Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Privatnützig
Ich bin gern in München, weil Freunde hier wohnen, das Augustiner-Bier sehr bekömmlich ist und im Millionendorf insgesamt eine urban abgefederte „Gemütlichkeit“ (Polt) herrscht, in der man die Übersicht wahren kann, ohne daß es dafür einen Kiez bräuchte. Eine Großstadt, keine Metropole; schee. Andererseits dauert es nach dem Verlassen des Intercity keine fünf Minuten, bis einem diese spezifische Münchner Hackfresse über den Weg läuft, die nah an dem west, was in Österreich unter „Feschismus“ verhandelt wird, dieser haiderhaften Mischung aus Bergsteigen, Busineß, Bussibussi und Brutalität samt einer Leutseligkeit, die sehr gut ohne die Leut' auskommt, und da sind wir beim Thema.
In Haidhausen, einem teuren, schwungvoll durchgentrifizierten Stadtviertel, ist nämlich gebaut worden, allerdings nicht für Klempner, Krankenschwestern und andere Stützen der Gesellschaft, sondern für Geländewagenfahrer, deren Funktionsbekleidung nicht von Jack Wolfskin, sondern Moncler stammt, mehrgeschossige, blaßgelbe, sanft altbauzitierende Wohnstätten für den solventen Kunden, der für einen Platz in der Kita nebenan, in der man unter sich ist, ohne weiteres 600 Euro im Monat ausgeben kann. Eine Mietpreisbremse braucht's hier schon deshalb nicht, weil man annehmen darf, es handele sich um Eigentum. Es wäre, falls nicht, aber auch ganz wurscht.
Die Verächter kontrollierter, gedeckelter Mietpreise (in der FAZ und anderswo) sagen, derlei sei ein unzulässiger Eingriff in die freie Preisgestaltung als Kern der freien Marktwirtschaft, denn nichts indiziere Knappheiten so akkurat wie der Preis: Was knapp sei, sei teuer, und was teuer sei, lohne sich, also sei die Knappheit bald behoben, und zu solch akkurater Selbststeuerung sei eine Planwirtschaft nun einmal per se nicht in der Lage. Was am warmen Redaktionsschreibtisch völlig einleuchtend klingt, funktioniert aber nur so lange, wie es nicht mehrerlei Sorten Knappheit gibt, nämlich lukrative und nicht so lukrative, und unter der Voraussetzung, Wohnraum sei in einer Stadt wie München im Grundsatz knapp, hat ein Investor die Wahl: Er baut Wohnungen für Leute mit Geld oder für Leute ohne Geld, und man muß nicht BWL studiert haben, um die Entscheidung zu verstehen, die er in München-Haidhausen, der Hamburger Hafencity oder auf dem Areal, das durch Stuttgart 21 oberirdisch frei werden wird, getroffen hat.
„Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen.“ Wittgenstein, 1918
Privater Wohnungsbau orientiert sich, wie auch nicht, an der Möglichkeit, Profite zu erwirtschaften, und mit bezahlbaren Wohnungen für die Intensivpfleger, die an dem Klinikum, an dem eine befreundete Münchner Ärztin arbeitet, 1400 Euro netto verdienen (im Haus derselben Freundin, das nicht einmal im In-Viertel liegt, werden z.Z. 60-Quadratmeter-Wohnungen für knapp 1000 Euro gehandelt), ist das nicht drin, oder wenigstens nicht so sehr wie mit den sonnendurchfluteten Wohnträumen für die Erben und Akkumulationsruinen, die mit ihren Porsches und Range Rovers die Maximilianstraße säumen. Was der Staat oder die Wohnungsbaugenossenschaft nicht baut für die, die 16 Euro für den Quadratmeter schlicht nicht haben, baut keiner, und es spricht durchaus für die Verhältnisse, daß die ehedem gemeinnützige bayerische GBW, wie mich die Abendzeitung informiert, noch einmal 4500 Wohnungen an privat veräußern wird, nachdem im Mai 2013 bereits „knapp 32 000 Wohnungen der GBW von der Bayerischen Landesbank an eine private Investorengruppe um die Augsburger Patrizia AG" verkauft worden waren. „Die GBW galt mal als sehr sozialer Vermieter“ (AZ), aber da war sie noch gemeinnützig. Jetzt ist sie privat und also nicht mehr sozial, denn privat ist das Gegenteil von gemeinnützig. Schon begrifflich.
Da sollte jetzt sogar einem von der Jungen Union mal irgend etwas auffallen.
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