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Frau Marieke auf Haus Pindakaas
Mit ihrem Abschied vom Königshaus sorgen Meghan und Harry für reichlich Schlagzeilen. Dabei ist die Idee, sich ins bürgerliche Leben zurückzuziehen um in Bedeutungslosigkeit und bürgerlicher Mittelmäßigkeit dahinzusiechen, keineswegs neu, wie diese Beispiele der Geschichte zeigen:
Lästige Bilderjäger gibt es nicht erst seit Erfindung des Fotoapparates. Großherzogin Marieke van Oranje ist die wohl erste Blaublütige, die für ihre Abneigung gegenüber der Öffentlichkeit bekannt wurde. Ihre strikte Weigerung, sich porträtieren zu lassen, führte 1566 zu ihrem vollständigen Rückzug auf Haus Pindakaas im niederländischen Apeldoorn, womit sie das Interesse an ihrer Person jedoch nur verstärkte. Schon beim morgendlichen Spaziergang im Lustgarten hörte sie die Staffeleien klappern und sah gierige Augäpfel durch die Hecke spähen. In schierer Verzweiflung ging Marieke verbal gegen die aufdringlichen Maler vor und wurde handgreiflich. Schließlich legte sie all ihre Titel ab, trennte sich von ihrem Ehemann Piet-Arjen und stürzte sich in eine wilde Affaire mit einem arabischen Händler. Ihr neuer, rauschhafter Lebensstil gipfelte in einem tragischen Unfall, als die Pferdekutsche des Paares einen Brückenpfeiler rammte. Marieke verstauchte sich das linke Handgelenk.
Auch Friedrich Sigismund von Hohenzollern, Schwippcousin von Wilhelm I, tat sich als Person des öffentlichen Lebens schwer. Da es ihm Zeit seines Lebens nicht gelang, seiner Frau Johanna Nachwuchs zu schenken, wurde er in Karikaturen stets mit Pickelhaube dargestellt, wobei der Pickel schlaff herabhing. Dieser Anspielung auf seinen Penis begegnete der "Schlappefritz" (manchmal auch andeutungsvoll "der fortpflanzungsunfähige Fritz") mit ausschweifenden Erzählungen von seinem angeblichen Liebesleben: "Schon zu früher Morgenstunde ragte die Siegessäule, der fürstliche Pint, triumphal zwischen den Laken empor, um die Fürsorge meiner lieben Johanna zu empfangen." Es half nichts. Das Paar wurde zum Gespött des Reiches und setzte sich unter den Namen Adolf und Gwendoline Bierschiss nach "Deutsch-Südwest" ab, wo sich Friedrich als Soldat meldete und durch besondere Grausamkeit verdient machte.
Das nächste Beispiel handelt von einem Aristokraten, der auszog, um seine Liebe zum Speiseeis zum Beruf zu machen. Nein, es geht nicht um Fürst Pückler, an den Sie jetzt wahrscheinlich gedacht haben! Die Rede ist von Ed von Schleck, oder genauer: Eduard Ernst Rüdiger Lutschfried Freiherr von Schleck, der sich Mitte des letzten Jahrhunderts vom Herzogtum Schleck-Hardenberg emanzipierte, um das Aushängeschild für ein selbst entwickeltes Speiseeis zu werden – mit Erfolg!
Nicht zuletzt hat die Enteignung vieler Königshäuser dazu beigetragen, dass heute zahlreiche Adlige unter uns Normalsterblichen weilen. So zum Beispiel in Wien vor Schloss Schönbrunn, wo der Food Truck "HabsBURGER" steht. Betrieben wird er von Hubi, der eigentlich Franz Hubert Hubert von Habsburg heißt, und seiner Freundin Bine. Das Studium der Medienkommunikation hat er geschmissen, um sich ganz auf "seine Craftschaft" zu konzentrieren, wie er seinen "Fleischlusttempel" auch scherzhaft nennt. Den doppelköpfigen Adler der Habsburgermonarchie darf er nur wegen seiner Blutsverwandschaft zum ehemaligen Staatsoberhaupt ins Brötchen prägen. Das Menü mit Kaiserspritzer und Schmarrn gibt's für 9,90 Euro.
Leo Riegel