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"Das Corona-Virus hat sich strafbar gemacht!" – Juli Zeh im Interview

Juli Zeh ist Verfassungsrichterin, bekannt dafür, trockene Debatten in noch trockenere Romane zu übersetzen, und selbst ein Bundesverdienstkreuz konnte sie nicht zum Schweigen bringen. In der Causa Corona warnt sie vor einer Gesundheitsdiktatur.

TITANIC: Guten Tag, Frau Zeh.

Zeh: Ich freue mich auch, hier zu sein.

TITANIC: Frau Zeh, Sie finden den Umgang der Regierung mit dem Coronavirus falsch. Was wäre die Alternative?

Zeh: Das weiß ich nicht, ich bin keine Expertin und habe wirklich nicht den blassesten Dunst. Trotzdem melde ich mich gerne mal zu Wort und sehe das auch als mein demokratisch verbrieftes Recht an. Und dieses Recht wird hier – Entschuldigung! – gerade mit Füßen getreten. 

TITANIC: Was sollte Frau Merkel anders machen?

Zeh: Ich würde ihr vielleicht einfach mal eine schöne, inspirierende Lektüre in die Hand geben. Nennt sich Grundgesetz.

TITANIC: Wie hilft uns das Gesetz in Zeiten von Corona weiter?

Zeh: Ich sehe die wunderbaren Möglichkeiten, die uns die Welt der Paragraphen bietet noch lange nicht ausgeschöpft. Das Coronavirus konnte hier in dieses Land spazieren und Unheil anrichten. Das ist nicht in Ordnung, in meinen Augen hat es sich damit strafbar gemacht. 

TITANIC: Was schlagen Sie vor? 

Zeh: Ein Bußgeld wäre mal das Mindeste, und dann muss man sich fragen, ob man dieses Coronavirus, wenn es so weitermacht wie bisher, nicht mit der vollen Härte des Gesetzes angehen möchte. Ich würde das Virus einsperren und nicht die Bürger dieses Landes. 

TITANIC: Sie kritisieren den Lockdown und fühlen sich dadurch entmündigt.

Zeh: Ich kritisiere ihn nicht per se, ich finde es nur bedenklich, dass die Regierung hier auf Wissenschaftler hört und nicht auf mich. Ist der Fachmann für Viren und Epidemiologie jetzt auf einmal besser geeignet, eine tödliche Pandemie zu bekämpfen als ich oder Sie? 

TITANIC: Sie haben auch die Auswertung von Handydaten schwer verurteilt.

Zeh: Ja. Heute lesen Sie noch Handydaten aus und morgen schon bekomme ich personalisierte Werbung. Wehret den Anfängen!, sage ich da nur.

TITANIC: Was wäre denn ein demokratischerer Umgang mit der Situation?

Zeh: Ich fände es gut, wenn sich alle mal an einen Tisch setzen und miteinander reden. Damit ist auch das Virus gemeint. Und dann schaut man, wohin das führt und ob sich das Virus danach nicht einfach ohnehin verdünnisiert. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich schon so manchen Gast im Gespräch von Angesicht zu Angesicht für immer vergrault habe. 

TITANIC: Finden Sie die getroffenen Maßnahmen überstürzt?

Zeh: Ich glaube zumindest, Politiker, Wissenschaftler und Ärzte wollen momentan Kapital daraus schlagen, ein paar Menschenleben zu retten. 

TITANIC: Ist das schlimm?

Zeh: Wenn dadurch die Sache mit dem an einen Tisch setzen übergangen wird: ja. Das ist mir wichtig und dabei bleibe ich.

TITANIC: Fehlt in der aktuellen Situation vielleicht nicht einfach die Zeit für lange Debatten und Tischgespräche mit der Bevölkerung?

Zeh: Das ist ja das, wovon ich rede. So werden die Tischmanieren unseres Zusammenlebens einfach mal über den Haufen geworfen. Das müssen Sie auf lange Sicht sehen: Ein Tod, auch ein qualvoller Corona-Tod, dauert vielleicht ein paar wenige Minuten. Eine verlotterte Debattenkultur kann sich aber ganz schön lange ziehen. 

TITANIC: Was tun Sie, um dem entgegenzuwirken?

Zeh: Ich habe eine Aktion geplant, mit der ich die Bundesregierung zum Nachdenken anregen will. Ich sende Angela Merkel meine Sim-Karte, verpackt in einem verschnodderten Taschentuch – Stichwort DNA. Als Zeichen meiner Unterwürfigkeit und als Symbol des gläsernen Bürgers sozusagen. Das ist natürlich ironisch gemeint. Und danach muss ich sie auch bitten, mir die Karte wieder zurückzuschicken, denn beim Trödelladen hier in unserem Dorf gibt es momentan absolut keine Prepaid-Karten mehr. Ich denke aber, die Message kommt trotzdem an. 

TITANIC: Viel Erfolg damit!

Zeh: Danke!

Fabian Lichter

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Briefe an die Leser

 Wurde aber auch Zeit, Niedersächsische Wach- und Schließgesellschaft!

Mit Freude haben wir die Aufschrift »Mobile Streife« auf einem Deiner Fahrzeuge gesehen und begrüßen sehr, dass endlich mal ein Sicherheitsunternehmen so was anbietet! Deine Mitarbeiter/innen sind also mobil. Sie sind unterwegs, auf Achse, auf – um es einmal ganz deutlich zu sagen – Streife, während alle anderen Streifen faul hinterm Büroschreibtisch oder gar im Homeoffice sitzen.

An wen sollten wir uns bisher wenden, wenn wir beispielsweise einen Einbruch beobachtet haben? Streifenpolizist/innen? Hocken immer nur auf der Wache rum. Streifenhörnchen? Nicht zuständig und außerdem eher in Nordamerika heimisch. Ein Glück also, dass Du jetzt endlich da bist!

Freuen sich schon auf weitere Services wie »Nähende Schneiderei«, »Reparierende Werkstatt« oder »Schleimige Werbeagentur«:

Deine besserwisserischen Streifbandzeitungscracks von Titanic

 Grüß Gott, Markus Söder!

Weil der bayerische AfD-Chef Sie wiederholt »Södolf« genannt hat und Sie ihn daraufhin anzeigten, muss dieser Ihnen nun 12 000 Euro wegen Beleidigung zahlen. Genau genommen muss er den Betrag an den Freistaat Bayern überweisen, was aber wiederum Ihnen zugutekommt. Ebenjener zahlt Ihnen ja die Honorare für freie Fotograf/innen, von denen Sie sich bei öffentlichen Anlässen gern begleiten und ablichten lassen. Im Jahr 2022 sollen sich die Kosten auf stolze 180 000 Euro belaufen haben.

Vorschlag: Wenn es Ihnen gelingt, die Prasserei für Ihr Image komplett durch Klagen gegen AfD-Mitglieder querzufinanzieren, stoßen wir uns weniger an Ihrem lockeren Umgang mit öffentlichen Geldern.

Drückt vorauseilend schon mal beide Augen zu: Titanic

 Augen auf, »dpa«!

»Mehrere der Hausangestellten konnten weder Lesen noch Schreiben« – jaja, mag schon sein. Aber wenn’s die Nachrichtenagenturen auch nicht können?

Kann beides: Titanic

 Mahlzeit, Erling Haaland!

Mahlzeit, Erling Haaland!

Zur Fußballeuropameisterschaft der Herren machte erneut die Schlagzeile die Runde, dass Sie Ihren sportlichen Erfolg Ihrer Ernährung verdankten, die vor allem aus Kuhherzen und -lebern und einem »Getränk aus Milch, Grünkohl und Spinat« besteht.

»Würg!« mögen die meisten denken, wenn sie das hören. Doch kann ein Fußballer von Weltrang wie Sie sich gewiss einen persönlichen Spitzenkoch leisten, der die nötige Variation in den Speiseplan bringt: morgens Porridge aus Baby-Kuhherzen in Grünkohl-Spinat-Milch, mittags Burger aus einem Kuhleber-Patty und zwei Kuhherzenhälften und Spinat-Grünkohl-Eiscreme zum Nachtisch, abends Eintopf aus Kuhherzen, Kuhleber, Spi… na ja, Sie wissen schon!

Bon appétit wünscht Titanic

 Wie kommt’s, »Krautreporter«?

In einem Artikel zum Thema »Konkurrenz im Job« stellst Du die These auf: »Konkurrenz ist nicht so verpönt wie ihr Ruf.« Aber warum? Was hat der Ruf der Konkurrenz denn bitte verbrochen? Womit hat er seinem Renommee so geschadet, dass er jetzt sogar ein schlechteres Image hat als die Konkurrenz selbst? Und weshalb verteidigst Du in Deinem Artikel dann nur die Konkurrenz und nicht ihren Ruf, der es doch viel nötiger hätte?

Ruft Dir fragend zu:

Deine genau im gleichen Ausmaß wie ihr Ruf verpönte Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Ein Lächeln

Angesichts der freundlichen Begrüßung meinerseits und des sich daraus ergebenden netten Plausches mit der Nachbarin stellte diese mir die Frage, welches der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen sei. Sie beantwortete glücklicherweise ihre Frage gleich darauf selbst, denn meine gottlob nicht geäußerte vage Vermutung (Geschlechtsverkehr?) erwies sich als ebenso falsch wie vulgär.

Tom Breitenfeldt

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Dialog auf Augenhöhe

Zu meinen Aufgaben als Marketingexperte in einem modernen Dienstleistungsunternehmen gehört es unter anderem, unzufriedene Kunden zu beschwichtigen. Vor kurzem beschwerte sich einer von ihnen darüber, dass wir in unseren Texten immer dieselben Bausteine verwenden. Die Mail ließ mich ganz irritiert zurück. Ein Glück, dass wir für genau solche Anfragen gleich fertige Antworten haben.

Andreas Maier

 Krasse Segregation

Wer bestimmten Gruppen zugehört, wird auf dem Wohnungsmarkt strukturell diskriminiert. Viele Alleinstehende suchen händeringend nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, müssen aber feststellen: Für sie ist dieses Land ein gnadenloser Apartmentstaat, vor allem in den Großstädten!

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster