Vom Fachmann für Kenner
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Vegetative Dystonie
Als "weiß und daunig" hatte irgendein honoriger deutscher Literat die Ohnmacht an sich beschrieben, und so empfand es auch ich, als ich mit einem sich stetig erweiternden gefiederten Tunnelblick aus der ersten Absence meines Lebens erwachte. Der über mich gebeugte Arzt schickte sich sogleich an, mir mit besorgter Miene zu erklären, ich sei ja ganz schön lange weggewesen, "bestimmt drei Minuten", und daß er mich nur unter Aufgebot von Riechsalz habe "wiederholen" können. Nach einem kurzen Erfahrungsbericht meinerseits mußte ich mich plötzlich übergeben. Man kümmerte sich wohlwollend um mich und das Linoleum, dann geleitete mich der Arzt in ein Behandlungszimmer und maß mir mehrmals den Blutdruck. Angesichts meiner immer wieder in Extreme ausschlagenden Dia- und Systolenwerte rief er aus: "Na, Sie sind ja eine ganz leidenschaftliche Frau! Der Mann, der Sie mal heiratet, tut mir ja jetzt schon leid. Das wird ein ganz schönes Hin und Her mit Ihnen!" Ich erbrach mich ein weiteres Mal.
Immerhin bis in den weitläufigen Speiseraum hatte ich es bei meinem nächsten Versuch, das Etablissement zu verlassen, geschafft, als ich in einem mir eilfertig unter den Hintern geschobenen Rollstuhl sitzend in einen mir noch eilfertiger hingeschobenen Mülleimer kotzte. Die Empfangsschwester klang sehr eindringlich, als sie zum Abschied sagte: "Sie, Frau Kranz, spenden die nächsten zehn Jahre erst mal besser kein Blut mehr."

Melanie Kranz


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