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Gärtners kritisches Neujahrsfrühstück: Aus dem Wörterbuch der Unmenschen

Wie haben sie einen belächelt damals, als man 2006 des Vaterlandes fröhliche Wiedergeburt im schwarz-rot-goldenen Fahnenmeer für weniger märchenhaft denn menetekelig hielt und den „fröhlichen Patriotismus“ nicht für harmlos, sondern etwas, das dereinst genauso ausgenutzt werden würde wie Vaterländisches immer.

„Unser Herz schlägt für Deutschland“, meldet ein Jahrzehnt später nicht die Deutsche Liga für Volk und Heimat, sondern der harmlose, in Karten, Kalender und Nippes machende Schöning-Verlag auf Postkartentütchen aus dem ebenso unverdächtigen Quartiersbuchladen, und man muß sich schon auf die Homepage bemühen, um zu erfahren, daß die Heimatliebe eine zur Ansichtskarte ist („Von Sylt bis Garmisch-Partenkirchen, von Aachen bis Zwiesel bedienen wir seit Gründung des Verlags 1919 eine Vielzahl touristischer Orte. Noch heute werden in dem Lübecker Mittelstandsbetrieb Ansichtskarten konzipiert, entworfen und gedruckt“); und meine Reserve, was die „unaufhaltsame Faschisierung“ (Georg Seeßlen) der Deutschland AG angeht, halt bloß idiosynkratisch. Oder etwa nicht?

„Spatzl: ,Jetzt kann’s nur noch besser werden.’ – Franze: ,Jetzt wird wahrscheinlich alles ganz wunderbar.’“ Dietl/Süskind, 1983

Einen Tag später auf der weihnachtlichen Post habe ich aus der langen Warteschlange heraus Gelegenheit, zwei Kinderbücher zur Kenntnis zu nehmen, die zu irgendwelchen jahresendlichen Benefizzwecken vorgehalten werden: Erstens „Europa – entdecke den spannenden Kontinent“, zweitens „Deutschland – Deine Erlebnisreise durch Dein Heimatland“, und alles, was recht ist: So haben sie selbst in den geistig-moralisch gewendeten Kohl-Jahren meiner Adoleszenz nicht geknödelt, als ein Wort wie „Heimatland“ NPD, vielleicht noch Schlesiertreffen war; und daß der Siegeszug der unentwegt spannenden als vollauf konformen, das phrasenfroh Gutgelaunte in die Hirne hämmernden Sprache für die Nuancen taub macht, auf welche es doch ankäme, ist eine Warnung, die natürlich immer bloß ins Rauschen des Blätterwaldes gesprochen war. (Als ich einem Freund neulich mitteilen wollte, ich hätte eine Erzählung spannend, nämlich pulssteigernd gefunden, stellte ich fest, daß ich den Satz gar nicht mehr schreiben konnte, bedeutet er doch nach dem idiotischen, von den vereinigten Medialinstanzen ins Bodenlose gehunzten Sprachstandard der Gegenwart etwas völlig anderes als das, was ich meinte, nämlich praktisch nichts mehr. So wird das Ende von Sprache zum Ende von Welt.)

Allerletzter Weihnachtskauf, ein Blick ins „Was ist was“-Regal, und wiederum ein nationaler Zufallstreffer: „Deutschland. Land und Leute entdecken“, gab es früher auch nicht; und auf der Verlagsseite, wo ich nachsehen will, ob auch hier der Kontinent als spannender und sowieso erweitert deutscher mitmachen darf (ja, Band 113, „Europa“), wirbt ein kleines Mädchen im schwarz-rot-goldenen Sommermärchenoutfit. Oder muß ich sagen „Mädel“? Weil Frauen im final zu sich selbst befreiten Land aus Heimat, Hitler, Mario Barth allerorten zu „Mädels“ geworden sind? Und das, wie alles Grundverkehrte, auch noch gut finden?

Ich wünsche trotzdem ein gesundes neues Jahr. Im Rahmen der kranken Möglichkeiten.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick