Wichsen dauere eine halbe Stunde. So steht es oft in den Texten darüber. Geschenkt, wir sind ja auch ein Serviceblatt. Selbstbefriedigung macht glücklich. Es ist fast wie ein Antidepressivum, nur dass es halt keine Pille ist, die einem gegen Depression hilft, sondern es ist eben Selbstbefriedigung. Es hat keine Nebenwirkung, es sei denn, man wird zum Beispiel von WG-Mitbewohnis gestört, die nur mal kurz durchwollen, um am Balkon, der vom Zimmer „abgeht“, eine zu rauchen. Dann kann das für eine Weile sehr unangenehm sein. Man hat so was schon mal erlebt. Es ist auch irgendwie wie Ecstasy, aber dann auch wieder gar nicht und gleichzeitig ist es wie Alkohol oder eine Zigarette oder richtig geile Schokolade. Sie sind vermutlich über 15 Jahre alt, während Sie das lesen, und ich erkläre Ihnen gerade, wie sich Masturbation anfühlt und womit es vergleichbar ist. Ich kündige.

Masturbation

Masturbation macht man mit den Händen oder technischen Geräten. In der "Bravo" stand früher, man könne auch die Beine aneinander pressen, ein Kissen in sich einführen oder auf einem Fahrradsattel hin- und herrutschen, bis es „einem kommt“. Es muss halt irgendwas gerubbelt werden. Masturbation ist in Zeiten von Corona kein Problem und nicht verboten, weil man es alleine macht. Masturbation heißt Selbstbefriedigung und man macht es allein, also ohne Leute, was bedeutet, dass da niemand dabei ist, und das ist in der aktuellen Lage gut, weil man momentan möglichst wenig mit anderen Menschen zu tun haben soll (wegen Corona). Es gibt auch Selbstbefriedigung mit anderen Leuten zusammen, aber darum geht es jetzt hier mal nicht aus aktuellen Gründen. Viele empfehlen es ruhig mal zu machen, unter anderem ich hier gerade. Es ist endlich an der Zeit, es aus der Schmuddelecke zu holen und es zu machen oder darüber zu reden. Es ist noch immer wahnsinnig verpönt, dabei gibt es im Internet sogar Pornografie, mittlerweile umsonst, und manche machen sich auch „schöne Gedanken“. 

Jetzt kommt der Abschnitt, wo es um mich geht. Ja, man masturbiert wahnsinnig gern. Man macht das auch schon recht lange! Man ist jetzt 30 und hat bestimmt schon die Hälfte seines Lebens sich selbst gut durchgeknetet da „down there“. Ja, man macht es auch regelmäßig, nahezu täglich, an verschiedenen Orten, man kennt da einfach nichts! Das ist einem fast peinlich, das hier hinzuschreiben. Doch woran liegt das? Ist man besonders religiös erzogen worden? Nein. Waren die eigenen Eltern prüde? Auch nicht. Haben die Lehrerinnen nicht genug aufgeklärt? Eigentlich schon. Und doch hat man Hemmungen, hier so freizügig darüber zu schreiben. Kann es sein, dass es einfach niemanden interessiert und auch ein bisschen „too much information“ ist?

Kant hat Königsberg nie verlassen

Wer weiß, vielleicht tun Sie es auch! Vielleicht gerade jetzt in diesem Moment! Ich hauche Ihnen langsam und sinnlich in den Nacken ... Vielleicht haben Sie sich schon heute Morgen die Scheide gestreichelt oder die Vagina/Vulva (?). Doch es ist ganz egal, wie alt Sie sind oder welches Geschlecht Sie haben oder was Sie wählen. Denn viele tun es, alle vielleicht. Und wir müssen viel mehr darüber sprechen, weil es sonst niemand tut. Warum Kant hier in der Zwischenüberschrift steht, schnell noch aufgelöst: Er hat wohl mal gesagt, Wichsen sei schlimmer als Suizid. Viele alte Gelehrte haben vor Hunderten Jahren behauptet, es mache blind, krank und schuldig. Das ist aber lange her. Heute bedeutet es absolutes Glück und im Kapitalismus ist es revolutionär, einfach mal etwas für sich selbst zu tun. Sorgen Sie sich gerade um ihren Job? Tun Sie sich etwas Gutes und holen Sie sich einen runter! Es ist einfach und gut. Frauen sind schon viel weiter als Männer, sie geben teilweise irre viel Geld aus für Sexspielzeug. Von diesen Frauen sollten alle lernen. Geben Sie etwas Geld aus, damit der Kapitalismus sich erholt, von dem Sie sich dann wiederum erholen können mit, genau, Solo-Sex. Wagen Sie es. Experimentieren Sie. Zünden Sie sich Kerzen an, gehen Sie in den Garten, schmieren Sie sich mit Jagdwurstsoße ein, halten Sie mit der linken Hand ein gerupftes Kaninchen und „legen" Sie "los“. Enjoy yourself. Be proud, be loud. #selflove. Wenn die Polizei kommt, um sie wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses zu verknacken, befreien Sie sie von ihrer Scham. Machen Sie klar, dass das alles ganz natürlich ist. Erklären Sie Glück. Erzählen Sie von Kant.

Paula Irmschler

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg