Briefe an die Leser | September 2006


[09.2006]

David Schnarch!

Guter Name, das. Besonders, wenn man unter ihm Bücher schreibt: »David Schnarch: Die Psychologie sexueller Leidenschaft. Mit einem Vorwort von Jürg Willi«.
Sagenhaft. Bitten Sie doch evtl. Ihren Klett-Cotta-Verlag bei Gelegenheit um Neuauflage von »Hanno Gähn: So werden Sie zur Bombe im Bett. Mit einem Nachwort von Peter Pillermann«.
Darüber freut sich schon jetzt:

Titanic

[09.2006]

Völlig ungeschminkt und nackt, Shakira,

läufst Du laut Interview mit der Nacktzeitschrift Bravo in Deiner Freizeit am liebsten rum: »In meiner Freizeit laufe ich am liebsten völlig ungeschminkt und nackt rum« – wenn Du uns versprichst, dabei nicht zu singen, räumen wir gerne ein Zimmer für Dich frei.
Einfach klingeln!
Deine ungeschminkten Herren von der

Titanic

[09.2006]

André Heller!

Ohne großes Getöse geht es bei Ihnen ja nicht, und da die Fifa Ihr Wirken leider nicht grundsätzlich unterbinden konnte, überziehen Sie seit Jahresbeginn das Land mit Ihrer Topshow »Afrika! Afrika!«, i.e. »das magische Zirkusereignis vom Kontinent des Staunens«. Damit das Staunen möglichst authentisch ausfällt, sind Ihre Mitarbeiter laut Pressetext »fast zwei Jahre lang in Afrika unterwegs gewesen. Zwischen Mali und Marokko, zwischen Ägypten und Südafrika, an allen Küsten und im Landesinneren sowie in der afrikanischen Diaspora.« Und was haben die da gemacht bzw. gesehen? Diese vier Schlangen jedenfalls, die Sie auf die Werbeplakate gedruckt haben, mit denen jede Stadt, die Sie mit Ihrem Zirkus heimsuchen, flächendeckend zugekleistert wird, das sind – ein Kollege kennt sich da aus – Kornnattern. Und die kommen aus Nordamerika.
Magisch, finden Sie nicht?
Mit Gruß vom Kontinent des Staunens:

Titanic

[09.2006]

Robbie Williams!

An dieser Stelle möchten wir uns schon mal von Ihnen verabschieden, denn es steht ja wohl unweigerlich fest, daß Ihr Stern im Sinken begriffen ist. Nicht nur, daß die Karten für Ihre Berliner Stadionkonzerte (80 Euro) wenige Stunden vor Beginn für 20 Euro zu haben waren, nein, nach Konzertschluß wurde dann in Ihrer Suite kein Model und keine Schauspielerin, sondern eine tatsächlich sächsische Friseuse genagelt, die rein optisch auch vom Pirnaer Straßenstrich hätte stammen können und anschließend, wie sich das gehört, sofort zur Bild-Zeitung rannte.
Nachdem Sie, Williams, ja kaum noch im Radio gespielt werden, ahnten wir ja schon, daß es mit Ihnen bergab geht. Aber muß es gleich so steil sein?
Let us kondolier you:

Titanic

[09.2006]


Manfred Mantel!

In einem an die FAZ gerichteten Leserbrief haben Sie dargelegt, daß Sie durch einen Artikel von Frank Schirrmacher »zum Nachdenken angeregt« worden seien, und zwar mit folgendem Ergebnis: »Mit dem Märchen ›Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich‹ habe ich den Eindruck, daß die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 das eiserne Band aufgesprengt hat, das seit dem Dritten Reich und dem Zweiten Weltkrieg das Herz unseres Volkes umklammerte.« Wir können zwar nicht im einzelnen nachvollziehen, welchen »Eindruck« Sie, lieber Manfred Mantel, »mit« jenem Märchen »haben«, aber Ihrer Analyse stimmen wir zu: Die WM 2006 hat das eiserne Band aufgesprengt, das seit dem Dritten Reich und dem Zweiten Weltkrieg das Herz des deutschen Volkes umklammert hielt.
Und nun haben wir die Bescherung. In Gestalt Ihres Leserbriefs. Ziehen Sie ihn freiwillig zurück? Oder müssen wir die Alliierten darum ersuchen, das Herz des deutschen Volkes wieder in Ketten zu legen?
Denken Sie lieber nicht zu lange darüber nach.

Titanic

[09.2006]

Sie, Veronica Ferres,

wollen also keine vulgäre, alternde Hure spielen und haben deshalb die Titelrolle in dem Stück »Courasche oder Gott laß nach« bei der Ruhr-Triennale abgesagt: »Meine Berater, Regisseure, Dramaturgen und Theaterkritiker meinten einhellig, daß diese Rolle für mich als Schauspielerin absolut rufschädigend sei.« Wir verstehen: Werbefilmchen und Sat.1-»Movies« drehen und als Charity-Lady von einer Veranstaltung zur nächsten kugeln, das ist ruffördernd; einen Massenmörder (Götz George: »Der Totmacher«) oder eine alternde Säuferin (Faye Dunaway: »Barfly«) mimen, einen durchgeknallten Taxifahrer, eine minderjährige Nutte oder einen Zuhälter (de Niro, Foster, Keitel: »Taxi Driver«), das ist rufschädigend. Aber sehen Sie, das ist der ganze Unterschied: Sie spielen nicht – und kriegen gerade deswegen Applaus von Ihrer

Titanic

[09.2006]

Liebe »taz«!

»Angesichts der derzeitigen Kämpfe im Südlibanon fragen sich viele Deutsche: Wie können sie Israel kritisieren, ohne sich dem Vorwurf des Antisemitismus auszusetzen?« teiltest Du uns munter mit und liefertest zur Problembehebung eine »Gebrauchsanweisung« dafür, »wie man Israel richtig kritisiert«: »Hüten Sie sich vor Formulierungen wie: ›Gerade das Volk, das soviel gelitten hat, tut jetzt anderen Leid an.‹ Denn: Juden haben keine besondere Verpflichtung zur Moral, sondern ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis …Vermeiden Sie den Schulddiskurs … Vermeiden Sie das Klischee von ›David gegen Goliath‹« usw. Eine prima positive, ja positivistische Idee, denn dieser Antisemitismusvorwurf ist ja fast so lästig wie die Juden, die ihn dauernd vorbringen. Trotzdem fehlten uns noch ein paar Punkte aus dem Grundkurs: »Sagen Sie nicht: ›Eine Bombe drauf, dann ist endlich Ruhe da unten!‹… Vermeiden Sie, auch wenn es noch so schwerfällt, Vokabeln wie ›Ratten‹ oder ›Ungeziefer‹ … Hüten Sie sich vor Formulierungen wie: ›Die sollte man alle ins Lager stecken, damit sie mal merken, was sie anrichten‹, denn auch dies könnte Ihnen als Taktlosigkeit ausgelegt werden« – und schon haben wir ihn astrein ausgetrickst, den Jud’; muß er ja nicht immer wissen, was man so über ihn denkt!
Trotzdem »danke«:

Titanic

[09.2006]

Und Sie, Max Fellmann (»Süddeutsche Zeitung«),
haben da was entdeckt: »Die Popkultur entdeckt das Thema Natur.« Angefangen habe damit im letzten Jahr der Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow mit seinem Bekenntnis, er möge die Tiere nachts im Wald, dann haben Blumfeld nachgelegt mit Liedern wie dem »Apfelmann«, und Sie führen noch weitere Belege an für Ihre These, die sie erst mal angemessen vorsichtig formulieren: »Warum überhaupt Natur? Eine Antwort könnte sein: Die Sänger behandeln die Dinge, die sie unmittelbar umgeben. Demnach dürfte sich Jochen Distelmeyer nicht mehr so viel in diskussionsfreudigen Hamburger Szene-Kreisen bewegen, vielleicht hat er sich ja ein kleines Haus im Alten Land, dem Apfelanbaugebiet vor den Toren Hamburgs, zugelegt.« Das ist schon apfelschälmesserscharf ins Blau des Himmels über dem Alten Land hineinvermutet; aber kommen Sie, da bietet sich doch noch eine andere Deutungsmöglichkeit an: »Doch es bietet sich noch eine andere Deutungsmöglichkeit an: Wenn alles komplizierter wird (die Welt, das Leben, die eigene Psyche), dann kommen Künstler gern auf das Ursprüngliche zurück … So wie der Naturalismus Ende des 19. Jahrhunderts auf die neue Unübersichtlichkeit des Industriezeitalters reagierte, sucht jetzt vielleicht die Kunst einen Ausweg aus der Ironie-Sackgasse.«
Wenn wir als Pointilisten uns da einmischen dürfen: Schön, daß all die jungen Menschen, die wirklich gar nichts gelernt haben und deshalb den eher unromantischen Naturalismus mit der wiederum gar nicht so unironischen (Neu-)Romantik verwechseln, sich um ihre berufliche Zukunft naturgemäß keine Sorgen zu machen brauchen, denn in dem großen Haus in Münchens Sendlinger Straße findet sich für sie, sei es als freier Mitarbeiter, sei es als Redakteur, immer ein Futterplatz!
Ruckedigu:

