Inhalt der Printausgabe
Oktober 2001
Humorkritik
(Seite 4 von 6)
David Foster Wallace |
DFW, wie er mittlerweile liebevoll gekürzelt wird, ist seit seinem 1996er Romanmonstrum "Infinite Jest" der Welt zufolge "Amerikas neuer Erzählstar". Als ob die was davon verstünde. Namen wie Jonathan Franzen, Lorrie Moore, Jeffrey Eugenides, Richard Powers oder Rick Moody lese ich da angelegentlich "Amerikas nächster Schriftstellergeneration" (loc. cit.), die unter dem Segel "Ironie eignet sich nicht für den Dauereinsatz" über den großen Teich gepaddelt kommt. Als ob es immer nur um Ironie und ihren Dauereinsatz ginge! Manchmal scheint mir, die Amis haben noch keine einzige meiner Humorkritiken gelesen. Die genannten Herrschaften sind alle so um 1960 geboren, und DFW scheint mit seinen 39 Jahren sogar der Jüngste zu sein. "Foster Wallace ist eine 3stufige Rakete in die Zukunft", zitiert man auf dem Um-schlag Don DeLillo. Ich indes reagiere mittlerweile allergisch, wenn mir derart angepriesene Gestalten im mittlerweile hoch verdächtigen Kiepenheuer & Witsch- Verlag präsentiert werden, denn der vor wenigen Monaten erschienene, von Marcus Ingendaay "kongenial" (Die Welt) übersetzte Erzählungsband "Kleines Mäd-chen mit komischen Haaren" ist auf seltsame Weise verstümmelt. Ein ansehnlicher Teil der Originalstories fehlt. Warum? Auch der Lektor erklärt es in seinem unglaublich eitlen Nachwort nicht. Anhand eines ziemlich schmalen und obendrein frech gestutzten Buches mache ich mir lieber kein Bild. Hängengeblieben ist bei mir vorerst allein die reichlich groteske Titelgeschichte, die sowohl des Autors als auch des Übersetzers grandiose Fähigkeit widerspiegelt, einen Jargon einzufangen, der üblicherweise von Leuten gepflegt wird, die kognitiv dauerhaft über ihre Verhältnisse leben: am ehesten vergleichbar, sagen wir, mit originalitätssüchtigen (nicht zotigen!) Leserbriefen an Heavy-Metal- oder Punk-Magazine. Wie gespenstisch distanziert der Ich-Erzähler operiert, geht aus der bislang am häufigsten zitierten Passage hervor: "Von der Straße hinter ihrem gemieteten Haus in Los Angeles organisierte uns Big derweil einen kleinen Welpen, den er in Benzin tränkte und den ich dann im Kellerraum anzünden durfte, worauf wir alle einen Schritt zurücktraten, während das Hündchen mehrmals kreuz und quer durch den Keller sauste." Meine beiden Lieblingssätze aus diesem Buch indes lauten: "Er wirkte mit einem Mal kein bißchen älter, als er tatsächlich war." Und: "Die weitergehende Entwicklung verlief dunkel und einzigartig." Das läßt hoffen. |
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