Inhalt der Printausgabe

Januar 2001


Rinderwahn!


Wenn man derzeit einmal zufällig mit aufgebrachten Bauern, Bild-Lesern oder Sodomisten ins Gespräch kommt, scheint es nur ein einziges Thema zu geben: Rinderwahn! Ein Thema, das auch uns hier in der Redaktion gründlich den Appetit verdorben hat, zumindest seitdem sich in Deutschland erstmals ein Mensch infizierte. Das Grauen hat einen Namen - drei Buchstaben, die für Hirnerweichung stehen, für völlige Sprach- und Orientierungslosigkeit: RAU.
Martin Sonneborn, Chefredakteur
Martin Sonneborn,
Chefredakteur
Seit über zwei Jahren schon informiert TITANIC die Öffentlichkeit kontinuierlich über den neusten Stand im Fall RAU - vergebens! Die ganze Zeit über haben Spitzenpolitiker aller Couleur die Existenz von Rinderwahnsinn in Deutschland bei Mensch und Tier bestritten. Wie sich heute herausstellt, oftmals wider besseres Wissen, denn sie alle hatten fast täglich Umgang mit RAU, hatten das schreckliche Leiden direkt vor Augen. War es die Angst, sich ebenfalls infiziert zu haben, bei einem Hintergrundgespräch im Bundespräsidialamt?

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Das infektiöse Prion gilt als ungheuer robust. Es stirbt in Natronlauge oder unter extrem hohen Temperaturen

Sogar als der Bundespräsident bereits deutliche Anzeichen der furchtbaren Seuche aufwies, wurde das Risiko weiter verharmlost. "Keine Gefahr für den Verbraucher", hieß es aus Landwirtschafts- und Gesundheitsministerium noch, als RAU vor dem Untersuchungsausschuß zur Flugaffäre schon grobe Lücken im Gedächtnis offenbarte, als er wenig später in den heimischen Wänden unkontrolliert gegen Einrichtungsgegenstände zu torkeln begann (TITANIC 5/2000).

Wieder und immer wieder haben wir in dieser Zeit gefordert, den frei herumreisenden, möglicherweise hochinfektiösen Prionenklumpen aus dem Verkehr zu ziehen, seinen Körper der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen und entwürdigende Tierversuche daran vorzunehmen. Es hat nichts gefruchtet. Anstatt wenigstens schon mal Risikomaterial wie Hirn, Rückenmark und Augen sicherzustellen, hat man der wandelnden Wuppertaler Zeitbombe bis heute lediglich eine Niere und ein Stück Bauch-Aorta entnommen - Fleischstücke, in denen sich der Wahnsinn beim derzeitigen Stand der Forschung kaum nachweisen läßt!

Wann endlich gibt es eine offizielle Fragestunde zu diesem Thema? Was hat der SPD-Politiker, möglicherweise aus Scham, zu verbergen? Wurde im Schloß Bellevue zu viel Tiermehlkuchen verfüttert? Oder ist ihm eine verhängnisvolle Leidenschaft, eine unglückliche Tierliebe zum Verhängnis geworden?

Schon eine simple Obduktion könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit die Frage klären, über der weltweit die Forscher brüten: Vom Schaf über das Rind zum Bundespräsidenten (oder umgekehrt?!) - wie konnte der tödliche Schwamm den Sprung über die Artengrenze schaffen?

Wozu immer sich die Verantwortlichen in dieser Situation entschließen, eines jedenfalls muß gewährleistet sein: Auch nach einer möglichen Notschlachtung darf der Bundespräsident unter keinen Umständen in die Nahrungskette gelangen! Der Gedanke, Teile von Joh. RAUs Hirn würden z.B. die aus Innereien und minderwertigen Fleischresten bestehenden Hamburger verunreinigen, hat schon etwas bestürzend Ekelhaftes.

Herzlichst, Ihr
Martin Sonneborn


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg