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Jetzt mal raus an die frische Luft! – Die sozialen Netzwerke zieht es in die wirkliche Welt
Die Social-Media-Plattform Instagram beliefert weltweit junge Frauen kostenlos mit Selbstzweifeln. Mittlerweile wurden Museen für das soziale Netzwerk eingerichtet, in denen man vor bunten Kulissen möglichst perfekte Instagram-Fotos machen kann. Doch wie sehen die Realo-(Kunst)-Manifestationen anderer sozialer Netzwerke aus? Eine Fantasiereise in die Zukunft unserer Gegenwart.
In stundenlangen Weißweinsitzungen haben Feuilletonisten entschieden, dass die Plattform Twitter am ehesten durch ein Performancetheater auf einem Marktplatz dargestellt werden kann (Vorsicht, Metapher!). Auf diesem "Treffpunkt der Seele des Dorfes" (auch Metapher, Feuilleton der "Zeit") steht laut Konzept zunächst eine Person und verkündet: "Ich finde, auch Frauen sollten Rechte haben!" Dann kommt eine weitere Person und redet etwas lauter, wird aber von der nächsten Person übertönt, die noch etwas lauter redet, aber schon von der nächsten Person übertönt wird (diese Redundanz, herrlich!). Wird es ihr zu bunt, schreitet die Polizei ein, bringt einen lustigen Spruch ("Es heißt jetzt Versemmlungsgebot statt Versammlungsverbot, weil wir euch eine reinsemmeln werden, lel") und löst die Veranstaltung gewaltsam auf. Fun Fact zu dieser Performance: Alle Beteiligten sind Männer (auch die Feuilletonisten). Aufgrund der aktuellen Situation (Weißweinknappheit) wurden alle Aufführungen auf ein späteres Datum verschoben (Alltagsmetapher).
Facebook hat die Frage danach, wie man die Plattform am besten darstellen könnte, seinen Userinnen und Usern (circa 60+) überlassen. Der Konzern wusste aber natürlich schon, wie diese entscheiden werden, weil er viel Werbung geschaltet hatte: Nun launcht das Netzwerk einen Fernsehsender, der fragwürdige Witze über sexuelle Grenzen und nachdenkliche Sprüche ("Manchmal schließt sich eine Tür, wenn sich ein Fenster öffnet") sendet, allerdings nur bis zum Sendeschluss (21 Uhr), dann werden Standbilder von Minions ausgestrahlt. Die Geburtstagswünsche wurden abgeschafft, darüber freut sich eh niemand. Facebookgründer Zuckerberg hofft, seine Rentneruser so davon abhalten zu können, ihm weiter unangenehme Fragen bezüglich seiner Religion zu stellen.
Bei Netflix war die Frage, wie man "die Inhalte auf die Straße bringen" (Berater Jung von Matt) könnte, schnell beantwortet: Der Konzern hat ein kleines, niedliches Kino in, na klar, Berlin angemietet. Reingelassen wird man nur mit Passwort, es kommen also neben den zahlenden Nutzern der Accounts auch ihre Partner, Verwandte, Exfreunde und Haustiere rein. Drinnen gibt es zwangsläufig einen großen Streit um das Programm, weil sich alle 200 Besucher auf einen Film einigen müssen. Wichtig für die Erfahrung ist, dass letztendlich alle mit der Wahl unzufrieden sind. Zur Experience gehört auch, dass die Zuschauer sich jede Stunde durch die leise und aufmerksame Frage des Eisverkäufers "Gucken Sie überhaupt noch aufmerksam zu?" verurteilt fühlen.
"Youtube: die Dia-Show unter den Netzwerken". Das war zumindest der erste Entwurf eines offiziellen Slogans, der sich allerdings nicht gegen das englischere "Broadcast yourself" durchsetzen konnte, unter anderem, weil keiner der Gründer ihn verstand. Das Unternehmen will nun öffentliche Gebäude und Wahrzeichen mit Bildern bestrahlen, die sich die Anwohner selbst aussuchen dürfen. Einzige Auflage: Jedes fünfte Dia muss sich mit dem 11. September beschäftigen. Kommentare können in Form von Post-Its und Spuckekügelchen hinterlassen werden. Es soll auch heftig geprankt werden, aber das darf vorher ja niemand wissen.
Whatsapp ist – ebenso wie Facebook – fest in altersfleckiger Hand. Deswegen hat sich auch dieser Konzern für eine altmodischere Form der Kommunikation entschieden: Rohrpost. Das System kann sich jeder zu Hause kostenlos installieren lassen, solange er es hin und wieder unverbindlich mit seinen Kreditkartendaten füttert. Das lohnt sich aber auch, schießen dafür doch unzählige Nachrichten, Smileys und Bilder halbnackter Frauen mit einer Flasche Bier in der Hand (Kommentar: "Feierabend!! ???? ???? ????") aus der Familiengruppe ins Haus. Auch Sprachnachrichten können verschickt werden, solange man laut genug ins Rohr schreit. Experten gehen davon aus, dass das diese Kommunikationsform nur unwesentlich unbeliebter macht.
Wir bitten dafür um Entschuldigung, dass sich dieser Artikel nicht mit den Plattformen Tiktok oder Snapchat beschäftigt, da alle in der Redaktion zu alt sind und sehr großen Respekt vor diesen Netzwerken haben.
Laura Brinkmann