Inhalt der Printausgabe

Oktober 2004


Die Musik und wir
TITANIC-Monatsgespräch
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Octo, Label-Manager Veith: "Musik ist irgendwie die gesungene Sprache der Seele."

TITANIC Guten Tag, Octo, Label-Manager Veith, ich begrüße Sie zum Thema Musik…
Veith (verschmitzt) Tim Renner an den Brenner?
TITANIC Ist das eine aktuelle Forderung in Ihren Kreisen?
Veith Ich weiß gar nicht, wo der ist, die sind doch alle gefeuert mittlerweile. Ich glaube, in der Musikindustrie weiß auch keiner mehr, wer noch arbeitet von den Leuten, und die Reste, die noch da sind, warten auf Entlassung. Man vergißt das Ganze am besten.
TITANIC Sie waren auch einmal in der Musikindustrie tätig?
Veith Weiß ich gar nicht mehr, ich hab so eine lange Vita… Man vergißt da gerne sehr schnell. Aber wir haben mit vielen großen Firmen gearbeitet. Ich arbeite ja noch mit einer recht bedeutenden, die irgendwie hauptsächlich BMG und Sony gehört, Rough Trade, und die sind seriös. Also für mich noch.
TITANIC Gut. Mittels welcher Medien wird Musik genutzt heutzutage?
Veith Wenn ich da bei meinen Freunden kucke, ist es so, daß sie den ganzen Tag am PC sitzen und alles runterladen.
TITANIC (besorgt) Illegal womöglich?
Veith (irritiert) Ja, ja klar. Aber das haben wir im Prinzip früher genauso getan. Wir saßen an unseren Radiogeräten und haben die ganze Zeit aufgenommen. Okay, in Deutschland lebten damals weniger Leute, weil die Ossis nicht da waren…
TITANIC Was hat das damit zu tun?
Veith Na, jetzt sind es 80 Millionen, damals waren es 60 Millionen. Deswegen wurde damals weniger kopiert.
Octo (energisch) Zumal, es wird ja immer von einem zum anderen kopiert, und da ist ja nicht nur der Unterschied zwischen 60 und 80, sondern da müssen wir ja beide Zahlen jeweils im Quadrat nehmen. Da haben wir ja schon den Unterschied zwischen 3600 und 6400, und dadurch ist das noch erheblich größer.
TITANIC (verwirrt) Millionen oder was?
Octo Millionen jeweils. Neinnein, wenn man dann natürlich die Millionen noch quadriert, dann haben wir ja Milliarden.
TITANIC (ablenkend) Und wie hat sich der Musikmarkt von der Technik her verändert?
Octo Also, erheblich! Es gibt mittlerweile sehr gute Tonträger, die mehr als zwei Kanäle abgeben, nämlich die Super-Audio-CD und die DVD-Audio. Aber das wird ja von den Nutzern weitgehend ignoriert.
Veith Soweit ich weiß, werden die meisten aus Polen und Tschechien eingeführt auf illegalem Weg.
TITANIC (interessiert) Aha?
Veith Wenn man mal ein bißchen länger an der Konstablerwache sitzt, dann kriegst du immer mit "Ey, neue Lieferung von DVD". Die tun mittlerweile mehr damit handeln als mit dem Rauschgift.
TITANIC (hellwach) Können Sie da mal was besorgen?
Veith (zögernd) Also ich könnte tatsächlich, aber ich will nicht. Ich kann nicht "Tu Gutes" singen und dann etwas Schlechtes tun.
Octo (väterlich) Du hast ja auch sicher nicht die Geräte gemeint, sondern…
TITANIC Dochdoch.
Veith Ich weiß einfach nur, wenn du heutzutage sagst, ich geh jetzt zum Saturn, dann heißt es "Ey, das mußt du doch nicht, ich kann dir das viel günstiger besorgen." Immer, überall, ständig. Ich verkehre ja hauptsächlich in Klöstern, aber…
TITANIC (überrascht) Wieso das?
Veith Weil ich mich da wohl fühle.
TITANIC-Leute und Mönche sind meine Freunde, und noch ein paar Schwuchteln und ein paar Musiker.
Octo Da gibt es doch den bekannten Bruder Paulus aus diesem Frankfurter Kloster, ich glaube, bürgerlich heißt er…
Veith Ich weiß, ich kenn den. Wieso kommst du denn auf ihn?
Octo Das ist ein Freund von dem FAZ-Technikredakteur Hans-Heinrich Pardey. Und Herr Pardey hat in seinen FAZ-Artikeln auch gelegentlich mal auf den Bruder Paulus Bezug genommen. U.a. auch darauf, daß er in technischer Hinsicht recht interessiert ist.
Veith Also, er ist technisch sehr begabt. Die ganze Zeit ging nämlich das Internet ganz gut im Kloster, und jetzt, wo er im Urlaub war, hatten die einen Dialer drin und konnten nicht damit umgehen.
TITANIC (entsetzt) Um Gottes willen, einen Dialer! Im Kloster!
Veith Da wollen wir ja nicht wissen, wo der herkam. (lacht) Da hat sicherlich mal ein Gast übernachtet. Aber der Paulus, der weiß auch, wie man schwarz brennt.
TITANIC (kombiniert) Das bedeutet, daß selbst in unseren Klöstern…
Octo Na ja, zum privaten Gebrauch darf man ja eine Kopie machen.
Veith Also, ich weiß jemanden, der in der Öffentlichkeit immer erzählt "Hört auf mit Brennen", und der, wenn er nicht sein neuestes Album mit seinen fantastischen drei Freunden produziert, selber den ganzen Tag brennt.
TITANIC Wirklich? Und stimmt es, daß Sie mit Smudo befreundet sind?
Veith (lacht) Nee.
TITANIC Soso, das illegale Brennen macht also auch vor Musikern nicht halt.
Veith Es ist einfach so 'ne Geschichte, wie wenn man sich in der Nase bohrt oder sich die Zähne putzt. Aber die Platte von Nicolai Dunger ist so toll - ich hab die gebrannt, ja? Und die gefällt mir so gut, ich glaube, ich werde sie mir noch bestellen, damit ich sie im Original habe.
TITANIC Wegen des Booklets?
Veith Es geht einfach um die Wertschätzung, daß man dem Künstler sein Geld gönnt.
TITANIC Das heißt, wenn Musik eine gewisse Qualität hat, ist man auch bereit, die Platte zu kaufen?
Octo Nein, ich würde es eigentlich weniger tun, weil ich in erster Linie gerne Radio höre. Da erhalte ich eine bessere Musikmischung.
Veith (angewidert) Ich höre kein Radio mehr.
Octo Aber die Sendung "Schwarzweiß" auf hr1, die ja jetzt leider nicht mehr läuft…
Veith Nein, die braucht man nicht. Da war ich höchstens mal als Gast. Wer hat das noch gemacht? Klaus Walter und der eine Onkel da aus… mit dem ich heute noch gemailt habe, aus Köln.
TITANIC Was haben die für Musik gespielt?
Veith Alles durcheinander. Ich bin ein Feind des Radios, man hat ja mittlerweile wirklich das Gefühl, ein Redakteur kann seinen eigenen Geschmack nicht mehr spielen, sondern es wird von den Firmen vordiktiert. Es geht da um Anteile und auch wieder um irgendwelche Gelder…
TITANIC Finstere Machenschaften?
Veith Mit Sicherheit. Die Moderatoren sind ja nur irgendwelche Puppen, die da hingesetzt werden.

"Die ABBA-Musik
ist sehr ausgewogen."


TITANIC Was macht denn überhaupt gute Musik aus?
Octo (eifrig) Ja, da hab ich eine Theorie dazu. Eine gute Musik sollte ein Zwischenspiel haben, also nicht immer nur Strophe - Refrain, Strophe - Refrain. Das andere Kriterium ist: Es sollte möglichst nicht so oft dieselbe Klaviertaste hintereinander betätigt werden. Also, immer wenn sechsmal oder siebenmal die gleiche Note hintereinander kommt, und wenn sich das in einem Stück häuft, dann ist das ein Indikator für schlechte Musik. Ein ganz typisches Beispiel ist der "Lemon Tree".
Veith (aufgebracht) Scheiße war das! Oder "Live is Life". Das war nur zu ertragen in der harten Fassung von Laibach, "Lebben heißt Lebben".
Octo Und ganz wichtig als Qualitätskriterium für dauerhafte Evergreens: Es muß eine Musik und ein Text sein, bei dem man gleichzeitig oder abwechselnd lachen und weinen kann. Wo man je nach Stimmung schmunzeln kann oder weinen. Eine Musik, die eben diese Aspekte der Traurigkeit und der Fröhlichkeit in sich vereint.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
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