Inhalt der Printausgabe

März 2002


Großer TITANIC Kanzler-Test
(Seite 2 von 9)

Kaum war Edmund Stoiber von der Union zum Kanzlerkandidaten ausgerufen worden, ging das Gezeter auch schon los: Er sei "ein Spalter, der unserem Land und unserer Partei nicht guttut" (Franz Müntefering), er werde "die Gesellschaft polarisieren" (Kanzler Schröder), ja, er sei "sicherlich eine gute Wahl" (H. Kohl). Die SPD reagierte mit kaum verhohlener Sorge auf den Herausforderer aus Bayern, der in vielen Punkten dem Amtsinhaber überlegen scheint: Während Schröder am Kurs der ruhigen Hand festhält und selbst seiner Frau nur noch ab und zu mal eine langt, verspricht Stoiber eine Politik aus dem Handgelenk, die Deutschland wieder aufrichtet und hartmacht; während Schröder zu faul zum Aktenlesen ist und Politik lieber aus dem Bauch macht, kommt Stoiber schon frühmorgens im Büro und streicht in Zeitschriften Grammatikfehler an. Ein bißchen steif sei er manchmal, kritisieren ihn enge Mitarbeiter mit vorgehaltener Hand, aber wenn es hart auf hart komme, beweise er kaum nachahmliche Steherqualitäten.

Haben die Deutschen wirklich schon genug vom ewigen Spaßkanzler? Gerhard Schröder weiß, daß die meisten Probleme der Ära Kohl weit davon entfernt sind, gelöst zu sein: Die Arbeitslosen kaufen nicht genug, die Gewerkschaften sind immer noch nicht aufgelöst, und die Putzwoche hat nach wie vor sieben Tage. Werden es noch mehr, wird das Bündnis für Hausarbeit endgültig platzen - und dann? Wer räumt dann auf?

Im Zweifelsfall Stoiber. Beim Wahlkampfauftakt in Frankfurt am Main ließ er es an Aggressivität und Signalen der Kampfbereitschaft nicht fehlen: "Neue Besen kehren gut, meine sehr verehrten Damen und Herren!" oder "Es muß einiges anders werden in dieser Bundesrepublik Deutschland!" oder "So kann es jedenfalls nicht weitergehen. Vielen Dank." Viele fürchten, mit Stoiber werde ein Ruck durchs Land gehen, und zwar nach rechts, Richtung Polen. Dort hat man schon mal prophylaktisch die Oder vermint und die Preise für Panzerdiesel erhöht.

Und Schröder? Gibt sich gelassen: "Hunde, die bellen, knall' ich ab." Dabei macht ihm sein Kabinett die Sache nicht eben leichter: Rudolf Scharping bestellt im Internet Flugzeuge und kann sie dann nicht bezahlen; Otto Schily probiert schon Hüte auf, damit er beizeiten einen schönen zum Nehmen hat; Hans Eichel schießt heimlich Privatvermögen in den Bundeshaushalt, um den Bankrott hinauszuzögern; und Manfred Kanther ist nicht mal in der SPD.

"Berlin ist nicht Weimar", sagt der Politikwissenschaftler Dirk Schulz von der Uni Berlin. "Gott sei Dank! Sonst würde ich mich ja zu Tode langweilen." Auch Experten trauen sich keine Prognose des Wahlausgangs zu. Zu ähnlich sind sich Kanzler und Kandidat: Beide kommen aus bescheidenen Verhältnissen, sind ohne Vater aufgewachsen und mit Frauen verheiratet. Beide lehnen eine Koalition mit der NSDAP entschieden ab und müssen um zwölf zuhause sein. Und: Beide wollen die Wahl gewinnen. Fragt sich nur wie: Mobilisiert man die Stammtische oder wendet man sich lieber ans gesunde Volksempfinden? Setzt man auf einen Medienwahlkampf à la USA oder vertraut man auf die Macht der Bilder? Der häufig hölzern wirkende Stoiber hat vorsichtshalber eine Charme-Offensive gestartet und läßt sich nicht mehr in der Badehose fotografieren; sogar die Kinderpornographie hat er vorerst aufgegeben. Schröder hingegen vertraut ganz auf seinen Schlag bei den wahlentscheidenden Frauen, benutzt seit neuestem Deodorant und Zahnpasta.
Entscheidend werden dann die Fernsehduelle sein, welche die Kontrahenten kurz vor der Wahl austragen wollen. Schon trainieren sie ihre Antworten auf typische Fragen wie "Wie viele Türken braucht man, bis das Boot voll ist?", "Ist der echt?" oder "Sind Sie noch ganz dicht?". Beide werden am jeweils anderen kein gutes Haar lassen, um hernach in der Kantine dann doch noch ein Bierchen zusammen zu trinken. Schröder mit, Stoiber ohne Alkohol. Denn eins ist ja immerhin ausgemacht: Einer von ihnen packt's auf jeden Fall. Das muß die Demokratie aushalten.

Gärtner/Nagel
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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner