Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Eigentum vernichtet

Daß jetzt hoher Sommer ist, merke ich nicht daran, daß ich den lieben langen Tag auf dem Balkon verhocke, sondern an Spiegel-Titeln wie diesen: „Die Magie des Mitgefühls. Hirnforscher erkunden das Geheimnis der Empathie“. Der Teaser geht sogar so weit, von der „Macht“ des Mitgefühls zu raunen: „Das Gehirn ist ein soziales Organ – dank bestimmter einflußreicher Nervenzellen erlebt es unbewußt mit, was in anderen Menschen vorgeht. Jetzt ergründen Forscher, wie Empathie und Hilfsbereitschaft sich trainieren lassen.“

Der Trainingsrückstand ist global allerdings ein erheblicher. In 112 Staaten wird laut amnesty international im behördlichen Auftrag gefoltert. Im Sinai, berichtet das SZ-Magazin in einer tatsächlich erschütternden Reportage, entführen Beduinen Schwarzafrikaner und foltern sie solange, bis die armen Verwandten, die am Telefon Zeuge werden müssen, wie dem Sohn oder der Nichte beispielhaft die Handgelenke zertrümmert werden, ein Lösegeld beisammen haben; da das Lösegeld 30 000 Dollar beträgt, eine in zumal Eritrea ganz und gar wahnsinnige Summe, überleben es viele nicht, und wenn sie es überleben, dann als körperliche und seelische Krüppel. „[Ein Folterer] erzählt gelassen, als spräche er über die Pfirsichernte, wie sie Frauen in Strohzäune einrollten und anzündeten; wie sie ein Baby von der Brust der Mutter rissen, es erwürgten und damit Fußball spielten; wie sie ein Erdloch mit Glut füllten, einen Metallrost darüber legten und ihre Opfer auf die glühenden Stäbe warfen. ,Afrikanisches Barbecue', sagt der Mann und nippt an seinem Tee. ,Schwarzes Fleisch.'“ Ein Horrormärchen; dafür, daß es wahr ist, spricht u.a. P. Brückners vierzig Jahre alte „Sozialpsychologie des Kapitalismus“, die vom Brauch lateinamerikanischer Militärdiktaturen wußte, Babys im Angesicht der Eltern zu foltern, wie es bekanntlich der römischen Hochzivilisation für unproblematisch galt, einem Menschen Nägel durch Hände und Füße zu treiben und ihn über Stunden, über Tage hinweg an einem Holzkreuz verrecken zu lassen.

„Zwar die tägliche Scheußlichkeit stört / doch sie wundert uns wenig.“ Enzensberger, 1981

Zweitausend Jahre, fast nichts ist passiert: „Was will [der Beduinenjunge] Abu machen, wenn er mit der Schule fertig ist? ,Afrikaner foltern', sagt der Junge plötzlich. Wir steigen nicht darauf ein. Vielleicht hat er gehört, daß wir an dem Thema interessiert sind, und will uns imponieren. Aber Abu geht mit leuchtenden Augen ins Detail: ,Ihnen glühende Nägel durch die Hände schlagen, sie mit kochendem Wasser übergießen, 30 000 Dollar Lösegeld kassieren und sie dann für 5000 Dollar weiterverkaufen.'“ Das ist so die Magie des Mitgefühls, und Empathie keine Frage von Gehirnjogging, sondern eine von 120 Euro, die eins als Folterknecht bekommt, wo es anders kein Geld zu verdienen gibt. „,Keine Arbeit, kein Geld, keine Zukunft', sagt Abdel auf dem Beifahrersitz. ,Kein Wunder, daß viele von uns zu Kriminellen werden.'“

Die alte Frage, ob der Mensch gut sei oder schlecht, läßt sich mindestens insoweit beantworten, als er unter dem Regime von Haben und Nichthaben, von Macht und Ohnmacht durchaus dazu neigt, ein Monster, eine Drecksau, eine Schande fürs Universum zu sein. Da braucht man nicht nach Afrika zu schauen, da reicht Osteuropa, wo das depravierte Kleinbürgertum nur darauf wartet, eine Rechnung zu begleichen, von der es glaubt, es habe sie ausgerechnet mit den ungleich depravierteren Roma offen (vgl. den z.Z. vielrezensierten ungarischen Film „Just the Wind“); da reicht selbst der Blick in deutsche Zeitungen, wo reformfaule Griechen an unser Geld wollen. Eine jüngere anthropologische These lautet, Krieg sei in besitzlosen Jäger- und Sammlergesellschaften konzeptuell unbekannt, Gewalt in diesen Gesellschaften kein konzertiertes Gruppen-, sondern ein individuell-isoliertes Phänomen. Daß Eigentum vernichte, sollten wir als Möglichkeit also nicht ausschließen.
Eine Wahlempfehlung für die FDP kann unter diesen Umständen freilich nicht ausgesprochen werden. Noch sonst irgendeine.




Eintrag versenden Newstickereintrag versenden…
Felder mit einem * müssen ausgefüllt werden.

optionale Mitteilung an den Empfänger:

E-Mail-Adresse des Absenders*:

E-Mail-Adresse des Empfängers*
(mehrere Adressen durch Semikolon trennen, max. 10):

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt