Vom Fachmann für Kenner | September 2014


So gut wie gar nicht

Bei aller Toleranz, allem Wohlwollen und positiven Gegenübertreten entdecke ich in mir doch gelegentlich einen beinahe nicht wahrnehmbaren, ganz schwachen Hauch von Voreingenommenheit in Sachen gleichgeschlechtlicher Liebe. Mit anderen Worten: Ich bin homöophob.

Manuel Fuchs

Problemkindheit

Als ich noch Kind war, hieß es schon
fünfmal die Woche: saufen
und dann mit Mutter raufen.
Ich war ihr erstgeborner Sohn.

Schon als ich Kind war: stets betrunken,
nach Kotz und Suff und Rauch gestunken,
nur rumgebrüllt und sonntags Kater –
Gott hab ihn selig, meinen Vater.

Verena Lindiger

Speicher

Wenn die Festplatte mal wieder rammelvoll von schrecklich vielen Erwachsenenfilmen ist, die man unter Lebensgefahr gesaugt, für eine Löschung aber noch nicht ausreichend studiert hat, dann empfiehlt sich ein einfacher Trick: Setzen Sie sich hin und räumen Sie mal wieder gründlich die Bits auf. Die Einser werden aufgehoben, die Nuller aussortiert, und im Handumdrehen sind wieder bis zu fünfzig Prozent Speicherkapazität frei.

Theobald Fuchs

Kinderarbeit

Gibt es in Ländern wie Indien, Bangladesch und Sri Lanka eigentlich einen »Bring Your Father to Work Day«?

Arno Lücker

Know your Syntax

Neulich im Supermarkt, die Kassiererin: »So, dann wären’s zwölf Euro siebzig bitte.« Ein Kunde: »Warum ›dann‹? Was habt ihr Kassierer immer mit diesem ›dann‹? Das ergibt überhaupt keinen Sinn und ist ein unbedachtes Füllwort!« – »Das ›dann‹ ist in diesem Fall ein Konjunktionaladverb und schließt an einen Konditionalsatz an, den ich schweigend voraussetze. Er könnte etwa lauten: ›Wenn Sie Hammel Ihren dämlichen Scheiß mit nach Hause nehmen wollen, dann…‹« Kunde: »Ähm, naja, oh. Schönen Tag dann noch!«

Wanja Lindenthal

Lernerfolg

Einmal besuchte ich einen Kurs für »Gewaltfreie Kommunikation« an der hiesigen Volkshochschule. Leider hatte der Hausmeister vergessen, den Seminarraum aufzusperren, und so standen wir alle dumm herum. Weil er auch nach einer halben Stunde nirgends zu finden war, entschied die Dozentin, man könne genausogut hier auf dem eiskalten Flur beginnen. Als sie gerade den Einfluß von Gandhi auf Rosenbergs Konzept erläuterte, fiel der Hausmeister plötzlich über uns her, was uns denn einfalle, auf dem Boden herumzulungern, das gehe ja gar nicht. Die Dozentin aber blieb ganz ruhig. Zwischen dünnen Lippen zischte sie hervor: »Ich steche dich ab«. Der Mann verstummte sofort. Seitdem mache ich das genauso gewaltfrei, und es funktioniert tatsächlich.

Tibor Rácskai

Napoleon-Komplex

Von Historikern weitgehend unbeachtet: Zeit seines Lebens versuchte Napoleon seinen Größenwahn durch eine extrem gebückte Körperhaltung zu kompensieren.

Michael Schilling

Schöner wohnen

Mein Großvater gab mir, als ich im Grundschulalter war, den schönen Ratschlag, ich solle nach dem großen Geschäft einfach mal das Klopapier weglassen, dann könne ich »das Bett stempeln«. Das Ergebnis war tatsächlich ein spektakuläres und die Durchführung spaßig, Opas Zusatz aber – »Das freut die Mama!« – entpuppte sich dann doch recht schnell als Lüge.

Ingo Krämer

Indianer, nein danke

Schon als Kind mochte ich keine Indianer, was wohl an der verklärenden Art lag, in der sie mir damals präsentiert wurden: ewig diese edlen Rothäute, die stolz durch die Prärie ritten, mit der Natur im Einklang lebten und geschwollene Weisheiten von sich gaben. Beim Cowboy-und- Indianerspielen gab ich deshalb immer den harten, wortkargen Desperado, der seinen Platzpatronencolt sprechen ließ und erbarmungslos nach der Devise verfuhr »Rothaut gehört totg’haut«. Als Winnetou, der Edelste der Edlen, starb, vergoß auch ich Tränen, allerdings vor Freude. Bis heute hat sich jene Antipathie erhalten. Und nachdem wir auf einem guten Weg sind, den letzten Baum zu roden, den letzten Fluß zu vergiften und den letzen Fisch zu fangen, hoffe ich, daß bald endlich Geld erfunden wird, das man essen kann.

Thorsten Mausehund

Verquer

Wurde das erste Navigationsgerät eigentlich nach einem ganz speziellen Verfahren entwickelt?

Tina Wirtz

Beef unter Innenarchitekten

Zwei gute Freunde, Jan und Maria, studieren zusammen Innenarchitektur und streiten sich leidenschaftlich gerne darüber, wer von ihnen den besseren Einrichtungsgeschmack hat. Als wir in einem Möbelhaus für meine Wohnung ein neues Sofa aussuchen, eskaliert die Situation mal wieder: Die eine bescheinigt dem anderen schlechten Geschmack und umgekehrt. Als Jan gerade persönlich werden will, stoppt ihn Maria mit drohenden Worten: »Paß auf, was du sagst: Ich weiß, wie du wohnst!«

Ernst Jordan

Zirkumdiskussion

In der U-Bahn-Station unterhielten sich neben mir kürzlich zwei junge Damen über die Beschneidung von Knaben. Die eine sprach sich für die Entfernung der Vorhaut aus, während ihre Freundin unentschlossen schien. Die Befürworterin der Genitalkorrektur versuchte die Zweiflerin schließlich mit einem rhetorischen Kniff auf ihre Seite zu ziehen: »Das hat rein hygienische Gründe. Kennst du diese chinesischen Faltenhunde?« Anschließend schweifte das Gespräch leider in eine andere Richtung ab, dabei hätte ich zu gerne genauer erfahren, mit welch abnormen Penissen diese Sauberkeitsfetischistin bislang in Kontakt gekommen war.

Valentin Witt

Vielfalt ist das Ah und Oh!

Meine Freundin und ich haben kürzlich beschlossen, wieder etwas mehr Abwechslung in unsere Beziehung hineinzubringen. Seither wechseln wir im Bett jede Nacht vor dem Schlafengehen die Seiten.

Sebastian Klug

Spartip für Kenner

Erstaunlich! Der Geschmack, der sich in Mund-, Nasen- und Rachenraum ausbreitet, wenn man eine Stunde nach Verzehr einer Rindsroulade mit Knödeln und Rotkraut aus dem Mittagsangebot der Bockenheimer Metzgerei Waibel (7,20 Euro) aufstößt, ist exakt der gleiche wie der nach einem kleinen Big-Mac-Menü der Fastfoodkette McDonald’s (ca. 6 Euro), ebenfalls eine Stunde nach Verzehr. Wer also lediglich auf diesen Effekt spekuliert, kommt mit letzterem billiger davon.

Mark-Stefan Tietze

Jean-Paul Sartre

gilt als ganz guter Gedankenmensch. Bei einem Blick in seine »Entwürfe für eine Moralphilosophie« kamen mir jetzt Zweifel an des Denkers Darstellungen. Kalenderspruchartig hat er etwa diesen Satz zusammengekloppt: »Suchst du die Authentizität um der Authentizität willen, bist du nicht mehr authentisch.« Ich versuch’s auch mal: »Suchst du moralisch zu sein um der Moral willen, bist du nicht mehr moralisch.« Klingt auch gut, nicht? Oder was ist mit dem hier: »Die Erkenntnis ist, so sie um der Erkenntnis willen erlangt wird, keine Erkenntnis.« Ich könnt’ Gefallen an dem Spiel finden. Ob ich damit aber in den Olymp der großen Denker aufrücke? Dann geht’s bei Sartre um etwas, was er »Konversion« nennt: »Man kann die Konversion nicht allein vollziehen. Anders gesagt, die Moral ist nur möglich, wenn alle moralisch sind.« Wie lang hat Sartre wohl an solchen Sätzen gefeilt? Eine halbe Minute vielleicht, oder doch eine Filterlose lang? Wahrscheinlich ist er bei der nächsten Packung ja auch schon wieder ganz anderer und der Meinung gewesen, daß Moral dann möglich sein muß, wenn nicht alle moralisch sind. Das hat Sartre aber nicht aufgeschrieben, sondern lieber das hier: »Die einzige Grundlage des moralischen Lebens muß die Spontaneität sein, das Unmittelbare, das Unreflektierte.« Ich habe mir vorgenommen, darüber nicht allzulang zu reflektieren.

Ludger Fischer

Zwei Fliegen mit einer Klappe:

Frisch verlebt.

Moses Wolff

Her damit!

Ist die Ruppigkeit, mit der mir der Fahrkartenautomat den 5-Euro-Schein aus der Hand reißt, schon ein erster Vorgeschmack darauf, wie die Maschinen in Zukunft einmal mit uns umspringen werden?

Teja Fischer

Urlaub in der Region

Reisen ist teuer und stressig. Daher mein Vorschlag: Wie wäre es, wenn Sparkasse, Subway, Rossmann, Rewe, Edeka, Eisdiele, Zara, H&M, Hipster-Café und Indie-Club jeden Sommer die Räumlichkeiten tauschen würden? Dann hätte man den erfrischenden Eindruck, in einer ganz neuen, nie besuchten Stadt zu sein, und könnte mit dem gesparten Geld beim Summer-Sale ein paar fair produzierte Klamotten kaufen. Natürlich aus Bangladesch.

Dominik Mauer

Father and Son

Wie sehr doch die Entwicklung des Internets über die letzten Jahre an Eltern vorbeigerauscht ist, wurde mir erst unlängst bewußt, als ich meinem fünfzehnjährigen Sohn kurz beim Surfen heimlich über die Schultern schaute. »Sonja braucht Pfeffer« konnte ich da als verheißungsvollen Link, den mein Sprößling gerade im Begriff war anzuklicken, auf dem Bildschirm lesen und überließ ihn schnell wieder seiner Privatsphäre. Ich war sehr beruhigt, daß das Internet für Heranwachsende trotz all des neuartigen technischen Tamtams anscheinend nach wie vor noch genau das ist, was es vor 17 Jahren auch schon für mich war: nämlich die größte Wichsvorlage aller Zeiten. Ein wenig enttäuscht war ich dann doch, als ich später erfuhr, daß der Sohnemann lediglich »Farm Ville« spielte.

Daniel Sibbe

Abzocke

Nach erfolgreich absolvierter Schwangerschaft gehe ich nun zum Rückbildungskurs und bin stark enttäuscht: Ich hab jetzt schon dreimal mitgemacht, aber das Baby ist immer noch da!

Annalena Hagenah

Profiling

Wirft man einen Blick auf Wikipedias »Liste von Serienmördern«, stößt man darin auf Gestalten wie den »Sunday Morning Slasher«, das »Monster vom Niederrhein«, die »Bestie vom Schlesischen Bahnhof«, den »Boston Strangler«, die »Menschenfresserin aus der Goutte d’Or« und den »Todespfleger von Luzern«. Ich bin kein Kriminalist, aber: Könnte man nicht Hunderte von schrecklichen Morden verhindern, wenn man hin und wieder Personen mit solchen Spitznamen genauer unter die Lupe nähme?

Torsten Gaitzsch

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg