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Wenn der Tapir in der Badewanne wohnt

Tierische Geschichten über das Phänomen Animal Hoarding XXL

Am Anfang war es nur ein Souvenir. Im Handgepäck schmuggelte Rosina Andalech eine Giraffe aus dem Somaliaurlaub nach Deutschland. Zunächst erfreuten sich alle an dem edlen Tier, doch nach wenigen Monaten folgte das böse Erwachen: Andalech hatte sich eine schwangere Kuh ins Haus geholt, Zwillinge (Giraffen) wurden geboren. Die Giräffchen fortzugeben kam nicht in Frage, schon aus juristischen Gründen. Denn Giraffenzucht ohne Genehmigung ist in Deutschland höchst illegal. Also richtete die Hausfrau und Mutter von dreizehn Söhnen im Parterre ein provisorisches Gehege ein. Wenigstens alt genug zum Auswildern sollten die Jungen (also die Giraffenjungen, nicht Frau Andalechs dumme Söhne) werden.

Man taufte sie auf die Namen "Gir" und "Affe" und umsorgte sie. Und als beide zu stattlichen Jungbullen herangewachsen waren, die ihre Hälse gegeneinanderschlugen, um zu klären, wer ihre Mutter zuerst besteigen dürfe, hatte man sich so an die Tierchen gewöhnt, dass sie im Haus bleiben und sich vermehren durften. Bald schon musste das Wohnzimmer der wachsenden Herde weichen, dann die Küche. Nicht nur Rosina Andalechs Mann packte angesichts des Giraffenfimmels seiner Gattin irgendwann entnervt den Safarikoffer und zog aus, auch ihre Söhne wollten mit den langhalsigen Wiederkäuern nicht länger unterm durchlöcherten Dach leben und wurden eine Bande von Landstreichern. Frau Andalech blieb allein zurück und kümmerte sich bald nur noch um ihre Tiere.

Zu dieser Zeit müssen sich erste Anzeichen der Verwahrlosung an ihr, Andalech, bemerkbar gemacht haben – doch niemand war mehr da, es zu sehen. Als irgendwann die Polizei sich des Falls annahm, fand man auf dem Grundstück 1537 Giraffen. Viele von ihnen verhaltensgestört, fast alle mangelernährt. Die kleinsten waren kaum eine Elle hoch und fraßen die Bonsaibäumchen auf dem Fensterbrett kahl. Das schlimmste Bild bot sich jedoch im Gäste-WC: Hier hatte sich ein sogenannter Giraffenkönig gebildet – Dutzende Giraffen, deren Hälse untrennbar miteinander verschlungen und zusammengewachsen waren.

So wie die von Frau Andalech beginnen viele Geschichten, in denen Großwildhaltung aus falsch verstandener Tierliebe zu einem Problem wird, dessen die Besitzer nicht mehr aus eigner Kraft Herr werden. Fatal ist dabei die mangelnde Einsicht der Betroffenen. Auch Frau Andalech machte nach eigenem Empfinden alles richtig und verstand die Welt nicht mehr, als die Behörden ihre Lieblinge in lustigen Zirkuswagen abholen und zu Hundefutter verarbeiten ließen. Erst heute, nach unzähligen Therapiestunden und Gerichtsverfahren, gibt Andalech offen zu, dass sie verrückt sei. "Aber positiv verrückt", wie sie betont.

Werner Depp ist Leiter des Bundesamtes für Natur- und Frostschutz und hat BWL studiert. Fragen weicht er aus, erzählt lieber von seinem letzten Urlaub am Südpol. Kalt sei es gewesen, das habe er sich anders vorgestellt. Wo man doch immer denke, im Süden sei es warm! "Pustekuchen", so Depp. "Wie im tiefsten Winter! Beim Baden sind mir regelrecht die Zehen abgefroren!" Aber die Fakten liegen ohnehin offen auf Depps Schreibtisch, in einem Dossier, das wir selbst mitgebracht haben: Bei krankhafter Sammelwut sprechen Psychologen von Hoarding oder dem Messie-Syndrom, werden im Übermaß Tiere gehalten, heißt die Störung Animal Hoarding.

Je größer die Spezies, um so fataler die Auswirkungen.

Dr. Rainer Reiner-Rainersen kann ein Lied (D-Moll) davon singen. Schon in Kindertagen sammelte er alles, was so kreucht und fleucht: Schmetterlinge, Käfer, Spinnen, Kopfläuse. Als nächstes kamen Hamster, Eichhörnchen und Elstern dazu, die mit ihrer eigenen Sammellust das elterliche Anwesen in eine Müllhalde aus Nüssen, Körnern und teurem Schmuck verwandelten. Jeder Versuch Reiner-Rainersens, sein Leben in den Griff zu bekommen, führte ihn nur tiefer ins Schlamassel. Mit Katzen ging er gegen Nager und Vögel vor, Schakale sollten die Katzen erledigen, Berglöwen dann die Schakale usw. Es half alles nichts, am Ende waren die Probleme stets noch größer.

Zuletzt hatte Herr Reiner-Rainersen 150 ausgewachsene Grizzlybären angeschafft, auf dass diese die Königstiger fortjagten. Wider Erwarten vertrugen sich die Raubtiere bestens, die frechen Petze vermehrten sich fleißig, horteten ihrerseits Bienen in eigener Imkerei und ließen den Hausherrn nicht einmal mehr ins Schlafzimmer. Da zog Reiner-Rainersen die Notbremse und holte sich Hilfe von außen: Eine Baufirma versiegelte sein Grundstück mit einer Betonkuppel, Rainer Reiner-Rainersen lebt heute unter nicht weniger albernem Namen in einer großen deutschen Stadt und leitet noch bis Ende Mai den Vorstandsvorsitz der Daimler AG. An manchen Tagen kann man ihn in der Wilhelma antreffen und murmeln hören: "Ein Wahnsinn, ein Wahnsinn, diese Leute brauchen dringend Hilfe!"

Zum Schluss noch ein Aufruf an unsere Leserinnen und Leser: Animal Hoarding ist ein Missstand, der uns alle angeht! Melden Sie Fälle von Massenhaltung (z.B. Schweine, Kühe, Schafe) bitte umgehend der nächsten Polizeidienststelle, die Tiere werden es Ihnen danken!

Valentin Witt

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Grüß Gott, Söder!

Grüß Gott, Söder!

Wie schlossen Sie Ihr Statement vor dem israelischen Generalkonsulat in München, wenige Stunden, nachdem ein 18jähriger mit einem Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett auf dieses geschossen hatte und daraufhin von der Polizei erschossen worden war? Sie sagten: »Nochmals vielen Dank an alle Beteiligten!« Der Hauptbeteiligte, das war freilich der Attentäter – Ihre Danksagung lässt also tief blicken! Denn was täten Sie ohne durchgeknallte Islamisten mit anachronistischer Bewaffnung, die vom Rückstoß eines historischen Repetiergewehrs beinahe umgeworfen werden und von Ihrer Polizei spielend leicht umgenietet werden können?

Aber Obacht! Nicht dass Sie sich beim nächsten Mal zu noch offenherzigeren Reaktionen hinreißen lassen und zum Abschluss »So ein Tag, so wunderschön wie heute« anstimmen. Könnte möglicherweise missverstanden werden!

Meint Titanic

 Katsching, Todd Boehly!

Sie haben sich von Ihrem sauer Errafften den englischen Fußballverein FC Chelsea angelacht, der Titel holen soll, allerdings unter Ihrer Leitung lediglich einen einstelligen Tabellenplatz im nationalen Wettbewerb vorzuweisen hat. Zur Generalüberholung der in der Mittelmäßigkeit versackten Blauhemden sind auf Ihr Geheiß für über eine Milliarde Euro insgesamt 39 Fußballer verpflichtet worden, womit der aktuelle Kader mindestens 44 Spieler umfasst (darunter zehn Torhüter, von denen laut derzeit gültigem Regelwerk leider trotzdem nur einer das Tor hüten darf).

Zu dem über Ihrer Truppe ausgekübelten Spott tragen wir allerdings nicht bei, aus unserem Mund also keine Mutmaßungen über beengte Verhältnisse unter der Dusche oder die vollen Körbe am Trikotwaschtag. Denn selbstverständlich wird ein ausgebufftes Finanzgenie wie Sie, Boehly, seine Gründe haben, viermal elf Freunde mit Verträgen, die zum Teil bis ins nächste Jahrzehnt laufen, auszustatten. Denn wissen wir nicht alle, dass in diesen unsicheren Zeiten das Geld auf der Bank am besten aufgehoben ist?

Guckt eh lieber von der Tribüne aus zu: Titanic

 Tatütata, LKA Niedersachsen!

»Ganz viel Erfolg morgen bei der Prüfung, liebe Karin«, sagt angeblich das gesuchte ehemalige RAF-Mitglied Burkhard Garweg gut gelaunt in einem Video, das bei der Fahndung im Presseportal unter der Rubrik »Blaulicht« veröffentlicht wurde. Die Fahnder/innen erhofften sich dadurch, so heißt es, neue Hinweise, und richten sich deshalb mit den Fragen an die Bevölkerung: »Wer ist ›Karin‹ bzw. ›Carin‹?« und: »In welchem Zusammenhang steht sie zu Burkhard Garweg?«. Schön und gut, da möchten wir nach einem derartigen Cliffhanger nun aber auch die Frage hinzufügen: Wie ist Karins Prüfung denn nun eigentlich gelaufen?

Hinweise an Titanic

 Interessant, was Sie da sagten, Erling Haaland (Manchester City)!

»Die besten Spieler sind die besten in den einfachsten Dingen. Mit der rechten Hand berühren und mit der linken passen. Das ist das Wichtigste. Pep sagt das immer wieder zu mir.«

Mit welcher Hand man dann das Tor erzielt, ist egal, meint im Gedenken an Diego Maradona Titanic

 Priwjet, Roderich Kiesewetter!

Priwjet, Roderich Kiesewetter!

»Die AfD ist nicht besser oder schlechter als das BSW. Beide sind Kinder derselben russischen Mutter«, sagten Sie der FAS.

Da haben wir aber einige Nachfragen: Wer sind denn die Väter? Hitler und Stalin? Oder doch in beiden Fällen Putin? Und wenn BSW und AfD dieselbe Mutter haben: Weshalb ist der Altersunterschied zwischen den beiden so groß? War die Schwangerschaft mit dem BSW etwa eine Risikoschwangerschaft? Und warum sollte es keine Qualitätsunterschiede zwischen den Parteien geben, nur weil sie die gleiche Mutter haben? Vielleicht hat Russland ja sogar ein Lieblingskind? Können Sie da bitte noch mal recherchieren und dann auf uns zurückkommen?

Fragt die Mutter der Satire Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Mitläuferin? Ganz im Gegenteil!

Meine Oma fuhr im Widerstand Motorrad.

Andreas Maria Lugauer

 Quo vadis, Fortschritt?

Unfassbar: Nach so vielen Jahren des Horrorfilms gruseln sich die Leute noch vor der Nosferatu-Spinne. Wann taucht in unseren Breiten endlich die Slasher- oder Zombie-Spinne auf?!

Mark-Stefan Tietze

 Schrödingers Ruhebereich

Wenn es im Abteil so still ist, dass ein Fahrgast einschläft und dann übertrieben laut schnarcht.

Loreen Bauer

 Unangenehm

Auch im Darkroom gilt: Der Letzte macht das Licht aus.

Sebastian Maschuw

 Zum Sterben hoffentlich zu dämlich

In der Wartezone der Arge in Fürth sitzen zwei Männer um die vierzig. Einer der beiden hält eine aufgeschlagene Tageszeitung so, dass der zweite mitlesen kann. Geduldig blättern sie gemeinsam bis zur Seite mit den Todesanzeigen. »Schau«, sagt der eine, »da ist einer zwei Mal gestorben.« – »Wie kommst du darauf?« – »Lies doch! Derselbe Name in zwei Anzeigen.« – »Tatsächlich! Zwei Mal gestorben. Wie er das wohl geschafft hat?« Eine längere Denkpause setzt ein. »Wahrscheinlich einer wie ich, der nichts auf Anhieb hinkriegt«, schlussfolgert der eine dann. »Ha, das kommt mir bekannt vor!« stimmt der zweite ein. »Meine erste Frau mit den Kindern abgehauen, Führerschein schon drei Mal gemacht. Also zwei Mal wegen Alkohol, und ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hier nach einer neuen Arbeit angestanden bin.« – Seufzend: »Hoffentlich kriegen wir wenigstens das mit dem Sterben mal besser hin als der hier …«

Theobald Fuchs

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
23.10.2024 Karlsruhe, Tollhaus Max Goldt
23.10.2024 Berlin, Walthers Buchladen Katharina Greve
24.10.2024 Stuttgart, Im Wizemann Max Goldt
25.10.2024 Potsdam, Waschhaus-Arena Thomas Gsella