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Die Sächsin mit dem Zeigefinger

Franziska Schreiber war früher im Vorstand der JA, der Jugendorganisation der AfD. Heute ist sie bei "Funk", der Jugendorganisation der Öffentlich-Rechtlichen. Schön, dass ehemalige Nazis nach Karriereende noch immer auf die Hilfe des Staates setzen können. Eine Recherche von  Netzexperte Cornelius W.M. Oettle.

Holen wir erst mal alle Ü30er ins Boot. Ganz langsam und ohne schnelle Schnitte. Wahrscheinlich kennen Sie "Funk" [fʊŋk] nicht. "Funk" ist ein Online-Medienangebot und Content-Netzwerk der ARD und des ZDF für Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 29 Jahren. Wie alle Jugendlichen kosten auch die Berufsjugendlichen von "Funk" Geld. Das Projekt wird jährlich durch finanzielle Mittel in Höhe von rund 45 Millionen Euro gefördert.

Wahrscheinlich kennen Sie auch Franziska Schreiber (* 1990 in Dresden) nicht. Franziska Schreiber ist ehemaliges Vorstandsmitglied der Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD. Erste Bekanntheit erlangte sie im Mai 2015, als sie auf Facebook erklärte, die Meinungsfreiheit solle auch Holocaustleugnung miteinschließen. Seit März 2019 betreibt Franziska Schreiber für "Funk" einen Youtube-Kanal.

Schreiber liebt Deutschland und Imperative

Franziska Schreiber ist also so eine Art Sachsen-Rezo. (Rezo ist der Blauhaarige von neulich.) Wir alle bezahlen sie dafür, dass sie uns die Welt aus Sicht der jungen Ostdeutschen erklärt. Ihre Sendung-mit-der-Maus-Videos tragen Titel wie "Warum Feminismus peinlich und nutzlos ist!" und "Seid stolz auf Schwarz-Rot-Gold!" und "Schluss mit linker Doppelmoral!" Darin erzählt uns die Imperativenthusiastin, was Frank Plasberg erzählen würde, wenn er keine Redaktion im Rücken hätte.

Man könnte jetzt die Öffentlich-Rechtlichen fragen, ob es wirklich eine gute Idee ist, eine Frau auf Jugendliche loszulassen, bei der das Naziaussteigerprogramm nicht zur Gänze gefruchtet hat. Aber da würde uns Franziska Schreiber schon ins Wort fallen: "Hört bitte auf damit, andere Leute 'Nazi' zu nennen!", so eröffnet sie ihren Beitrag namens "Schluss mit der Nazikeule!". Warum sollte man einen Nazi nicht Nazi nennen? "Das Erste, was mich daran stört, ist der Klang des Wortes selbst!" argumentiert Schreiber messerscharf. Also gut, nennen wir sie anders.

"Ich bin nicht links, ich bin nicht rechts, ich bin vorne", sagt Schreiber über sich selbst. Dort, wo eine Führerin eben hingehört. Eine Meinungsführerin. Die zum Beispiel Talkshows schaut und im Video "Muslime eine Bedrohung? Meine Meinung!" solche Sätze spricht: "Ist euch mal aufgefallen, dass noch in keiner Talkshow jemand mal zugegeben hat: Ja, stimmt, der Islam ist gefährlich!" Ja, stimmt! Der Islam wurde bislang tatsächlich in keiner einzigen deutschen Talkshow auch nur ansatzweise für problematisch befunden. Der "Hart aber fair"-Faktencheck kann das belegen.

Das großdeutsche Meinungsspektrum: Neuer Lebensraum im Osten

Aber Gefahr geht nicht nur vom Islam aus, sondern auch von "linken Moralaposteln", über die uns Schreiber wissen lässt: "Neben solchen Leuten kann man keinen Schokoriegel essen, ohne über Plastik im Meer aufgeklärt zu werden. Man kann auch kein Marken-T-Shirt tragen, ohne über Kinderarbeit reden zu müssen." Die spinnen, die Linken. Es bringt doch erwiesenermaßen nichts, sich mit den Folgen des eigenen Handelns zu beschäftigen. Schreiber konkludiert: "Erhobene Zeigefinger retten den Planeten nämlich ganz sicher nicht!" Das Logo von Schreibers Youtube-Kanal zeigt einen erhobenen Zeigefinger.

Man muss der 29jährigen aber bei allen Peinlichkeiten zugutehalten: Schreiber selbst hat sich nicht um diesen Job gerissen. Die Verantwortlichen von "Funk" waren es, die auf sie zugingen. Das Ziel des Öffentlich-Rechtlichen, das ist sattsam bekannt, ist die Abbildung des großdeutschen Meinungsspektrums. Und das wächst und wächst. Darum werden wir dermaleinst vermutlich auch noch jemanden dafür bezahlen müssen, die Echsenmenschen unterm Stuttgarter Bahnhof kritisch zu beäugen.

Sächsisch wird man nur schwer los

Dabei ist's alles längst gesagt. Was die alte rechte Hand von Frauke Petry auf Youtube so vor sich hin philosophiert, hat man auf den einschlägigen Altherrenblogs freilich schon hundertfach gelesen. Die Spins wider alles Progressive kennt man: Feminismus sei Bevormundung von Frauen, Body Positivity macht fett und notfalls muss man zum Faschisten werden, um die deutsche Flagge nicht jenen zu überlassen, die Faschisten wählen – im Osten laut Schreiber übrigens nur aus Protest, nicht aus Überzeugung. Neu ist halt, dass man Trolle jetzt mit Rundfunkgebühren fördert. Aber so isser, der Rechtsruck.

Und es lohnt sich doch auch. Mit dem Opferpopulismus der weißen Mehrheitsgesellschaft reüssiert die AfD schon seit ein paar Jährchen, warum also nicht mitmachen? Nämliche ist ja eben nicht nur die Partei blödgesoffener Glatzenaffen ("Nazis" soll man ja nicht mehr sagen), sondern auch die der ehrlosen Karrieristen mit Master in Aufmerksamkeitsökonomie. Deren Denken ist Franziska Schreiber so wenig losgeworden wie ihren notdürftig unterjochten Dialekt. Franziska Schreiber mag zwar nicht mehr in der AfD sein. Die AfD aber ist noch immer in ihr. 

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
08.05.2024 Wiesbaden, Schlachthof Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella
09.05.2024 München, Volkstheater Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
10.05.2024 Weil am Rhein, Kulturzentrum Kesselhaus Thomas Gsella