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"Liebling, ich habe die Portionsgrößen geschrumpft"

Berichte zum Thema Inflation sind derzeit schon inflationär und nerven. Reden wir also über Shrinkflation – das Verkaufen verringerter Füllmengen zum alten Preis. Über den Trend zur Portionsgrößenverkleinerung sprach TITANIC mit der CEO der marktführenden Mogelpackung-Consulting-Firma "Schrumpf Schwindel Solutions".

TITANIC: Frau Beatrix Winzick, Sie sind CEO der Mogelpackung-Consulting-Firma "Schrumpf Schwindel Solutions". Was genau macht Ihr Unternehmen?

WINZICK: Zuerst möchte ich Sie herzlich willkommen heißen hier in unserer Mitarbeiter-Verpackung, wie wir unser Bürogebäude nennen. Und nun zu Ihrer Frage: Wir sind Marktführer im Bereich Verbraucher-Verschaukelung mit Schwerpunkt Shrinkflation. Das heißt, verschiedene Produzenten von Verbrauchsgütern kommen zu uns, damit wir sie im Prozess der gut versteckten Portionsgrößenverkleinerung unterstützen. Apropos: Darf ich Ihnen sehr wenig Kaffee, in einer so mickrigen Tasse serviert, dass es schon wieder nach sehr viel Kaffee aussieht, anbieten?

TITANIC: Danke, später sehr gerne. Sagen Sie, Frau Winzick: Dieses heimliche Schrumpfen der Füllmenge eines Produktes bei gleichbleibendem Verkaufspreis und oft mit einer Verpackung, die die alte Füllmenge vortäuscht, ist ja nichts anderes als eine versteckte Verteuerung. Verstehen Sie, wenn Verbraucherschützer:innen diese Mogelpackungen kritisieren?

WINZICK: Wir in der Füllungs-Verzwergungs-Branche sprechen statt "mogeln" lieber von "kreativem Einwickeln" – in diesem Fall: Einwickeln des Produktes wie auch der Kundinnen und Kunden. Außerdem: Wissen Sie überhaupt mit Sicherheit, dass die Füllmengen einiger Produkte zurzeit tatsächlich kleiner werden? Im 16. Jahrhundert betrug die durchschnittliche Körpergröße hierzulande 161 Zentimeter. Heute sind es in Deutschland 171 Zentimeter. Könnte es also nicht genauso gut sein, dass es nur so wirkt, als sei der Inhalt kleiner, in Wahrheit sind aber einfach nur die Menschen größer geworden?

TITANIC: Eher nicht, oder?

WINZICK: Nein, natürlich nicht. Aber was sollen die Hersteller tun? Irgendwie müssen sie ja die gestiegenen Ausgaben ausgleichen und da ist Shrinkflation ein geeignetes Mittel.

TITANIC: Na ja, sie könnten notwendige Preiserhöhungen offen zugeben und nicht versuchen, sie zu verbergen und den Kund:innen unterzujubeln.

WINZICK: Ach was! Seien Sie nicht päpstlicher als die Hostienbackindustrie. Mit der haben wir übrigens auch bereits zusammengearbeitet. Seither ist, um Kosten zu sparen, jede dritte Hostie in der Abendmahlbrot-Box gar kein echter Leib Christi, sondern nur eine handelsübliche Backoblate. Und seien wir uns ehrlich: Bei manchen Produkten können die Konsumenten doch nur froh sein, dass von dem fetttriefenden Chips-Gebrösel und dem ekligen Margarinen-Modder etwas weniger in der Packung ist.

TITANIC: Ihre Firma "Schrumpf Schwindel Solutions" dürfte gerade in diesen wirtschaftlich so schwierigen Zeiten auf enormes Interesse stoßen. Wie sieht die Auftragslage im Moment aus?

WINZICK: Das Schrumpf-Business ist ein Wachstumsmarkt. Unser Konzern ist mittlerweile mit dem Verkleinern ganz groß rausgekommen.

TITANIC: Und wie läuft eine gelungene Shrinkflation genau ab?

WINZICK: Da will ich Sie jetzt gar nicht mit technischen Details, wie den riesigen Schrumpf-Strahlenkanonen in unseren geheimen, unterirdischen Forschungslaboren, langweilen. Nur so viel: Wenn man das erste Mal "Liebling, ich habe die Portionsgrößen geschrumpft!" ausrufen kann, ist das ein erhebender Moment.

TITANIC: Dann verraten Sie uns zumindest: Worauf muss man bei der Gehalts-Einschrumpelung besonders achten?

WINZICK: Das Wichtigste ist: Die Verpackung muss optisch schön gestaltet sein. Wenn man um die Mogelpackung eine festliche, seidige Betrugsmasche herumbindet, dann macht es den Leuten fast nichts aus, wenn bei gleichem Preis nur noch die Hälfte drin ist. Unser Ziel ist es deshalb, das Verpackungs-Design so lange zu verbessern, bis den Kundinnen und Kunden der Inhalt irgendwann endlich komplett egal ist. Die Füllung wird ab diesem Zeitpunkt nur noch eine Art Packungsbeilage sein.

TITANIC: Sie haben mit "Schrumpf Schwindel Solutions" also noch Großes vor. Vielen Dank für das Gespräch! Frau Winzick, haben Sie eigentlich auch das Gefühl, dass wir gerade schrumpfen?

WINZICK: Ja, durchaus und das könnte tatsächlich der Fall sein. Der Besprechungsraum befindet sich direkt über dem Schrumpflabor. Da kriegt man manchmal ein paar Strahlen ab.
TITANIC: Aha. Und wann hört das auf?
WINZICK: Schwer zu sagen.
Manchmal gar nicht.
Da schrumpft man immer weiter
bis man schließlich ganz
verschwindet.

Produktinformation:Dieses TITANIC-Online-Interview enthält 25 Wörter weniger als gewohnt, hat aber weiterhin den alten Preis (0 €).

Jürgen Miedl

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.05.2024 Wien, Rabenhoftheater Max Goldt
23.05.2024 Bielefeld, Theaterlabor Max Goldt
24.05.2024 Dresden, Buchladen Tante Leuk Thomas Gsella
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst »POLO«