Titanic

[09.2006]

National, Georg Baselitz,

sei eigentlich nicht schlecht, sagten Sie im Qualitätszeitungsinterview, aber eine nationale Partei sei »verboten, weil sie immer rechts angesiedelt wird. Dabei hat sich die Definition von rechts und links total verschoben. Hitlers Partei war eine linke, keine rechte! Das will keiner mehr wahrhaben. Diese Verwischung hatte so aberwitzige Folgen, daß wir eigentlich gar nicht mehr wissen, worüber wir sprechen.« Das glauben wir Ihnen aufs Wort, zumal Sie in jungen Jahren nicht einmal oben und unten recht auseinanderhalten konnten. Ob es aber stimmt, daß das Nationale »von den Nazis mißbraucht« wurde? Wurscht: »Ich achte mehr und mehr darauf, daß nichts hereinkommt in den Kopf von all den Einflüssen und Einflüsterungen, den Doktrinen, von all dem Dreck, von dem man meint, er wäre der Draht zur Welt.« Das ist doch mal ein guter Vorsatz. Wenn Sie nun noch so freundlich wären und darauf achteten, daß auch nichts herauskommt aus dem Kopf, dann wäre Ihnen tausend Jahre dankbar:

Titanic

 

[09.2006]

Nein, Umsonst-Zeitung »Hallo Münster«,

nein, nein und nochmals nein: Wir haben’s überprüft. Wir sind durch die Gegend gefahren wie die Blöden und haben dabei die ganze Zeit mit dem Handy telefoniert. Fünf Stunden lang! Und es stimmt einfach nicht! Auch wenn es gewisse Parallelen gibt, kommen doch die Kopfschmerzen schon nach zwei Stunden und nicht erst am nächsten Morgen; muß man nicht ständig aufs Klo, bleibt das Sprachzentrum weitgehend intakt, wird der Tatterich in den Fingern eher stärker als schwächer. Und v.a.: Die Frauen werden einfach nicht schöner. Und Spaß machen tut’s sowieso nicht! Also, zusammengefaßt: Deine Überschrift vom 16. Juli: »Handy am Steuer wirkt wie Alkohol« ist falsch.
Laß Dir das gesagt sein von den Trinkern auf Deiner

Titanic

[09.2006]

Und apropos, »FR«:

»Die Empörung ist einhellig: Daß Magnus Gäfgen eine Stiftung zugunsten von Kindern gründen will, die Gewaltopfer wurden, ist an Sarkasmus kaum zu überbieten« – die meisten sagen ja Zynismus, wenn sie Sarkasmus meinen; nur Du, stets renitente Rundschau, machst es wieder mal genau andersherum.
Und dazu beglückwünscht Dich in stetig größer werdender Verehrung:

Titanic

[09.2006]
Hört mal bitte her, SWR2-Nachrichten et al.!

Wenn humanitär doch »menschenfreundlich, wohltätig, speziell auf das Wohl der Menschen ausgerichtet« bedeutet, stimmt das denn dann: »Im Libanon verschärft sich die humanitäre Lage«?
Unnachgiebig:

Titanic

[09.2006]
Weil, Campino,
Du in der Brigitte verkündet hast: »Ich wäre gern ein Spießer«, wollen wir Dir gern den Unterschied zwischen Indikativ und Konjunktiv erklären, also… – na, schlag’ es doch selber nach.
Würde Dich gern für einen Trottel halten:

Titanic

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

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Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg