Humorkritik | März 2017
März 2017
R a t t e n g i f t.
Heutzutage muß die Komik fein sein, so fein, daß man sie gar nicht mehr sieht; wenn dann die Zuschauer sie dennoch bemerken, so freuen sie sich zwar nicht über das Stück, aber doch über ihren Scharfsinn, welcher da etwas gefunden hat, wo nichts zu finden war. Überhaupt ist der Deutsche viel zu gebildet und zu vernünftig, als daß er eine kecke starke Lustigkeit ertrüge.
S c h u l m e i s t e r.
Ja ja, er lacht nicht eher, als bis er sicher ist, daß er sich nachher wird förmliche Rechenschaft zu geben vermögen, warum er gelacht hat!
Chr. D. Grabbe, »Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung«
Trottel
»Jerks«, die neue Sitcom von Christian Ulmen (Maxdome/Pro7), folgt, mindestens in den fünf Folgen, die mir vorlagen, zwei großen Vorbildern. Die Imitation von Larry Davids »Curb Your Enthusiasm« geht dabei in die Hose, und das ist wörtlich zu verstehen, denn wo die peinlichen Situationen in »Curb…« jederzeit plausibel, sozusagen »echt« sind und vom Doku-Format nicht bloß behauptet, sondern ausgemalt werden, fingert Ulmen, der sich selbst spielt und von Larry David als Larry David aber die Strecke Potsdam–Los Angeles entfernt ist, bloß in der Comedy-Schublade »peinliche Situation« herum: Eine Spermaprobe auf der Straße verlieren; beim Produzieren dieser Spermaprobe erwischt werden, und zwar von der minderjährigen Tochter der Freunde; heimlich den Masturbationskurs (!) der Gattin beobachten und dabei erwischt werden; ein Pornoheft auf dem öffentlichen Klo finden, es einstecken. Und damit erwischt werden. Usw. Furchtbar.
Lassen Ulmen und sein Freund und Spielpartner Fahri Yardım (als ebenfalls himself, ein »Tatort«-Mann) die quälende Fixierung auf den schlechthin »peinlichen« Sex- oder Fäkalunfall aber fahren, landen sie plötzlich bei einer groben deutschen Version von »Louie«, die, bei aller sturen Ausgedachtheit, immerhin kleine komische Momente hat. »Du bist’n Spast«, herrscht Ulmen linkisch den eifersüchtig beäugten, auf Rat des Freundes zur Rede gestellten Patchwork-Papi seiner Kinder an, und daß ich da lachen mußte, hat nichts damit zu tun, daß hier wer »sensationell politisch unkorrekt« ist, wie die sensationell begeisterte Kollegin Adorján in der SZ fand, sondern mit der komischen Differenz zwischen Wollen und Können, die Ulmen – der alle Dialoge, sagt er, der Improvisation überließ – hier noch weniger spielen muß als sonst.