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Der Mann und der Gitarre – Ein Gastbeitrag von Rolf Zuckowski

Hallo liebe Kinder, hallo liebe Erwachsene,

oder sollte ich besser sagen: Kinder*innen und Erwachsen*innen? Damit sind wir nämlich auch schon beim Thema. Lange war ich der liebe Onkel mit der Gitarre, aber so langsam fühle ich mich in dieser Rolle unwohl. Als Musiker wie ich bekommt man ja nur noch Vorschrift um Vorschrift vorgesetzt. Ganz recht, es geht um Sprache. Besser gesagt, um den Sprachwandel. Denn die Sprache verändert sich und lässt auch junggebliebene Menschen wie mich manchmal ganz schön alt aussehen. Vielleicht wird in hundert Jahren schon niemand mehr meine Lieder verstehen. Das raubt mir schon länger regelrecht den Schlaf. Was ich damit meine? Setzt Euch doch einfach hin und hört zu, bzw. lest!

Nehmen wir zum Beispiel einmal meinen neuen Song "Hau der Katze auf die Tatze!". Darin heißt es "Hau der Katze auf die Tatze/ schau ihre doofe Fratze/ die sieht aus wie Matze/ fitze, fitze, fatze!" Darin thematisiere ich das lustige Gesicht, das eine Katze macht, wenn man ihr – beispielsweise mit einem Stock – auf die Tatze haut, es geht aber auch ein Stein, und ich zeige aber auch auf, dass es auch bei Menschen – ja selbst bei Kindern – komische Gesichterausformungen gibt. Soweit, so schön. Ich bin mir schon bewusst, dass es dafür Kritik hageln wird, in meinem Gästebuch ein Kacka-Sturm über mich hereinbrechen wird sozusagen. Warum? Ganz einfach: dem hässlichen Matze wegen. Weil ich hier einen männlichen Namen verwende, könnte man jetzt wieder einwenden: Können Mädchen denn nicht auch hässlich sein? Dabei habe ich das 2016 ja längst in meinem Song "Die Moni mit der Mütze" zwischen den Zeilen angesprochen. Da singe ich: "Moni hat ne Mütze/ und alle reißen Witze/ Moni nimmt die Mütze/ und wirft sie in die Pfütze, hurra, hurra, hurra". Gerechter geht es in meinen Augen nicht, ohne dass man Probleme beim Songwriting bekommt. Denn würde ich jetzt singen: "Moni und Marius haben Mützen/ alle, die Mädchen und die Jungs, machen sich über sie lustig/ bis sie beide sich dazu entscheiden, ihre Mützen in die Pfütze zu schmeißen …", geht das nicht ins Ohr. Da kommt zwar noch irgendwie rüber, was ich den Kindern vermitteln möchte, die poetische Kraft geht aber zu Gunsten einer angsteinflößenden Monstergrammatik verloren. Apropos Monster: Hier eine Vorschau auf meinen kommenden Song "Gunter auf dem Baum"? "Gunter, Gunter, komm doch bitte runter/ runter, runter von deinem Baum/ dann können wir dich hauen". Ich bezweifle gar nicht, dass auch Mädchen so fies sein können und richtige kleine Monster in ihnen stecken, oder dass auch sie auf Bäume klettern, aber das Lied ist perfekt in seiner Kürze, hat Millionen von Kindern geprägt und ich möchte da nunmal keine zweite Strophe mit einer weiblichen Perspektive einbauen, verdammt!

Am Ende muss ich noch "der Gitarre sagen", ja? Ja? Ist es das, was ihr wollt? Nicht mit mir. Es tut mir leid, dass ihr das miterleben müsst Kinder – ach es tut mir überhaupt nicht leid! –, aber ich hab den Arsch gestrichen voll! Ja genau, den Arsch! Nicht den Popo, nicht den Allerwertesten, den ARSCH! Himmel Herr Gott! Ich breche hier jetzt ab. Warum? Warum, warum … Tz, Ich hab keine Lust mehr, darum! Warum, warum, warum … Ach, schreibt Eure Lieder doch einfach selbst, ihr F*****!

Euer Rolfi

Fabian Lichter

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Deine Fans, Taylor Swift,

Deine Fans, Taylor Swift,

sind bekannt dafür, Dir restlos ergeben zu sein. Sie machen alle, die auch nur die leiseste Kritik an Dir äußern, erbarmungslos nieder und nennen sich bedingt originell »Swifties«. So weit ist das alles gelernt und bekannt. Was uns aber besorgt, ist, dass sie nun auch noch geschafft haben, dass eine der deutschen Stationen Deiner Eras-Tour (Gelsenkirchen) ähnlich einfallslos in »Swiftkirchen« umbenannt wird. Mit Unterstützung der dortigen Bürgermeisterin und allem Drum und Dran. Da fragen wir uns schon: Wie soll das weitergehen? Wird bald alles, was Du berührst, nach Dir benannt? Heißen nach Deiner Abreise die Swiffer-Staubtücher »Swiffties«, 50-Euro-Scheine »Sfifties«, Fische »Sfischties«, Schwimmhallen »Swimmties«, Restaurants »Swubway« bzw. »SwiftDonald’s«, die Wildecker Herzbuben »Swildecker Herzbuben«, Albärt »Swiftbärt« und die Modekette Tom Tailor »Swift Tailor«?

Wenn das so ist, dann traut sich auf keinen Fall, etwas dagegen zu sagen:

Deine swanatische Tayltanic

 An Deiner Nützlichkeit für unsere Knie, Gartenkniebank AZBestpro,

wollen wir gar nicht zweifeln, an Deiner Unbedenklichkeit für unsere Lungen allerdings schon eher.

Bleibt bei dieser Pointe fast die Luft weg: Titanic

 Hi, Daniel Bayen!

Sie sind sehr jung und waren mit Ihrer Firma für Vintage-Klamotten namens Strike vorübergehend sehr erfolgreich. Die ist jetzt pleite, machte aber zeitweise 2,9 Millionen Euro Umsatz. Der Bedarf war so groß, dass Correctiv-Recherchen zufolge sogar massenhaft Neuware zwischen die Secondhand-Bekleidung gemischt wurde. Auch Sie räumten demnach ein, gefälschte Ware geordert zu haben. Allerdings, so behaupten Sie, nur, um Ihren »Mitarbeitern zu zeigen, wie man gefälschte Ware identifiziert und aussortiert«.

Aber Bayen, Ihre Expertise besteht doch darin, neue Sachen auf alt zu trimmen. Also versuchen Sie bitte nicht, uns solche uralten Tricks zu verkaufen!

Recycelt Witze immer nach allen Regeln der Kunst: Titanic

 Endlich, »ARD«!

Seit Jahren musst Du Dich rechtfertigen, weil Du immer wieder die NS-Enthusiast/innen von der AfD zu Kuschelkursinterviews einlädst und ihnen eine gebührenfinanzierte Plattform bietest, damit sie Dinge verbreiten können, die sich irgendwo zwischen Rassenlehre und Volksverhetzung befinden. Aber jetzt hast Du es den Hatern endlich gezeigt und AfD-Anführer Tino Chrupalla in das härteste Interviewformat ever eingeladen: »Frag selbst«, das freaky Social-Media-Format von der Tagesschau, das schon Olaf Scholz mit knallharten Fragen à la »Wann Döner wieder drei Euro?« niedergerungen hat. Wir sind uns sicher: Besser als mit einem Kartoffelranking auf dem Twitch-Kanal der Tagesschau kann die AfD gar nicht entlarvt werden!

Legt schon mal die Chips bereit: Titanic

 Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Du warst der jüngste TITANIC-Chefredakteur aller Zeiten. Du warst der Einzige, der jemals eine klare Vorstellung davon hatte, wie das ideale Heft aussehen musste, und hast immer sehr darunter gelitten, dass sich Deine Utopie nur unzureichend umsetzen ließ. Aus Mangel an Zeit und an Mitarbeiter/innen, die bereit waren, sich Nächte um die Ohren zu schlagen, nur um die perfekte Titelunterzeile oder das richtige Satzzeichen am Ende des Beitrags auf Seite 34 zu finden.

Legendär der Beginn Deiner satirischen Tätigkeit, als Du Dich keineswegs über einen Abdruck Deiner Einsendung freutest, sondern Robert Gernhardt und Bernd Eilert dafür beschimpftest, dass sie minimale Änderungen an Deinem Text vorgenommen hatten. Das wurde als Bewerbungsschreiben zur Kenntnis genommen, und Du warst eingestellt. Unter Deiner Regentschaft begann die Blütezeit des Fotoromans, Manfred Deix, Walter Moers und Michael Sowa wurden ins Blatt gehievt, und manch einer erinnert sich noch mit Tränen in den Augen daran, wie er mal mit Dir eine Rudi-Carrell-Puppe vor dem iranischen Konsulat verbrannt hat.

Nach TITANIC hast Du viele, die ihr Glück weder fassen konnten noch verdient hatten, mit Spitzenwitzen versorgt und dem ersten deutschen Late-Night-Gastgeber Thomas Gottschalk humortechnisch auf die Sprünge geholfen. Und dass River Café, eine deutsche Talkshow, die live aus New York kam, nur drei Folgen erlebte, lag bestimmt nicht an Deinen Texten. Auf Spiegel online hieltest Du als ratloser Auslandskorrespondent E. Bewarzer Dein Kinn in die Kamera, und gemeinsam mit Tex Rubinowitz hast Du das Genre des Listenbuches vielleicht sogar erfunden, auf jeden Fall aber end- und mustergültig definiert, und zwar unter dem Titel: »Die sexuellen Phantasien der Kohlmeisen«. Und diese eine Geschichte, wo ein Psychiater in ein Möbelhaus geht, um eine neue Couch zu kaufen, und der Verkäufer probeliegen muss, wo stand die noch mal? Ach, in der TITANIC? Sollte eigentlich in jedem Lesebuch zu finden sein!

Uns ist natürlich bewusst, dass Du auch diesen Brief, wie so viele andere, lieber selber geschrieben und redigiert hättest – aber umständehalber mussten wir das diesmal leider selbst übernehmen.

In Liebe, Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Unübliche Gentrifizierung

Zu Beginn war ich sehr irritiert, als mich der Vermieter kurz vor meinem Auszug aufforderte, die Bohr- und Dübellöcher in den Wänden auf keinen Fall zu füllen bzw. zu schließen. Erst recht, als er mich zusätzlich darum bat, weitere Löcher zu bohren. Spätestens, als ein paar Tage darauf Handwerkerinnen begannen, kiloweise Holzschnitzel und Tannenzapfen auf meinen Böden zu verteilen, wurde mir jedoch klar: Aus meiner Wohnung wird ein Insektenhotel!

Ronnie Zumbühl

 Ein Lächeln

Angesichts der freundlichen Begrüßung meinerseits und des sich daraus ergebenden netten Plausches mit der Nachbarin stellte diese mir die Frage, welches der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen sei. Sie beantwortete glücklicherweise ihre Frage gleich darauf selbst, denn meine gottlob nicht geäußerte vage Vermutung (Geschlechtsverkehr?) erwies sich als ebenso falsch wie vulgär.

Tom Breitenfeldt

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster