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Eine große Bandbreite an Parent-Control-Möglichkeiten

In den USA diskutieren Kinder von QAnon-Anhängern auf Reddit, und auch hierzulande tauschen Jugendliche in Chat-Hinterzimmern und über TikTok Ratschläge aus, um die Gedanken ihrer verschwörungsaffinen Eltern während des Lockdowns wieder unter Kontrolle zu bringen. Wir haben ihre Tipps gesammelt.

Die richtigen Fragen stellen

Nach fast einem Jahr Homeschooling und Homeoffice leiden auch gut organisierte Mealprepper unter Lagerkoller. Vielerorts explodieren nicht nur die Preise für Paravents und Raumtrenner. Da sollte alles vermieden werden, was die Stimmung in der offenen Wohnzimmerküche weiter aufheizt, vor allem aggressive Belehrungen. Zumal Eltern ihre Kinder bekanntlich nicht gern als Lehrer akzeptieren. Besser ist es, die Erziehungsberechtigten gezielt zu irritieren. Ein guter Ausgangspunkt ist der Klassiker "Cui bono? – Wem nützt es?". Fragen wie "Wer profitiert davon, dass Millionen Menschen durch Corona einen geschwächten Geschmackssinn haben, wenn nicht das Maggi-Knorr-Würzkartell?", oder auch "Warum druckt der Drucker eine Seite nie dann, wenn man sie braucht, dafür aber Stunden später, wie aus dem Nichts? Kann das noch Zufall sein?“ regen zum Nachdenken an. So kann man bestehende Verschwörungsüberzeugungen zwar nicht ausräumen, aber immerhin hier und da durch harmlosere ersetzen.

Technische Lösungen

Die Anzahl der Parent-Control-Möglichkeiten wächst stetig. Radikale Elternschützer*innengruppen blocken Webseiten oder setzen sogenannte Parent-PCs ein, welche Eltern über Gesichtserkennung identifizieren und als gefährdend eingestufte Inhalte komplett abschirmen. Wenn Nachfragen kommen, können Kinder immer noch die Regierung verantwortlich machen (mehr dazu unter dem nächsten Punkt). Wer etwas kleiner anfangen möchte, kann sich in einem unbeobachteten Moment an den Eltern-Laptop setzen und beim Googlen gezielt die ungefährlichen Ergebnisse auswählen, um das Werbeprofil zu verändern oder bei der Facebook-Reklame für den Kopp-Verlag auf "ich möchte das nicht sehen" klicken. Noch etwas raffinierter: Wann immer das Smartphone des Elternteils in der Nähe ist, das Gespräch auf seine anderen Interessen lenken, in der Hoffnung, dass der Facebook-Messenger "mithorcht" und Facebook anschließend entsprechende Anzeigen in die Timeline spült.

Vorhandene Narrative nutzen

Viele Eltern glauben Verschwörungsmythen, weil sie Ungewissheit nur schwer ertragen können. Mit Logik kommt man da meistens nicht weiter. Um seinen Einfluss auf die Gedankenwelt der Eltern nicht zu verlieren, kann es daher sinnvoller sein, Alternative Fakten als Argumentationsgrundlage zu nutzen, z.B. so: "Unsere Lehrerin hat mal wieder so riesige Dateien hochgeladen, weil die Regierung sie als 5G-Marionette einsetzt. Kannst du mal gerade Youtube schließen, damit ich sie auch so herunterladen kann?" oder "Ich weiß, du lehnst Impfungen ab, aber würdest du es dir noch mal überlegen, wenn das russische Vakzin hier auf den Markt käme?". So können Einstellungen Schritt für Schritt verändert werden.

Wertschätzende Perspektive einnehmen

"Wer ist dieser anonyme Maulwurf, der ständig versucht, den Online-Unterricht über Microsoft Teams zu stören und wo ist eigentlich Papa gerade?" haben sich manche Kinder verschwörungsgläubiger Eltern in letzter Zeit gefragt. Hier braucht es eine wertschätzende Wahrnehmung des Elternteils und der Situation. Ein Vater, der im hintersten Winkel der Wohnung auf geheimer Mission unterwegs ist, sitzt bei der Videokonferenz zumindest nicht mit am Küchentisch und brüllt so laut ins Smartphone, dass man von der Lehrerin gemutet wird. Das reduziert immerhin den Cringe-Faktor. Es lohnt sich also, nach positiven Aspekten im Verhalten der Erziehungsberechtigten zu suchen.

Alternativen anbieten

Das Kieser-Training ist dicht und den unfähigen Kollegen per Mail runterzuputzen, ist auch nicht dasselbe. Da ist es kein Wunder, dass sich der elterliche Frust mal wieder in der Kommentarspalte unter einem Karl-Lauterbach-Interview Bahn bricht. Wer das verhindern will, sollte alternative Ventile für die aufgestaute Aggression bereitstellen. Eine gute Grundlage hierfür bietet die Frage nach früheren Wutauslösern von Vater oder Mutter. Mögliche Reizthemen sind z.B. Schulessen, Tempolimit oder gendergerechte Sprache. Auch ein Kind, das gesunde Nahrung verweigert, provoziert mitunter stark und kann nach und nach sogar zum Strippenzieher der Familie werden. Wenn der Vater, während man Geografie-Hausaufgaben macht, mal wieder die Staatsgrenzen im Diercke-Weltatlas anzweifelt, tut es manchmal auch etwas Ablenkung. In dieser Situation kann man z.B. ein Zoom-Meeting mit dem Namen "Bilderberg-Konferenz" eröffnen und dem Elternteil einen "geheimen Link" zukommen lassen, um ihn für ein paar Minuten zu beschäftigen. Da viele verschwörungsgläubige Eltern über eine geringe Medienkompetenz verfügen und dazu tendieren, Informationen aus dem Internet für wahr zu halten, solange sie nicht von einem sog. Systemmedium stammen, gibt es hier viele Möglichkeiten.

Julia Mateus

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg