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Die Kartoffelschwalbe vom Eriesee

Dieser Tage feiert man 200 Jahre Theodor Fontane – da stellt sich dem Literaturkenner unweigerlich eine Frage: Reicht das nicht langsam? TITANIC hat den "Riesenschnauzer aus der Mark" zum Interview getroffen.

TITANIC: Sehr geehrter Herr Fontane, in diesem Jahr werden Sie 200 Jahre alt. Wie schafft man es eigentlich, so alt zu werden?

Fontane: Indem man ewig jung bleibt natürlich und einfach jeden Scheiß mitmacht. Bedarf an willigem Klassikermaterial in einfacher Sprache, das sich interpretatorisch in jede Richtung durchbumsen lässt, besteht deutschlehrerseits immer. Außerdem habe ich mit meinem Geburtsjahrgang einfach Glück gehabt: zu jung für diesen bedenkenträgerischen Goethe/Schiller-Scheiß, zu alt, um Nazi zu sein – aber natürlich nicht für Antisemitismus (lacht). Nicht zu vergessen den nachgerade stadtschlosshaften Preußenzauber meiner Prosa. Damals haben wir noch Kriege gewonnen. Das geht eben leichter ins Ohr als die Schwuchteleien dieser zersetzten Mann-Familie. Oder Kafka, dieser neurotische Versicherungswucherer. Tja, und so laufe ich heute noch täglich 80 Meilen in Buffalos.

TITANIC: O Gott.

Fontane: Wie eine Schwalbe über den Eriesee!

TITANIC: Ja, ja. Was haben Sie denn als nächstes vor?

Fontane: Was ich immer vorhatte: die Darstellung gepflegter Konversationen in einem abgeschlossenen Zirkel (auch als Causerien bezeichnet), etwa bei einem Festessen. Die Figuren folgen gesellschaftlichen Konventionen und enthüllen doch ihre wahren Interessen, häufig gegen ihren Willen. Ich bin, äh, Moment … (murmelt) eine Stunde von Berlin, und nur noch Edge am Handy, da muss man ja AfD …

TITANIC: Lesen Sie das gerade aus der Wikipedia ab?



Fontane: Nein, wieso? Der literarische Igel Preußens und bedeutendste deutsche Vertreter des Egalismus, das bin ich, genau.

TITANIC: Das ist ja jetzt alles schon eine Weile her. Wenn Sie heute ein Buch schreiben müssten, wie würde es aussehen?

Fontane: Leinen, Lesebändchen, schönes Papier …

TITANIC: Sie wissen, was ich meine.

Fontane: (überlegt) … dick? Aber nicht zu dick?

TITANIC: Herr Fontane, ich will einmal ganz deutlich fragen. Die Geschichte. Themen. Worum würde es also gehen in einem neuen Buch?

Fontane: Vielleicht um einen jungen Mann? Der sich verliebt?

TITANIC: Ja, okay.

Fontane: In … vielleicht in ein Mädchen?

TITANIC: Puh, na ja. In ein Mädchen? Ein erwachsener Mann?

Fontane: Eine junge Frau! Eine Schneidermamsell! Genau, und er ist Offizier. Und deshalb geht es nicht.

TITANIC: Warum nicht?

Fontane: Wegen dem Standesunterschied.

TITANIC: Wegen des Standesunterschiedes, wenn schon. Was heißt das genau?

Fontane: Ick sach ma so: Et jibt Leute, die könn' Jrammatik und et jibt welche, die könnse nich. Und ick bin uff die Seite von die kleinen Leute.

TITANIC: Die feinen Unterschiede? Bourdieu? Den Klassencharakter herausarbeiten? Sind Sie Marxist?

Fontane: I wo, Gott bewahre. Es ist mehr was fürs Herz. So das Allgemein-Menschliche. Und am Ende heiraten sie beide einen anderen, weil: die Sitte muss gelten, aber dass sie es muss, ist hart!

TITANIC: Ist das nicht eigentlich der Plot von "Irrungen, Wirrungen"?

Fontane: Ähm, nein? Heiß heute, oder?

TITANIC: Was ist überhaupt eine Schneidermamsell?

Fontane: Ich vermute, eine Art Hure, die auch noch nähen kann.

TITANIC: Herr Fontane, kennen Sie eigentlich irgendwelche Frauen?

Fontane: Nein. Doch! Die Dings. Wie heißt sie noch gleich. Die Emilie. Meine Frau.

TITANIC: Irgendwelche Frauen, die sich in der Welt da draußen bewegen? Frauen, die nähen, um beim Thema zu bleiben?

Fontane: Ich fürchte nicht.

TITANIC: Herr Fontane, waren Sie eigentlich immer schon so?

Fontane: (weinerlich) Sie wissen ja nicht, wie das ist, als Ostdeutscher! Ich bin in Neuruppin geboren. Nach der Wende hat man unsere ganze Lebenserfahrung einfach negiert. Es war ja nicht nur FKK und Indianervereine. Und plötzlich hieß es: Frau Jenny treibt es! Wanderungen durch den Mark Forster! Der Stecher! Ein Methlabor in unserem Garten stand! Und spätestens 2015 dann Elif bei ISIS statt Effi Briest!

TITANIC: Herr Fontane, wir danken ihnen für dieses Interview.

Jasper Nicolaisen

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg