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Der Mensch, der aus dem Drucker kam

Forscher der Universität Tel Aviv haben mittels 3D-Drucker ein menschliches Miniherz hergestellt. Nach dieser medizintechnischen Sensation bleibt kein Frankenstein auf dem anderen. Die 3D-Druckerei "Printfleisch" hat sofort nachgelegt und gleich einen ganzen Menschen ausgedruckt. TITANIC hat sich das Ergebnis angesehen.

"Seien Sie gegrüßt", stottert es uns monoton und abgehackt entgegen. Der Anblick ist nicht gerade angenehm. Wachsartige Haut, kantige Bewegungen, kein Empathieempfinden, kaum fähig zur Kommunikation: Das ist Peter Weißenhuber, Cheftechniker von "Printfleisch". Beim Eintreten in Weißenhubers Büro werden unsere Körpermaße gescannt. Dann rattert es in einem kleinen 3D-Printer in der Ecke. Wir nehmen auf den frisch gedruckten, perfekt an uns angepassten Sesseln Platz. "Kaffee?" Weißenhuber betätigt ein paar Knöpfe und schon kommt eine Tasse aus dem Drucker. Danach druckt er uns Kaffee mit Milch und Zucker aus. Wir sind fasziniert, auch wenn das Zeug absolut grauenhaft schmeckt.

Seit langem forscht "Printfleisch" an den Möglichkeiten des 3D-Drucks, bei dem aus flüssigem oder pulverförmigem Material dreidimensionale Gegenstände aufgebaut werden. Wirtschaftlich verspricht man sich dabei rasante Wachstumsraten wie in Christian Lindners Hose, wenn er von rasanten Wachstumsraten liest. Vielleicht auch so instabile. "Mit dieser Technik kann man schnell und kostengünstig produzieren", erklärt Weißenhuber. "Wir haben sogar unseren 3D-Drucker hier von einem noch größeren 3D-Drucker drucken lassen, der wiederum selbst von einem noch größeren 3D-Drucker gedruckt wurde." Und woher stammte dieser 3D-Drucker? "Natürlich wurde auch dieser 3D-Drucker von einem noch größeren 3D-Drucker gedruckt." Und woher stammte dieser 3D-Drucker? "Äh … Betriebsgeheimnis."

Auch zum Entgiften geeignet: Die Menschengrundmasse von Printfleisch räumt den Darm gründlich auf

In einer Ecke des Zimmers lehnt eine Menschengestalt – ohne Kopf. "Einer unserer ersten Versuche im Menschendruck. Damals ging leider kurz vor der Vollendung die Tintenpatrone aus." Liegt nicht angesichts solcher Bilder ein Vergleich mit Frankenstein auf der angenähten Hand? Der Cheftechniker verneint. Die Unterschiede seien eindeutig. "Viktor Frankenstein nähte ganze Leichenteile zusammen. Bei uns wird die Menschen-Grundmasse püriert angeliefert und dann gegossen." Auf unseren angeekelten Blick entgegnet Weißenhuber: "Keine Sorge, den Rohstoff bezieht unsere Abteilung für Human Resources ausschließlich secondhand – eine Kooperation mit Körperwelten. Hohe ethische Standards sind uns nämlich extrem wichtig beim Menschenhandel."

Nach jahrelanger Forschung ist es "Printfleisch" nun gelungen: Ein ganzer Mensch wurde ausgedruckt. Doch was soll mit dem lebendigen Druckerzeugnis geschehen? Ursprünglich geplant war die Verwendung als Organsupermarkt. Mittlerweile wurde aber eine andere Richtung eingeschlagen: Heiratsvermittlung. Bei "Printfleisch" kann man sich zukünftig die/den eigene/n Traumpartner/in nach Belieben zusammenmixen und drucken lassen. "Quasi ein Prinz-on-Demand", witzelt Weißenhuber. Aus der Gegensprechanlage auf dem Schreibtisch tönt ein "Prototyp 51/b ist bereit." Weißenhuber springt erfreut auf und führt uns in einen kleinen, sterilen Raum. Auf einer metallenen Bank sitzt der 3D-Druck, kaum von einem echten Menschen unterscheidbar. 

"Hallihallohallöle, ich bin Prototyp 51/b, aber meine Freunde nennen mich Proto." Als wir die Hände schütteln, lacht er hell auf. "Ha ha, entschuldigt, ich bin an der Stelle so schrecklich pixelig. Ein fester Händedruck ist also nicht grade meine größte Papierstärke. Aber dafür habe ich mich für euch extra noch schnell auf der Toilette druckfrisch gemacht. Für einen guten Eindruck ist die richtige Gestaltung entscheidend: Design oder nicht sein, sag ich immer. Man muss als Vorzeigemodell einfach immer am Drucker bleiben, blaupausenlos durcharbeiten. Ich will ja nicht daherkommen wie das letzte Printvieh!"

Prototyp 51/b, Weißenhuber und zwei seiner Mitarbeiter (v. l. n. r.)

Mit einer Pause will uns Proto die Gelegenheit geben, loszuprusten. Nach zehn Minuten bedankt er sich, sagt, wir seien ein tolles Publikum, verbeugt sich einige Male und setzt sich, offenbar imaginären Applaus in den Ohren, wieder auf seine Bank. Weißenhuber bemerkt unsere Verwirrung. "Ihr müsst die Witzelei entschuldigen. Wir mussten bei diesem Modell viel kalauernden Humor untermischen. Die Vorgänger wurden immer sehr schnell depressiv und haben sich innerhalb kürzester Zeit im Aktenvernichter suizidiert. Deshalb haben wir den Witzekalender 'Mit Fips Asmussen durch das Jahr 1992' zu Papierschnipseln verarbeitet und unter die Grundmasse gemischt."

In Gedanken versunken verlassen wir die Produktionshalle. Die Begegnung mit dem Menschen aus dem 3D-Drucker hat grundsätzliche ethische Fragen aufgeworfen: Darf man mit künstlichem Leben experimentieren? Wo liegen die Grenzen? Für Proto selbst ging das Experiment leider nicht gut aus: Kurz nach unserem Gespräch kam er bei einem schweren Aufprall in einem Papierstau ums Leben. Nach der feierlichen Schredderung wurde er im Beisein seines Anhangs in einer Dokumentenablage zur ewigen Archivierung gebettet.

Jürgen Miedl

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt